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Spaß sticht Sozialkritik

Die Super Bowl gilt nicht nur wegen des Sports als Großevent, auch die Halftime-Show und der Rummel um die besten Werbungen sind Jahr für Jahr ein Spektakel. Immer wieder werden Letztere auch zur Spielwiese für mehr oder weniger subtilen Protest. Gerade der Football zeigte sich in den vergangenen Monaten mit Protesten gegen Polizeigewalt höchst politisiert. Doch davon war bei der Super Bowl nichts zu merken - sie blieb vor allem im Vergleich zum vergangenen Jahr zahm.

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Damals hatte die Super Bowl rund zwei Wochen nach der Angelobung von US-Präsident Donald Trump stattgefunden. Dementsprechend stark waren die Halftime-Show von Lady Gaga und die Werbespots mit subtilen politischen Botschaften gespickt. Heuer regierte rund um das Spiel im US Bank Stadium von Minneapolis hingegen ein wenig der neue alte Biedermeier - und eine Rückkehr zu harmlosem Entertainment, Nostalgie, einem hohen Promifaktor und freilich dem Sport. Der Triumph der Philadelphia Eagles über die New England Patriots dürfte Fans noch lange in Erinnerung bleiben.

Martin Luther King wirbt für Trucks

Für Aufruhr sorgte lediglich ein Werbespot des Fahrzeugherstellers Ram von Fiat Chrysler, der mit einer Rede des schwarzen US-Bürgerrechtlers Martin Luther King unterlegt war. „Jetzt, wo Martin Luther King aus dem Grab heraus einen Truck bewirbt, können wir uns darauf einigen, dass Rassismus tot ist“, kommentierte ein Twitter-Nutzer sarkastisch. Für Verwunderung sorgte, dass die Martin-Luther-King-Gesellschaft - gerade im 50. Jahr nach Kings Ermordung - offenbar grünes Licht für den Spot gab.

Doch die Werbung blieb die größte Empörung. Der Rest der Spots, aber auch die präsentierten Filmtrailer, setzten wahlweise auf den Druck auf die Tränendrüse, Schmäh oder die derzeit grassierende 80er-Jahre-Nostalgie. Heraus stach dabei unter anderem Amazons Werbespot für die Sprachassistentin Alexa. Diese verliert die Stimme, die Vertretung übernehmen Prominente wie Cardi B und Anthony Hopkins - mit durchaus launigen Resultaten.

„Game of Thrones“-Fans wurden unterdessen mit einem rappenden Peter Dinklage aka Tyrion Lannister bedient. Dieser liefert sich einen Rap-Battle mit Morgan Freeman, beworben werden dabei zum Feuerspucken scharfe Doritos und ebenso kühlendes Mountain Dew. Als Überraschungshit erwies sich ein Spot des Waschmittelproduzenten Tide, der den Hype um die Super-Bowl-Werbungen aufs Korn nahm. Dieser erreichte erneut beachtliche Ausmaße, 30 Spotsekunden kosteten rund fünf Millionen Dollar (mehr als vier Mio. Euro).

Elch-Hemd statt „Nipplegate“

Auch in der Riege der Stars wartete die Super Bowl mit Altbekanntem und -bewährtem auf. Die Halftime-Show lieferte bereits zum dritten Mal Justin Timberlake, freilich auch 14 Jahre später unter dem Eindruck von „Nipplegate“. 2004 hatte er bei seinem zweiten Auftritt (der erste fand 2001 mit seiner Boyband NSYNC statt) seiner Gesangspartnerin Janet Jackson das Bustier vom Leib gerissen, ihre Brust entblößt und damit eine Schockwelle über Amerika geschickt.

Heuer kam sein Auftritt ganz ohne Skandal und Jackson aus, dafür wollte Timberlake mit einem Hit-Medley zwischen seinem neuen Song „Filthy“ und Hits wie „Rock Your Body“ oder „Cry me a River“ samt ausgiebiger Tanzeinlagen zum Schunkeln einladen. US-Kritiker blieben weitgehend unbeeindruckt und schwankten zwischen „Pflichterfüllung“ und „einer sicheren Nummer“. Timberlake sei das neue Gesicht des „Dad-Pop“, schreibt etwa die „HuffPost“. Dazu passt auch Timberlakes Flanellhemd mit einem Elch-Motiv, das online für Rätselraten sorgte.

