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Sammeln von Unterstützungserklärungen

Am Montag hat der Verein Frauenvolksbegehren 2.0 mit dem Sammeln von Unterstützungserklärungen begonnen. Um das Begehren, das den Initiatorinnen zufolge „echte Gleichstellung“ zwischen Männern und Frauen zum Ziel hat, einzureichen, sind mindestens 8.401 Unterschriften bis 12. März nötig. Im Anschluss geht es um 100.000 Unterschriften, damit die Forderungen im Nationalrat behandelt werden.

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Dafür wird vonseiten des Innenministeriums eine Eintragungswoche bestimmt. Die Initiatorinnen des Vereins zeigen sich überzeugt, dass sie auch die „Hürde 100.000“ meistern werden. Zwar dürfe man den Rückhalt in der Bevölkerung nicht für selbstverständlich nehmen, aber die Unterstützung sei riesig, so die Obfrauen und Sprecherinnen Andrea Hladky und Schifteh Hashemi im Gespräch mit ORF.at.

Interview mit den Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens

ORF.at/Roland Winkler

Hashemi (l.) und Hladky bauen auf die Zivilgesellschaft. „Der Wunsch nach echter Gleichberechtigung ist da“, sagen sie.

Auf nur 30 Quadratmetern im dritten Wiener Gemeindebezirk stapeln sich derzeit Dutzende Kisten mit T-Shirts, Buttons, Stoffsackerln und Co. - alles im Design des Frauenvolksbegehrens 2.0. „140.000 Euro wurden letztes Jahr mittels Crowdfunding eingenommen, wodurch die Kampagne finanziert werden kann“, erklärt Hladky. Am großen Tisch in der Mitte des Raumes werde jeden Tag gearbeitet, und das, wie die Obfrau betont, ausschließlich ehrenamtlich. Das Kernteam bestehe aus 15 bis 20 Personen, in jedem Bundesland seien es etwa noch einmal so viele.

Initiativen in ganz Österreich

Dazu kommen zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten. Die Zahl sei unüberschaubar, da viele Zivilorganisationen - über den Frauenring bis zum Verein der Bergbäuerinnen und der Katholischen Frauenbewegung - mit an Bord seien, so Hladky weiter. Diese veranstalten selbstständig Stammtische, Informationsveranstaltungen und Podiumsdiskussionen in allen Bundesländern, wie auf der Website angekündigt wird.

Interview mit den Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens

ORF.at/Roland Winkler

Auf 30 Quadratmetern organisieren Freiwillige das Frauenvolksbegehren 2.0, das Zimmer dient gleichzeitig als Lagerraum

So sollten möglichst viele Menschen in Österreich mitbekommen, worum es beim Frauenvolksbegehren 2.0 gehe und warum es unterstützenswert sei. Dabei setze der Verein auf mündliche Weitergabe und Social Media. Wichtig ist Hladky und Hashemi dabei, dass „nicht wir hier das Frauenvolksbegehren aus Wien machen, sondern die jeweiligen Gruppen vor Ort“.

Bogner-Strauß erteilte Absage

Die Forderungen zielen auf gleiche Rechte für alle in Österreich ab. Die Politik spiele dabei leider oft nicht mit, sagt Hashemi. So teilte etwa Frauen- und Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) dem Frauenvolksbegehren 2.0 vor Kurzem eine Absage, wie die „Wiener Zeitung“ („WZ“) (Onlineausgabe) berichtete: „Für mich geht die Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden und die flächendeckende Geschlechterquote von 50 Prozent auf allen Ebenen zu weit“, so Bogner-Strauß gegenüber der Zeitung. Die Ministerin werde das Volksbegehren - anders als ihre Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) - deshalb nicht unterschreiben.

„Zwölfstundentag nicht mit Leben vereinbar“

Doch davon lassen sich Hladky und Hashemi nicht beirren, das Frauenvolksbegehren bleibe bei seiner Forderung der flächendeckenden Geschlechterquoten von 50 Prozent wie auch bei einem Schließen der Lohnschere zwischen Männern und Frauen - einem Ziel das laut „WZ“ aber auch Bogner-Strauß befürworte. In der Tat liegt Österreich hier weit hinter dem EU-Durchschnitt, wie die Statistik-Austria in ihren Berechnungen zum Gender-Pay-Gap zeigt. Österreich findet sich im EU-Vergleich an viertletzter Stelle.

