Wieder schwere Vorwürfe
Neuerlich ist der Österreichische Skiverband (ÖSV) mit einem Bericht über Missbrauchsvorwürfe konfrontiert worden. Die „Süddeutsche Zeitung“ veröffentlichte am Donnerstag schwere Vorwürfe, vor allem gegen den gegen den ehemaligen ÖSV-Trainer Karl „Charly“ Kahr.
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Berichtet wurde über eidesstattliche Erklärungen mehrerer Sportlerinnen, die schwere sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung durch den damaligen Damen-Cheftrainer beinhalten. Die Vorfälle sollen sich in den späten 60er und 70er Jahren ereignet haben. Der heute 86-jährige Kahr dementierte die Vorwürfe via Anwalt Manfred Ainetder. Dieser sprach von Verleumdung und kündigte an, Klagen prüfen zu wollen.
Klasnic-Kommission erhielt Hinweise
Die Veröffentlichung schlug am Freitag hohe Wellen. Wie das Ö1-Mittagsjournal berichtete, gab auch Herwig Hösele als Sprecher der vom ÖSV eingesetzten Anlaufstelle rund um Waltraud Klasnic an, es habe Hinweise an die Kommission betreffend Übergriffe durch Kahr gegeben. Diese seien allerdings sehr anonym und nicht von unmittelbaren Betroffenen gewesen. Die Kommission werde nun versuchen, den Hinweisen nachzugehen - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Missbrauchsvorwürfe gegen Ex-Skitrainer Kahr
Zwei ehemalige Skirennläuferinnen erheben Anschuldigungen gegen Ex-ÖSV-Cheftrainer Karl Kahr, sie vergewaltigt bzw. genötigt zu haben. Der heute 85-jährige Beschuldigte bestreitet die Vorwürfe.
Der ÖSV ließ unterdessen am Freitag mitteilen, dass man von den Vorwürfen keine Kenntnis gehabt habe. Kahr habe dem ÖSV nach Rücksprache versichert, dass die Vorwürfe nicht stimmen würden. ÖSV-Pressechef Josef Schmid erklärte am Freitag gegenüber der APA in Pyeongchang, dass es vonseiten des ÖSV keine direkte Stellungnahme geben werde. Bis die Staatsanwaltschaft Innsbruck neue Erkenntnisse habe, würden zu dieser Causa nur PR-Beraterin Heidi Glück beziehungsweise Opferschutzanwältin Klasnic sprechen.
Vorwurf der Vergewaltigung
Die Vorwürfe kommen laut der „SZ“ von mehreren ehemaligen Rennläuferinnen. Eine Frau gab an, im Jahr 1968/69 als 16-Jährige von Kahr vergewaltigt worden zu sein. Kahr habe sich in ihr Zimmer geschlichen. Sie habe ihn erst bemerkt, als er schon auf ihr lag. Aus Scham habe sie sich erst ein halbes Jahr später einer Kollegin anvertraut. Diese bestätigte ebenfalls per eidesstattlicher Erklärung, damals informiert worden zu sein.
Eine weitere ehemalige Rennsportlerin wirft Kahr zwei Übergriffe vor. Bei einem davon, Mitte der 70er Jahre in Kanada, habe sich auch Skilegende Toni Sailer, zu dieser Zeit Cheftrainer und Technischer Direktor des ÖSV, im selben Zimmer befunden. Kahr habe sie mit den Worten „So, heut’ kommst du dran!“ in sein Hotelzimmer gezerrt. Sie habe sich aber losreißen und flüchten können. Kahr sei damals wie der ebenfalls im Zimmer anwesende Toni Sailer schwer betrunken gewesen. Die Namen der Ex-Rennfahrerinnen werden in der „SZ“ nicht genannt.

