Verfahren eingeleitet
Die zuletzt mit einem NS-verherrlichenden Liederbuch in die Schlagzeilen geratene Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt soll aufgelöst werden: Er habe mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vereinbart, dass ein Auflösungsverfahren gegen die Germania eingeleitet werde, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch vor dem Ministerrat vor Journalisten.
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Konkret wird eine mögliche behördliche Auflösung laut Paragraf 29 des Vereinsgesetzes geprüft. Kurz sprach sich nunmehr neben strafrechtlichen auch explizit für politische Konsequenzen aus, war doch der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer Vizevorsitzender der betroffenen Burschenschaft: Die Aussage der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), wonach es keine Zusammenarbeit mit Landbauer in der Landesregierung geben werde, teile er „zu hundert Prozent“, sagte Kurz.

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Kurz sieht auch die FPÖ Niederösterreich am Zug
Die Entscheidung, ob Landbauer aus der Partei ausgeschlossen werden bzw. sich überhaupt aus der Politik zurückziehen soll, ist für Kurz eine Sache der niederösterreichischen FPÖ, wie er auf Nachfrage sagte. „Sie können sich vorstellen, dass ich für mich in der ÖVP weiß, wie ich die Entscheidung treffen würde.“
Strache will Landbauer nicht aus FPÖ ausschließen
Vizekanzler FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht derzeit keinen Grund, Landbauer aus der Partei auszuschließen. Dieser habe klar dargelegt, dass er die NS-Liedtexte nicht gekannt und sich nichts zuschulden kommen lassen habe, sagte Strache vor dem Ministerrat. Er bekräftigte, dass er bereits festgehalten habe, dass Antisemitismus und „Rassenwahn“ in der Gesellschaft sowie in der FPÖ und dem „Dritten Lager“ nichts verloren hätten. Er erwarte sich volle Aufklärung und strafrechtliche Konsequenzen. All jenen, die sich etwas zuschulden kommen ließen, drohten strafrechtliche und moralische Konsequenzen.

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Strache sieht derzeit keinen Grund, Landbauer aus der FPÖ auszuschließen
Selbstverständlich werde er nun auch umsetzen, was er bereits angekündigt habe, und eine Historikerkommission für die Aufarbeitung in der FPÖ einsetzen. Danach gefragt, ob nun auch für Landbauer Konsequenzen gezogen werden, meinte Strache, dass er zurzeit nur sagen könne, dass der Niederösterreicher ihm glaubhaft versichert habe, dass er mit den Liedtexten nichts zu tun habe. Es werde gegen vier andere Personen, darunter ein ehemaliges SPÖ-Mitglied, ermittelt. Die Entscheidung, ob Landbauer Landesrat werde, treffe die niederösterreichische FPÖ in den nächsten Tagen oder Wochen, sagte Strache.
Der Parteichef sagte weiters, dass er in der FPÖ immer durchgegriffen habe, wenn „rote Linien“ überschritten wurden, das sei hier nicht der Fall. Die Frage, ob Landbauer aus seiner Sicht reingewaschen sei, verneinte er, seien doch noch Ermittlungen im Gange. Über die Aussagen des oberösterreichischen FPÖ-Landesparteichefs Manfred Haimbuchner, der ebenfalls eine starke Abgrenzung gefordert hatte, zeigte sich Strache erfreut, seien das doch auch seine Worte - mehr dazu in ooe.ORF.at.
Verband schloss Germania zu Wiener Neustadt aus
Bereits am Dienstag wurde bekannt, dass die Germania zu Wiener Neustadt vom Österreichischen Pennäler Ring (ÖPR) ausgeschlossen wird. Er erweiterte außerdem die Satzung um ein Bekenntnis zur demokratischen Republik Österreich und der Bundesverfassung, wie zuvor am Dienstag die „Kronen Zeitung“ berichtet hatte. In der Präambel heißt es nun: „Der Verband und seine Korporationen bekennen sich zur demokratischen Republik Österreich und achten die Bundesverfassung als ihr höchstes Gut. Der Österreichische Pennäler Ring und seine Mitglieder lehnen jede Form eines totalitären Systems entschieden ab.“

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Das Verbindungshaus der Germania zu Wiener Neustadt befindet sich in einem Wehrturm aus dem 13. Jahrhundert
Als Verband stelle „sich der ÖPR gegen jede Form des Antisemitismus und Rassismus. Die Verbrechen, die an den Juden in der Zeit des Nationalsozialismus begangen wurden, verpflichten uns, mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Totalitarismus und antisemitischen Tendenzen immer energisch entgegenzutreten. Die Wahrung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten ist höchstes Streben und Verpflichtung für jedes Mitglied im Österreichischen Pennäler Ring.“
Parteiausschluss in SPÖ
Außerdem gab es am Dienstag einen überraschenden Parteiausschluss bei der SPÖ: Der Grund ist eine mutmaßliche Verstrickung in die Causa Nazi-Lieder bei der Germania zu Wiener Neustadt. Bei dem Betroffenen handle es sich um den Illustrator des Liederbuchs.
Von der SPÖ Niederösterreich hieß es Dienstagabend: „Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ein SPÖ-Mitglied aus Wiener Neustadt, das in den 90er Jahren die Illustration des Liederbuches der Burschenschaft Germania übernommen haben soll. Um zu verhindern, dass die niederösterreichische Sozialdemokratie Schaden nimmt, wurde die Person soeben vom Landesparteivorstand aus der SPÖ ausgeschlossen. Derartiges Gedankengut ist mit der SPÖ in keinster Weise vereinbar, deswegen haben wir sofort die Konsequenzen gezogen“, so Landesgeschäftsführer Reinhard Hundsmüller in einer Aussendung - mehr dazu in noe.ORF.at.
Waldhäusl in den Startlöchern
Die FPÖ will in den nächsten Tagen entscheiden, wer den ihr zustehenden Sitz in der Landesregierung übernimmt. Landbauer dürfte aus dem Rennen sein. Gottfried Waldhäusl, FPÖ-Klubobmann im Landtag in St. Pölten, stehe nun doch als Landesrat zur Verfügung. „Wenn es im Sinne Niederösterreichs und der Partei ist, werde ich mich nicht dagegenstellen“, sagte er am Dienstag - mehr dazu in noe.ORF.at.
SPÖ nach Sicherheitsrat unzufrieden mit Ergebnis
Nach der Zusammenkunft des nationalen Sicherheitsrats auf ihren Antrag am Dienstagabend zeigte sich die SPÖ nicht zufrieden mit dessen Ergebnissen. Ex-Minister Thomas Drozda beklagte gegenüber der APA unzureichende Antworten der Regierung sowohl in der Causa Germania als auch zu den entdeckten Abhöranlagen in seinem ehemaligen Büro, das nun von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) benutzt wird. Ein Antrag auf die Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichts sei abgelehnt worden.
Rede und Antwort standen Dienstagabend neben Kurz und Strache auch Vertreter von Innen- und Verteidigungsministerium. Die vertrauliche Unterredung dauerte etwa eineinhalb Stunden. „Es ist vieles ungeklärt geblieben wie auch schon in den letzten Tagen“, sagte Drozda.
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