Van der Bellen: Rote Linie vor Strafrecht
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Samstag im Gespräch mit dem Ö1-Mittagsjournal den Rücktritt des niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauers gefordert. Hintergrund ist die Causa der Nazi-Lieder in Landbauers Burschenschaft.
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Er wolle sich zwar „hüten, sich in den niederösterreichischen Landtagswahlkampf einzumischen“. Für ihn beginne die rote Linie in einem solchen Fall allerdings nicht erst beim Strafrecht: „Ein Lächerlichmachen des Massenmords im Zuge des Holocausts, ein Lächerlichmachen der Vergasung von Millionen Juden in Auschwitz, ich meine, wo sind wir denn.“ Sollte Landbauer nicht zurücktreten, dann habe die FPÖ „ein Problem“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Derartiges hinzunehmen „nach dem Motto, die Gerichte werden das entscheiden“, sei nicht seine Position. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sich in dieser Causa für volle und rasche Aufklärung ausgesprochen und gemeint, die Verantwortlichen müssten „die volle Härte des Gesetzes spüren“. ÖVP-Justizminister Josef Moser hatte ein unabhängiges Agieren „zu tausend Prozent“ in dem Fall zugesichert.
Vilimsky kontert Van der Bellen
Kritik an Van der Bellens Forderung kam aus der FPÖ. Generalsekretär Harald Vilimsky sagte am Samstag, der Bundespräsident „sollte nicht durch Vorverurteilungen die Überparteilichkeit seines Amtes ramponieren“. Einen Tag vor der NÖ-Wahl „aus der Hofburg eine Verurteilung vorzunehmen, entspricht nicht dem Stil und der Würde der Funktion des Bundespräsidenten“, so Vilimsky.
Landbauer habe „in einer sehr klaren und glaubwürdigen Form dargelegt, dass er mit jenen Textstellen, die in einem 20 Jahre alten Liederbuch nun ans Licht der Öffentlichkeit gelangt sind, weder etwas zu tun hat noch zu irgendeinem Zeitpunkt davon Kenntnis hatte“. Vor diesem Hintergrund wäre Van der Bellen „gut beraten, keine Vorverurteilung vorzunehmen“.
FPÖ-Linie bekräftigt
Der Bundespräsident „sollte wissen“, dass Landbauer elf Jahr alt war, als das Liederbuch publiziert wurde - und dass sich dieser zeit seines Lebens von Antisemitismus und Totalitarismus distanziert habe. Damit bekräftigte er erneut die FPÖ-Linie der vergangenen Tage. Vilimsky zeigte sich überzeugt, dass die niederösterreichischen Wähler am Sonntag „dieser durchsichtigen Kampagne“ gegen Landbauer „eine klare Absage erteilen“ werden.
Kraker: „Worte werden da nicht reichen“
Auch Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker meldete sich am Samstag zu Wort. Sie hält Konsequenzen - auch personelle - in der Causa Landbauer offenbar für geboten. „Worte werden da nicht reichen“, sagt sie im „Standard“ (Wochenend-Ausgabe). „So ein längst überwunden geglaubtes Gedankengut erschüttert mich und schadet Österreich“, betont Kraker. „Volle Aufklärung“ sei geboten, Österreich habe „hier eine besondere Verantwortung“.
Auch VfGH-Besetzung Thema
In dem Interview am Samstag äußerte sich Van der Bellen auch zu einer möglichen Besetzung von Richterposten mit Burschenschaftern im Verfassungsgerichtshof (VfGH). Eine solche wollte Van der Bellen nicht ausschließen. Am VfGH läuft gerade die Nachbesetzung des pensionierten Präsidenten Gerhart Holzinger und zweier Verfassungsrichter - und die FPÖ wird zumindest einen davon nominieren.
Der Bundespräsident erinnerte an den bisher einzigen von der FPÖ vorgeschlagenen Verfassungsrichter, Herbert Haller: Dieser sei ein „guter Jurist und angenehmer Mensch“ gewesen. Die jetzige Besetzungsvorschläge werde er sich „mit Sicherheit genau anschauen“.
Ermittlungen gegen vier Personen
Die Germania Wiener Neustadt war in den vergangenen Tagen in Verruf gekommen, nachdem ein das Nazi-Regime verherrlichendes Liederbuch der Burschenschaft durch einen Bericht des „Falter“ an die Öffentlichkeit geraten war. Vizevorsitzender der Burschenschaft war Landbauer. Landbauer betonte, den Text nicht gekannt zu haben.
Wie am Freitag bekanntwurde, leitete die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt in der Causa gegen vier Personen Ermittlungen ein. Das geht aus einem Zwischenbericht des Landesamtes Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Niederösterreich hervor. Ermittelt wird wegen des Verdachts auf NS-Wiederbetätigung nach Paragraf 3g Verbotsgesetz.

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Mehrere Liederbücher wurden von den Ermittlern bei der Germania sichergestellt
Bereits am Freitag sollte es die ersten Einvernahmen geben, hieß es am Freitagabend. Die vier im Visier der Ermittler stehenden Personen seien bisherigen Angaben zufolge für die Zusammenstellung und Illustration der sichergestellten Liederbücher der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt verantwortlich. Es gebe keine Ermittlungen gegen Landbauer, sagte dessen Sprecher.
Eine erste Sichtung der sichergestellten Bücher zeige nach Angaben der Staatsanwaltschaft, dass Passagen der Liedtexte teilweise geschwärzt worden waren. Die näheren Umstände der Schwärzung der Textzeilen seien Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Zudem müsse der Inhalt des im Zuge einer Hausdurchsuchung bei der Germania gewonnenen Beweismaterials noch im Detail ausgewertet werden.
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