Riesiges Bild von Prince während während der Halftime Show von Justin Timberlake bei der Super Bowl LII

APA/AFP/Timothy A. Clary

„Das ist für Euch, Minneapolis“, rief Timberlake bei seinem „Duett“ mit Prince

Für einen Sturm im Wasserglas sorgte lediglich ein Prince-Tribut von Timberlake. Der im April 2016 verstorbene Sänger tauchte auf einer riesigen Leinwand in lila Licht getaucht auf, Timberlake lieferte sich mit der Ikone ein virtuelles Duett und sang dessen Hit „I Would Die 4 U“. Prince-Fans aus aller Welt zeigten sich nicht amüsiert. Bereits im Vorfeld hatte sich Prince’ Familie dagegen gestemmt, dass die Popikone als Hologramm auf der Super-Bowl-Tribüne performt. Prince selbst hatte das als „dämonisch“ bezeichnet.

Spieler blieben stehen

Ebenfalls unpolitisch ging die Darbietung der Nationalhymne von Pop-Routinierin Pink über die Bühne. Während bei NFL-Saisonspielen immer wieder Spieler während der Nationalhymne knien, um gegen Polizeigewalt und soziale Ungleichheit zu protestieren, blieben die Teams der New England Patriots und der Philadelphia Eagles regelkonform stehen. Unmittelbar vor dem Spiel hatte Trump in einer Grußbotschaft indirekt angemahnt, während der Nationalhymne zu stehen.

Pink singt die US-amerikanische Hymne vor der Super Bowl LII

Reuters/Kevin Lamarque

Pink gab eine solide Performance ohne große Höhen oder Tiefen

Pink selbst trat trotz einer Verkühlung mit solider Gesangsleistung, aber betont zurückhaltend auf. Ihr Outfit orientierte sich mit sanftem Rosa an ihrem Namen und blieb schlicht - kein Vergleich zu Lady Gaga, die 2015 im roten Glitzerhosenanzug und mit blauen Fingernägeln die personifizierte US-Flagge gab. Auch der während Lady Gagas Auftritt bejubelte Einspieler mit US-Truppen in Afghanistan blieb heuer aus.

„#SelfieKid“ als magere Meme-Ausbeute

In Zeiten des Netzes gilt freilich auch: Kein Großevent ohne Meme. Doch auch in dieser Hinsicht blieb die Ausbeute heuer ausgesprochen gering. Wirklich durchsetzen konnte sich nur „#SelfieKid“ - ein 13-Jähriger, der während Timberlakes Sprung ins Publikum ein Selfie von sich selbst und dem 37-jährigen Sänger machte. Das Netz reagierte amüsiert - und feixte unter anderem, ob der Bursch Timberlake überhaupt kenne.

In US-Medien fallen die Bilanzen zum Entertainment-Aspekt der heurigen Super Bowl jedenfalls gemischt aus. Dieses Jahr sei „wirklich lahm“ gewesen, sagt etwa die Chefin der Werbeagentur GSD&M, Marianne Malina, zur „New York Times“. Die politisch zahnlosen Werbungen würden zeigen, „wie viel Risiko den Menschen heute angenehm ist“. US-Werbeforscher Kelly O’Keefe verweist ebenfalls auf die politische Polarisierung. Angesichts dieser würden die Menschen glauben wollen, „dass es noch Gutes in der Welt gibt“.

Dass die Super Bowl heuer politisch zahmer als im vergangenen Jahr war, dürfte vor allem einen freuen: Trump selbst. Er hatte die Tradition gebrochen, am Spieltag ein Interview zu geben, wünschte aber schriftlich einen unterhaltsamen Abend vor dem Fernseher oder im Stadion. Er selbst ist Anhänger der Patriots - dem unterlegenen Team.

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