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Afrofuturismus trifft Action

Black Panther war der erste schwarze Superheld in Marvels Comic-Universum. Nun absolviert T’Challa, der König des fiktiven afrikanischen Königreichs Wakanda, seinen ersten Soloauftritt auf der Kinoleinwand. Der Film des jungen US-Regisseurs Ryan Coogler (31) überzeugt auf allen Ebenen - und verschiebt die Machtverhältnisse in der Marvel-Welt.

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Das technologische Zentrum der Erde liegt in „Black Panther“ nicht in Tony Starks (Iron Man) Wolkenkratzer in Midtown Manhattan, sondern in einem kleinen Königreich in Ostafrika. Wakanda ist ein Agrarstaat, dünn besiedelt, der außer seinen malerischen Landschaften wenig zu bieten hat. Doch der erste Eindruck täuscht: Verborgen unter einer Tarnkuppel liegt eine hochentwickelte Zivilisation, mächtig wie keine andere.

Szene aus dem Film "Black Panther"

Marvel Studios 2018

König T’Challa (Chadwick Boseman), der schwarze Panther

Wakandas Fortschritt gründet sich auf seinen Vibranium-Vorkommen. Ein Meteorit hat das blau schimmernde (fiktive) Metall einst zur Erde gebracht. In der Marvel-Welt ist Vibranium der mächtigste aller Rohstoffe; aus ihm ist etwa der Schild Captain Americas geschmiedet. Die Herrscher Wakandas wissen um ihren Reichtum und verstecken ihn vor dem Rest der Welt.

Selbstgewählte Isolation

Aus der selbstgewählten Isolation ergeben sich moralische und politische Fragen, die Coogler („Creed: Rocky’s Legacy“) als Unterbau seiner Actionstory nutzt. Ob seiner technologischen Überlegenheit hätte das Volk Wakandas die Möglichkeit, in Konflikte auf der ganzen Welt einzugreifen - aber soll es das auch? Soll es Flüchtlingen ein sicherer Hafen sein? Soll es sich als Schutzmacht verstehen für die afroamerikanische Minderheit in den USA, die Diskriminierung, Rassismus und Polizeigewalt ausgesetzt ist? Und soll es seine Tarnung als „Dritte-Welt-Land“ aufgeben?

Szene aus dem Film "Black Panther"

Marvel Studios 2018

T’Challa (Boseman, l.) muss sich Killmonger (Michael B. Jordan) im Kampf stellen

Diesen Fragen stellen muss sich auch der junge König T’Challa (Chadwick Boseman), der nach dem Tod seines Vaters in der Wiener UNO-City in „The First Avenger: Civil War“ an die Macht kommt. Zunächst aber bekommt er es mit dem Schmuggler Ulysses Klaue (Andy Serkis) zu tun, der Wakanda Teile seiner Vibranium-Vorräte gestohlen und dabei Dutzende Bewohner umgebracht hat. Neben Klaue wartet aber noch ein ganz anderer, ungleich gefährlicherer Gegner: Erik „Killmonger“ Stevens (Michael B. Jordan), ein ehemaliger US-Elitesoldat, wortgewandt und skrupellos.

Die Kraft der Comicvorlage

Die geistigen Väter von Black Panther sind die Marvel-Legenden Stan Lee und Jack Kirby. Der schwarze Superheld tauchte im Jahr 1966 erstmals in einem „Fantastic Four“-Comic auf. 1992 unternahm Wesley Snipes, der später als Vampirjäger Blade zum ersten schwarzen Actionhelden des Blockbuster-Kinos werden sollte, einen Versuch, Black Panther auf die Leinwand zu bringen. Das Projekt scheiterte am fehlenden Mut in Hollywood in einem Jahr, in dem Rassenunruhen die USA erschütterten. 2014 schließlich kündigten die Marvel Studios einen „Black Panther“-Film an.

