Pröll sieht Regierung in der Pflicht
Während die FPÖ dem Spitzenkandidaten bei der geschlagenen niederösterreichischen Landtagswahl, Udo Landbauer, in der NS-Liederbuch-Affäre offiziell weiter die Mauer macht, mehren sich die Rufe nach Konsequenzen. Der Druck innerhalb der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ nimmt zu. Die SPÖ Niederösterreich gab einen Parteiausschluss wegen der Causa bekannt.
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Niederösterreichs früherer ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll sah erst die Regierung in der Pflicht. Es sei „eine gemeinsame Aufgabe in der Bundesregierung“, sich von Schatten der Vergangenheit zu befreien, sagte Pröll im Interview mit SchauTV („Kurier“). „Da kann sich der Bundeskanzler genauso wenig wie der Vizekanzler aus der Verantwortung stehlen“, so Pröll.
„Schatten der Vergangenheit abwerfen“
Er sieht in der jetzigen Phase ein „Mondfenster, wo es gelingen kann, die Schatten der Vergangenheit abzuwerfen und ohne Ballast in die Zukunft zu gehen - wenn hier klare Schritte gesetzt werden“. Das hänge unmittelbar mit der Personalentscheidung in Niederösterreich zusammen.

APA/Helmut Fohringer
Niederösterreichs Ex-Landeshauptmann Pröll am Sonntag mit seiner erfolgreichen Nachfolgerin Mikl-Leitner
Die Aussage von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), mit Landbauer, der seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft Germania laut eigenen Aussagen inzwischen zurückgelegt hat, in einer Landesregierung nicht zusammenzuarbeiten, begrüßte ihr Vorgänger. Mikl-Leitners Haltung wurde zuletzt auch von EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) unterstützt. Das sei „eine eindeutige Stellungnahme, hinter der auch die Bundespartei steht“, so Blümel am Montag in Brüssel. Dass er selbst und die Partei hinter der Haltung von Mikl-Leitner stehe, habe Kanzler Sebastian Kurz schon am Wochenende in Niederösterreich versichert, heißt es aus der ÖVP.
ÖVP-Bildungs- und -Wissenschaftsminister Heinz Faßmann sieht in Mikl-Leitners Kurs auch eine „öffentliche Antwort“ auf die Forderung von 200 Universitätsrektoren und -professoren, die die Regierung letzte Woche in einem offenen Brief dazu aufgefordert hatten, die Zusammenarbeit mit Mitgliedern rechtsextremer Burschenschaften in den Ministerbüros zu beenden. Er unterstütze Mikl-Leitners Standpunkt. Für die Regierung sieht er allerdings „keinen unmittelbaren Handlungsbedarf“, wie er am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal sagte.
Parteiausschluss bei der SPÖ
Dienstagabend gab die SPÖ Niederösterreich überraschend einen Parteiausschluss bekannt. Zuvor hatte der „Kurier“ berichtet, bei einem der vier Personen, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt, handle es sich um ein SPÖ-Mitglied. Er solle das Liederbuch, um das sich die ganze Causa dreht, illustriert haben.
Am Abend hieß es dann in einer Presseaussendung: „Jenes SPÖ-Mitglied, das als Illustrator des Liederbuches der Burschenschaft Germania mitgearbeitet hat, wurde vor wenigen Minuten mit einem Beschluss des SPÖ NÖ Landesparteivorstandes ausgeschlossen.“ Man wolle vermeiden, dass die Sozialdemokratie Schaden nehme. „Derartiges Gedankengut ist mit der SPÖ in keinster Weise vereinbar, deswegen haben wir sofort die Konsequenzen gezogen“, erklärte SPÖ-Landesgeschäftsführer Reinhard Hundsmüller.
Waldhäusl in den Startlöchern
Die FPÖ will in den nächsten Tagen entscheiden, wer den ihr zustehenden Sitz in der Landesregierung übernimmt. Landbauer dürfte endgültig aus dem Rennen sein. Gottfried Waldhäusl, FPÖ-Klubobmann im Landtag in St. Pölten, stehe nun doch als Landesrat zur Verfügung. „Wenn es im Sinne Niederösterreichs und der Partei ist, werde ich mich nicht dagegenstellen“, sagte er am Dienstag. „Ich werde es nicht sein“, hatte der 52-Jährige noch am Sonntagabend gesagt. Die FPÖ-Personalentscheidung hinsichtlich des Regierungsmitglieds werde Waldhäusl zufolge „in den kommenden Tagen“ fallen. Es werde auch ein Gespräch mit Mikl-Leitner geben - mehr dazu in noe.ORF.at.
Haimbuchner fordert „Psychohygiene“ in FPÖ
Der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner forderte unterdessen eine intensive Aufarbeitung der Affäre in der FPÖ und den Burschenschaften. „Ich glaube, dass bei manchen in diesem Lager eine Psychohygiene notwendig wäre“, sagte er in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ (Dienstag-Ausgabe): „Wer heute noch in diesen Kategorien denkt und das auch noch zu Papier bringt, der ist nicht ganz dicht.“

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FPÖ-Oberösterreich-Chef Haimbuchner hält einige in den eigenen Reihen offenbar für „nicht ganz dicht“
„Auch wenn diese Verbindung nicht Teil der FPÖ ist, gibt es enge Verknüpfungen zum Korporationslager - und dem muss man sich stellen“, so Haimbuchner, selbst Burschenschafter, zum antisemitischen und rassistischen Liederbuch der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt. Sicher „kein idealer Spruch“ und wohl der Hektik im Wahlkampf geschuldet war für Haimbuchner das „Jetzt erst recht“-Motto, das Landbauer und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache angesichts der Vorwürfe gegen Landbauer im Wahlkampffinish letzte Woche gepostet hatten - mehr dazu in ooe.ORF.at.
Mölzer: „Proaktiv für Hygiene“ sorgen
Er erwarte sich, „dass man selbst proaktiv für Hygiene im eigenen Haus sorgt“, sagte der Publizist und frühere FPÖ-Abgeordnete Andreas Mölzer im Interview mit der ZIB2 Montagabend.
Van der Bellen bekräftigte seine Position
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen bezog - ohne Namen zu nennen - am Dienstag erneut Stellung in der Causa Landbauer. Trotz großer Fortschritte in der jüngeren Geschichte Österreichs sei „der Prozess der Aufarbeitung“ des Holocaust „noch immer nicht abgeschlossen“. Das habe man „in den letzten Tagen mit, ich würde sagen, Ingrimm erfahren müssen“, so der Bundespräsident anlässlich der Verleihung der „Statue der Erinnerung“ im Beisein von Holocaust-Überlebenden durch das Internationale Auschwitz Komitee an Van der Bellen.
Die Auszeichnung wurde dem Bundespräsidenten für sein Engagement für Demokratie und Menschenrechte verliehen. Eine von der SPÖ verlangte Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates zur Causa Landbauer findet unterdessen Dienstagabend statt.
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