Unterschied bei Brutto-Stundenlohn in EU-Ländern 2015, Länderauswahl

Grafik: APA/ORF.at, Quelle: APA/Statistik Austria

Auch die 30-Stunden-Woche ist eine Forderung des Frauenvolksbegehrens 2.0. Grund dafür sei die Sorgearbeit, zum Beispiel Hausarbeit und Kindererziehung, die unbezahlt und zwischen den Geschlechtern ungerecht aufgeteilt ist. „Frauen tragen so einen enormen finanziellen Nachteil davon - spätestens in der Pension“, sagt Hashemi. Problematisch und unvereinbar sei die unbezahlte Arbeit noch viel mehr, sollte die Regierung den Zwölfstundentag bzw. die 60-Stunden-Woche einführen. „Das ist nicht mit dem Leben vereinbar. Die Regierung zeigt sich hier naiv und unrealistisch“, so Hashemi. Hladky fügt hinzu: „Es ist außerdem für niemanden fair, auch nicht für Kinder und Väter. Das Familiengefüge wird dadurch belastet.“

Vielmehr müsse sich der Staat für kostenfreie, flächendeckende Kinderbetreuung einsetzen, so Hladky. Wer keine Kinderbetreuung brauche, müsse diese ja auch nicht in Anspruch nehmen. „Denn im Moment können Frauen nur alles falsch machen“, so die Sprecherin. „Gehen sie arbeiten, gelten sie als Rabenmütter, bleiben sie zu Hause, werden sie als faul abgestempelt.“ Dieses Bild könne nur durch gleiche Rechte für alle langsam aufgebrochen werden.

„Gewaltprävention statt höhere Strafen“

Doch nicht nur im Bereich Arbeit verfolgt der Verein einen anderen Ansatz als die Regierung. Uneins ist man sich etwa auch beim Thema der Verhinderung von Gewalt gegen Frauen. Zwar zielt auch die jüngst von ÖVP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler angekündigte Taskforce in puncto Anhebung der Strafen bei Gewalt- und Sexualdelikten im weiteren Sinne auf eine der Forderungen ab, eine Strafrechtsänderung sehe man beim Frauenvolksbegehren 2.0 aber kritisch. „Viel nachhaltiger wäre es, Expertinnen und Experten einzuberufen - auf Gewaltprävention und Täterarbeit zu setzen und Sensibilisierungsprogramme zu gestalten“, so Hashemi.

Wahlrechtsänderungsgesetz

Ab 12. Februar 2018 können Unterstützungserklärungen per Bürgerkarte bzw. Handysignatur abgegeben werden. In Papierform kann man die Unterstützungserklärung an jedem Gemeindeamt in Österreich – unabhängig vom Hauptwohnsitz – abgeben. Die Unterstützungserklärungen werden den Unterschriften der späteren Eintragungswoche angerechnet.

Der Verein - unter den Initiatorinnen und Initiatoren auch zahlreiche Frauenrechtsexpertinnen und -experten - würde sich zwar bereiterklären, mit der Taskforce in Diskussion zu treten, Interaktion habe es aber noch keine gegeben. „Wir haben ja selbst durch die Medien davon erfahren“, so Hladky. Via „Kronen Zeitung“ bestätigte Koalitionssprecher Peter Launsky-Tieffenthal unterdessen, alle Ministerinnen seien geschlossen gegen das Frauenvolksbegehren. Und auch Claudia Gamon von NEOS will laut eines Berichts des „Standard“ (Onlineausgabe) das Plebiszit nicht unterschreiben. Empört zeigen sich SPÖ, die Liste Pilz (LP) und die Grünen.

So erklärte etwa Rendi-Wagner, dass es den Initiatorinnen des Volksbegehrens darum gehe, die Zukunft geschlechtergerechter zu gestalten – und da fänden sich auch Forderungen darunter, die nicht „im Hier und Jetzt“ umgesetzt würden, wohl aber als Vision dienen könnten. Sie könne also „nicht nachvollziehen“, dass die Ministerinnen angesichts dessen mit ihrem Unterschriftsverzicht gleich alle Forderungen ablehnten. Die Grünen wandten sich bereits jetzt in einem offenen Brief an die Koalitionsspitze. Dazu sagte Grünen-Bundesrätin Ewa Dziedzic: „Als Role-Models“ für junge Frauen sei das Vorgehen der Ministerinnen „bedauernswert und bedenklich“.

