Bundespräsident fassungslos
Seit zwei Tagen steht Udo Landbauer wegen Nazi-Liedern in seiner Burschenschaft in der Kritik. Zuletzt fand auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen scharfe Worte. Die FPÖ hält dem Spitzenkandidaten für die niederösterreichische Landtagswahl aber weiterhin die Treue. Am Donnerstag äußerte sich auch Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zu dem Fall - und nahm Landbauer in Schutz.
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Er halte „es ehrlich gesagt für ziemlich ausgeschlossen“, dass es Ermittlungen gegen Landbauer gebe, sagte Kickl am Donnerstag vor einem EU-Innenministerrat in Sofia. „Er hat seine Position klargelegt“, so der Innenminister. Er wiederholte jene Argumente, die zuletzt auch Landbauer und die FPÖ mehrfach ins Feld geführt hatten. „Er war zu diesem Zeitpunkt, als dieses Buch in Umlauf gebracht wurde, glaube ich, elf Jahre alt. Er ist viel später in diese Verbindung eingetreten und hat sich auch ab dem Moment, wo er von diesen Dingen Kenntnis erhalten hat, unmissverständlich und klar distanziert“, so der Innenminister.
„Da hat er ja nichts an Klarheit vermissen lassen“, sagte Kickl. Landbauer habe auch die entsprechenden Konsequenzen gezogen, sagte Kickl. Er habe selbst gesagt, dass er größtes Interesse an einer Aufklärung dieser Vorwürfe habe, die allesamt aus einer Zeit kämen, wo er selbst noch nicht aktiv gewesen sei. Landbauer sei durchaus bereit, hier auch seinen Beitrag zu leisten. „Das ist das, was man von ihm verlangen kann. Die Ermittlungen richten sich ja nicht gegen ihn, sondern gegen unbekannt.“
Scharfe Kritik der Opposition
Aufseiten der Opposition zogen Kickls Aussagen schnell Kritik nach sich. „Es ist unfassbar, dass Herbert Kickl offenbar meint, für seinen Gesinnungsgenossen Udo Landbauer Partei ergreifen zu müssen", schrieb SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher am Donnerstag in einer Aussendung. „Es ist erschütternd, dass man Kickl offenbar das Prinzip der Gewaltentrennung erklären muss. Aber in Demokratien führt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen und nicht der Innenminister“, sagte Lercher.
Unverständnis herrschte auch bei NEOS. „Ganz abgesehen davon, dass die Justiz nicht in seinen Wirkungsbereich fällt“, habe Kickl „keine Beurteilung über laufende Ermittlungen abzugeben“, so NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak in einer Aussendung. Da es sich bei Landbauer um einen FPÖ-Parteikollegen handle, würden solche Aussagen die Optik einer Einmischung in die Justiz erzeugen. „Ob gegen Landbauer ermittelt wird, hat immer noch die Staatsanwaltschaft zu entscheiden und nicht der Innenminister,“ so Scherak.
Für die sicherheitspolitische Sprecherin der Liste Pilz (LP), Alma Zadic, ist es „inakzeptabel, dass sich der FPÖ-Innenminister in laufende Verfahren einmischt und den Ermittlungsergebnissen von Staatsanwaltschaft und Polizei vorgreift“. Sie sah in einer Aussendung ein „aus rechtsstaatlicher Sicht fatales Signal“ und kritisierte ein „problematisches Amtsverständnis“.
Kickl fühlt sich missverstanden
Kickl beklagte daraufhin in einer Aussendung seinerseits die „mediale Missinterpretation“ seiner Aussagen. Er habe nur darauf hingewiesen, dass „derzeit“ nicht gegen Landbauer ermittelt werde. „Die Aussagen bezogen sich darauf, dass nach meinem Wissensstand aktuell gegen unbekannte Täter ermittelt wird und nicht gegen Landbauer“, so Kickl. „Auf Basis dieser Faktenlage habe ich gesagt, dass ich es für ziemlich ausgeschlossen halte, dass es derzeit Ermittlungen gegen Udo Landbauer gibt“, so der Innenminister.
Am Nachmittag sagte Kickl nach den Beratungen der EU-Innenminister in Sofia, Ermittlungen aufzunehmen sei Sache der unabhängigen Justiz, die ihre Arbeit leisten werde. Derzeit gebe es nach seinem Wissen keine Ermittlungen gegen Landbauer. „Ob das in einer Woche, in einem Monat oder in einem halben Jahr anders sein wird, kann ich nicht sagen“, so der Innenminister.