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Sailer und Kahr gelten bis heute als Aushängeschilder des österreichischen Skisports
Sie äußerte weitere Vorwürfe. Diesen zufolge soll sich im Winter 1968/69 in einem Zugsabteil ein weiterer Übergriff zugetragen habe. Kahr soll den Kopf der Frau gepackt und ihn unter die auf seinem Schoß liegende Skijacke gedrückt haben: „Darunter lag sein entblößter Penis. Er hat mich richtig darauf gedrückt, vermutlich sollte ich das Glied in den Mund nehmen. Ich habe kaum Luft gekriegt und mich so geekelt.“ Die Frau habe sich losgerissen und das Abteil verlassen, aber nichts gesagt. Die Frau bekräftigte den Vorwurf gegenüber dem „Standard“.
Werdenigg spricht von „Verrohung“
Die ehemalige Rennfahrerin Nicola Werdenigg, die die Debatte über sexuellen Missbrauch im ÖSV und anderen Bereichen des Skisports, etwa in mehreren Skischulen, im Dezember ausgelöst hatte, bestätigte der „SZ“ und dem Ö1-Morgenjournal, dass ihr die Ex-Mannschaftskollegin damals von dem Vorfall berichtet habe.
Gegenüber der Zeitung erhebt auch sie schwere Vorwürfe gegen Kahr und Sailer: Durch die beiden habe eine „Verrohung“ eingesetzt: „Die zwei haben in den Betrieb der Serviceleute und der anderen Trainer Sodom und Gomorrha reingebracht. Es gab keine Grenzen mehr. Da war nichts mehr so, wie es in einem Umfeld im Sport sein sollte.“
Kahr dementiert
Kahr ließ durch seinen Anwalt die Vorwürfe dementierten. „Die gegen meinen Mandanten erhobenen Vorwürfe“ seien „samt und sonders aus der Luft gegriffen, und kein einziger der von Ihnen genannten Vorfälle (hat) jemals stattgefunden“, hieß es am Donnerstag nach der Veröffentlichung. Ainedter sprach von „glatter Verleumdung. Tatsache ist, es ist nicht wahr.“
Im Ö1-Morgenjournal sagte Ainedter erneut, laut Kahr seien die Anschuldigungen „völlig frei erfunden“. „Er würde gerne wissen, wer diese Vorwürfe erhebt, damit er sich mit dieser Zeit auseinandersetzen kann und diese verleumderischen Behauptungen rechtlich verfolgen kann.“ Es sei „bodenlos“, dass man Kahr nach 50 Jahren 86-jährig „in den Schmutz ziehen“ wolle. „Eigentlich zum Kotzen“, so Ainedter - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Außerdem sagte der Rechtsanwalt: „Es ist kein Zufall, dass so etwas kurz vor Beginn der Olympischen Spiele veröffentlicht wird. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auf diesem Wege versucht wird, auf die österreichische Mannschaft Einfluss zu nehmen.“ Kahr war bis 1970 Damen-Trainer, nach einem Gastspiel im Ausland kehrte er 1972 als Herren-Abfahrtstrainer zurück. Vier Jahre später wurde er Cheftrainer der Herren und behielt diese Funktion bis 1985.
Fragen zur Aufarbeitung
Angesichts der Vorwürfe stellen sich erneut Fragen zur Aufarbeitung der Vorwürfe im Skisport, die teils Jahrzehnte zurückliegen. Ex-Sportminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) hatte nach Bekanntwerden von Werdeniggs Vorwürfen eine Studie angekündigt, diese wurde allerdings laut dem zuständigen Verein 100% Sport noch nicht in Auftrag gegeben. Es soll nun ein Gespräch mit dem Sportminister Heinz-Christian Strache (FPÖ) geben, bei dem laut „Standard“-Interview auch Werdenigg teilnehmen soll.
Sie sagte zum Mittagsjournal hinsichtlich der Möglichkeit eines Gerichtsverfahrens: „Wir haben alle eidesstattliche Erklärungen unterschrieben. Und jetzt sind wir zu dritt. Und ich nehme an, sollte es zum Gerichtsverfahren kommen, werden wir alle aussagen, diese Dinge, die wir erfahren haben“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.
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