Projektleiterin: Probleme in einigen Gemeinden

Laut Aussendung wurde Projektleiterin Lena Jäger am Montagvormittag telefonisch aus über 40 Gemeinden in mehreren Bundesländern über Probleme im System verständigt, aufgrund derer die Erklärungen nicht amtsgültig abgegeben werden konnten. Des Weiteren gebe es einzelne Berichte, dass das Frauen*Volksbegehren in manchen Gemeinden noch gar nicht bekannt sei oder dass keine Unterstützungserklärungen aufliegen, heißt es weiter in der Aussendung von Montagnachmittag.

Wie geht es weiter?

Sollten die Forderungen bei Erreichen der 100.000 Unterschriften im Nationalrat besprochen werden, heißt das allerdings nicht, dass sie auch umgesetzt werden. „Doch hier hört es nicht auf, wir machen weiter“, gibt sich Hashemi kämpferisch. Außerdem gebe es etliche Forderungen, die relativ einfach verwirklicht werden könnten, so Hashemi, beispielsweise Armut von Alleinerziehenden zu bekämpfen - etwa durch einen Unterhaltsvorschuss. Alle Forderungen seien durchdacht, geprüft und juristisch haltbar, so auch die flächendeckende Kinderbetreuung. Diese sei ebenfalls einfach umzusetzen, da Infrastruktur in Form von Kindergärten und Schulen zumeist schon vorhanden sei.

Interview mit den Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens

ORF.at/Roland Winkler

„Einige unserer Forderungen sind einfach umzusetzen, andere brauchen Zeit“, sagt Hashemi

„Wir merken, dass die Politik derzeit den Sozialstaat abbaut und ein rückwärtsgewandtes Frauenbild hat“, sagt Hashemi. Ob das auf die Gründung einer Partei hinauslaufe? „Wir wollen die Initiative noch nicht in ein starres Gefäß einer Partei formen, aber es kann sich natürlich alles entwickeln“, so die Sprecherin weiter. Der Verein stecke noch in den Kinderschuhen, es gebe auch innerhalb der Initiative unterschiedliche politische Ansichten, „aber was uns verbindet, ist das Ziel, dass Frauen und Männer in Österreich gleichwertig leben können.“

Was blieb vom Frauenvolksbegehren 1997?

Bereits vor 21 Jahren wurde das erste Frauenvolksbegehren in Österreich initiiert. Damals unterschrieben immerhin knapp 645.000 Menschen - mehr als zehn Prozent der Wahlberechtigten. Umgesetzt wurden die Forderungen von 1997 kaum bis gar nicht, was der weiterhin bestehende Gender-Pay-Gap am deutlichsten veranschaulicht. Erreicht wurde das Ziel, dass auch alle Alleinerzieherinnen zwei Jahre lang Karenzgeld bekommen. Darüber hinaus wurde das Pensionsalter für Frauen bis dato nicht mehr angehoben. Die nächste schrittweise Angleichung ist ab 2024 geplant.

Eva Rossmann und Elfriede Hammerl trafen im Bundeskanzleramt 1997

APA/Harald Schneider

Eva Rossmann und Elfriede Hammerl (r.), Mitinitiatorinnen des Volksbegehrens 1997, trafen den damaligen Bundeskanzler Viktor Klima (SPÖ). Heute stehen sie unterstützend zur Seite.

Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Frauenvolksbegehren sehen die Obfrauen darin, dass heute auf die Mehrfachbenachteiligung von Frauen eingegangen werde. Frauen würden nicht mehr als einheitliche Masse gesehen, sondern als Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. So spielen 2018 etwa auch die Themen Frauen auf der Flucht und Verhütung eine Rolle. Außerdem setze man dieses Mal mehr auf die Einbindung von Männern - auch im Vorstand. „Echte Gleichstellung kann nur gemeinsam mit Männern funktionieren“, so Hladky. Zudem fordert das Frauenvolksbegehren 2.0, gezielt gegen Stereotypenbildung vorzugehen, beispielsweise durch ein gesetzlich verankertes Verbot sexistischer Inhalte in Werbung und Schulbüchern.

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