Rücktritt für Kickl „etwas vorschnell“
Die „Aufnahme von Ermittlungen als einen Rücktrittsgrund anzusehen, das wäre wahrscheinlich etwas vorschnell“. Sollte sich herausstellen, dass Landbauer NS-Lieder gesungen habe, „dann gehe ich davon aus, dass es eine entsprechende Anklage gegen ihn geben wird, beziehungsweise dass die Staatsanwaltschaft alle Schritte einleiten wird, die notwendig sind“. Zu den Liedern selbst sagte Kickl: „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass solche Texte kursieren, und ich lehne das auch zutiefst ab.“
Im Ö1-Mittagsjournal sagte der Wiener Neustädter Staatsanwalt Erich Habitzl, derzeit gebe es keinen Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung gegen Landbauer. Es gebe keine Verdachtsmomente, „ausschließen“ könne man das im weiteren Verlauf der Ermittlungen aber nicht. Der Chef der Sektion Strafrecht im Justizministerium, Christian Pilnacek, verwies gegenüber Ö1 ebenfalls auf die laufenden Ermittlungen. Deren Ergebnisse müsse man abwarten, so der Sektionschef.
SPÖ beruft Nationalen Sicherheitsrat ein
Die SPÖ berief unterdessen den Nationalen Sicherheitsrat ein, der laut Klubobamnn Andreas Schieder binnen zwei Wochen stattfinden muss. „Wir haben ganz stark den Eindruck, dass in dieser Bundesregierung aufgrund ihrer personellen Zusammensetzung diese Dinge nicht mit aller Härte verfolgt werden“, sagt Schieder und verwies auf die Mitgliedschaft führender FPÖ-Politiker in Burschenschaften. „Wir wollen sicherstellen, dass aufgrund der personellen Verstrickungen vieler Regierungsmitglieder in anderen Burschenschaften nichts unter den Teppich gekehrt wird.“
Der Sicherheitsrat im Kanzleramt ist ein vertrauliches Beratungsgremium der Regierung in Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Vertreten sind neben den zuständigen Regierungsmitgliedern auch Vertreter aller im Hauptausschuss des Nationalrats vertretenen Parteien - also auch von SPÖ, NEOS und Liste Pilz. Das Gremium befasst sich laut Gesetz mit „grundsätzlichen Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik“. Darunter falle aus Schieders Sicht auch die Causa Landbauer, denn: „Rechtsradikale Umtriebe sind in höchstem Ausmaß sicherheitsrelevant.“
Burschenschaft präsentiert Schuldigen
Am Mittwoch hatte die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt Ermittlungen wegen Wiederbetätigung aufgenommen. Tags darauf präsentierte Landbauers Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt einen Schuldigen. Der für die Erstellung des Buches Verantwortliche sei bei einer Versammlung Mittwochabend identifiziert worden, hieß es Donnerstagfrüh. Der Mann werde sich den Behörden stellen. Ob ihm juridische Konsequenzen drohen, ist eine andere Frage.
Das Liederbuch, von dem der „Falter“ erstmals am Dienstag berichtete, wurde das letzte Mal 1997 aufgelegt. Das Strafdelikt der Wiederbetätigung verjährt allerdings nach zehn Jahren. Obwohl sich in dem Liederbuch Texte finden, die sowohl den Judenmord als auch das Nazi-Regime verherrlichen, könnten die dafür Verantwortlichen allein dafür nicht mehr belangt werden. Die Polizei führte bereits eine Hausdurchsuchung bei der Burschenschaft durch und stellte 19 Liederbücher sicher.
Die Germania bezeichnete die Liedtexte am Donnerstag als „widerlich, abartig und jenseitig“. Man lehne „jegliche Verherrlichung und Verharmlosung von Verbrechen der NS-Diktatur ab. Die Verbindung unterstützt jede Maßnahme der Behörden, die zur Aufklärung beitragen“, so der stellvertretende Obmann Philip Wenninger - mehr dazu in noe.ORF.at.
Van der Bellen: Müssen alle gewusst haben
Dass Landbauer und auch sonst niemand in der Burschenschaft von den Liedtexten wusste, hatte in den vergangenen Tagen immer wieder für Unglauben gesorgt - auch bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen. „Das müssen ja alle Mitglieder dieser Burschenschaft gewusst haben, was in diesem Liederbuch gestanden ist, auch der Vizeobmann muss das gewusst haben“, sagte Van der Bellen am Donnerstag gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.

APA/Ronald Zak
Bundespräsident Van der Bellen ist empört
Er habe seinen „Augen nicht getraut“, als er diese Texte gelesen habe und dass es möglich sei, „auf diese Weise in einem Lied den Massenmord zu verhöhnen“, sagte Van der Bellen am Rande eines Besuchs im Europarat in Straßburg. In den niederösterreichischen Landtagswahlkampf wolle er sich nicht einmischen, sagte der Bundespräsident. Die Frage nach einem Rücktritt Landbauers bezeichnete er dennoch als „eine wichtige Frage“.
Genauso wichtig seien aber die Fragen: „Was ist das überhaupt für ein Verein? Wie viel Wiederbetätigung liegt hier vor?“, so das Staatsoberhaupt. „Mir geht es um übergeordnete Fragen: Wie ist es möglich, dass heute in einem regulären Verein ein solches Gedankengut offensichtlich vertreten wird?“ - Audio dazu in oe1.ORF.at.
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