Szene aus dem Film "Black Panther"

Marvel Studios 2018

Die Höhle des Panthers in Wakanda: Der blaue Schimmer stammt vom Vibranium, jenem Rohstoff, der die Machtbasis des vermeintlichen „Dritte-Welt-Staats“ bildet

Coogler, der erste afroamerikanische Regisseur in Marvels „Cinematic Universe“, hat es geschafft, die Kraft der Comicvorlage einzufangen. Dabei greift er, wie schon Kirby und Lee, auf Elemente des Afrofuturismus zurück, einer in den 1960er Jahren entstandenen Strömung, die afrikanische Mythologie, Hochtechnologie und Science-Fiction zusammenführte.

Diese Mischung prägt auch Cooglers Vision von Wakanda. Die traditionellen Gewänder der Bewohnerinnen und Bewohner bestehen aus Hightech-Materialien. Dem archaisch anmutenden Stammessystem steht ein hochentwickeltes Bildungssystem gegenüber. Und die auf den ersten Blick primitiven Waffen der Armee können ohne Probleme Panzer aufhalten.

Raum zur Entfaltung

Trotz seiner politische Schlagseite ist „Black Panther“ ein durchaus unterhaltender Film geworden. Die Action- und Kampfsequenzen - allen voran die gepanzerten Nashörner von T’Challas Vertrautem W’Kabi (Daniel Kaluuya, bekannt aus „Get Out“) - können überzeugen, auch wenn andere Marvel-Produktionen diesbezüglich mehr zu bieten haben. Nicht zu kurz kommt auch der Humor: der Schlagabtausch zwischen T’Challa und seiner jüngeren Schwester, der genialen Ingenieurin Shuri (Letitia Wright), erinnert an Screwball-Comedys.

Szene aus dem Film "Black Panther"

Marvel Studios 2018

Eine Entdeckung: Letitia Wright als Prinzessin Shuri

Ein Jahr nach der Debatte über die zu „weißen“ Oscars zeigt ein überwiegend schwarzer Cast den Studiobossen Hollywoods, dass Diversität im Blockbuster-Kino ebenso funktioniert wie im Independent-Segment. Coogler, der gemeinsam mit Joe Robert Cole auch das Drehbuch zum Film schrieb, gab seinen Figuren Raum zur Entfaltung. Das Ensemble dankte es ihm mit einer bemerkenswerten schauspielerischen Leistung, allen voran Michael B. Jordan, der sich als brutaler Söldner und Freiheitskämpfer endgültig in die Oberliga Hollywoods spielen könnte.

Szene aus dem Film "Black Panther"

Marvel Studios 2018

Generalin Okoye (Danai Gurira, l.), die Führerin der Streitkräfte von Wakanda

Und noch etwas ist an „Black Panther“ bemerkenswert: Selten waren in einem Actionfilm so viele interessante Frauenfiguren zu sehen, die in Sachen Kampfkraft ihren männlichen Widerparts um nichts nachstehen. Lupita Nyong’o brilliert als aufmüpfige Nakia, Danai Gurira als Anführerin der Streitkräfte Wakandas. Prinzessin Shuri ist für T’Challa das, was Q für James Bond ist - mit dem Unterschied, dass sie auch kämpfen kann.

Auf in die Materialschlacht

Ende April steht im Kinouniverum von Marvel eine Entscheidungsschlacht an. In „Avengers: Infinity War“ bekommen es die Superhelden mit dem Titanen Thanos zu tun. Die ersten Trailer zum Film deuten darauf hin, dass Wakanda eine nicht unwesentliche Rolle im Film spielen wird.

Die entscheidende Zeit für die Marvel-Studios steht nach Worten von Direktor Kevin Feige dann 2019 an. Nach dem vierten Teil der „Avengers“-Reihe laufen laut einem Bericht des US-Magazins „Vanity Fair“ die Verträge einiger Stars des Kinoimperiums aus, darunter jene von Robert Downey jr. (Iron Man), Chris Evans (Captain America) und Chris Hemsworth (Thor). Und so könnte „Black Panther“ zur Blaupause werden für den Superheldenfilm der Zukunft: weg von der Materialschlacht, hin zum Actionfilm mit interessanten Charakteren und mutigen Plots.

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