Europäische Sammelklage gefordert
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das eine Sammelklage gegen das Soziale Netzwerk Facebook ausschließt, hat der Datenschutzaktivist Maximilian Schrems am Donnerstag auf den Entscheid reagiert. Er zeigte sich zwar erfreut, das eine Klage gegen das Soziale Netzwerk für ihn als Privatperson möglich sei - eine europäische Sammelklage wäre jedoch zielführender, so Schrems.
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Er werde jetzt vor dem Landesgericht Wien klagen, obwohl das der Justiz keine besondere Freude mache, weil die Angelegenheit „zäh“ sei. Generell bleibe jedenfalls das Problem von „Streuschäden“ bestehen, so Schrems. Die Definition des Verbrauchers sei eine „unglaublich einschränkende“. Wenn vom selben Problem auch andere Personen betroffen seien, müssten diese selber klagen. Das bedeute aber hohe Verfahrenskosten.
In einem im Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichten Video zeigt Schrems mögliche Auswirkungen des EuGH-Urteils auf den Verbraucherschutz auf. Es gelte nur der ursprüngliche Vertragspartner eines Unternehmens als Verbraucher. Wer etwa einen Gebrauchtwagen kaufe, habe damit gegenüber einer Firma keine Verbraucherrechte. Er nannte dabei die Abgasaffäre und den Skandal um fehlerhafte Brustimplantate in Frankreich als Beispiel, bei dem in Österreich damit keine Sammelklage eingebracht werden könne.
„Rechtsschutzlücken für Verbraucher“
Auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) reagierte auf das EuGH-Urteil und forderte die Einführung einer Gruppenklage in Österreich. Der VKI sieht durch den Entscheid „Rechtsschutzlücken für Verbraucher offenbart“. Die bisherige Sammelklagskonstruktion „versagt“ nach derzeitigem Recht in grenzüberschreitenden Fällen. Der VKI forderte daher gemeinsam mit der Arbeiterkammer die Einführung eins Gruppenverfahrens.
Facebook zeigte sich unterdessen über die Ablehnung einer Sammelklage erfreut. „Die heutige Entscheidung unterstützt zwei vorangegangene, wonach die Forderung von Maximilian Schrems nach einer Sammelklage in Österreich für andere Konsumenten nicht ausgeführt“ werden könne, sagte eine Sprecherin. Jedenfalls freue sich Facebook auf eine Lösung.
EU-Kommission kündigt Reform an
Nach dem Urteil des EuGH kündigte die EU-Kommission an, die Konsumentenschutzregeln im April reformieren zu wollen. Ein Sprecher sagte, die EU-Regeln zu Konsumentenverträgen müssten geklärt werden. Das Urteil des EuGH werde sorgfältig geprüft, auch im Lichte des künftigen Vorschlags im Konsumentenbereich. Konsumenten müssten besseren Zugang zu ihren Rechten erhalten. Die EU habe strenge Regeln, doch gebe es die Absicht, die Durchsetzung der Rechte zu stärken.
Zahlreiche Reaktionen aus EU- und Innenpolitik
Nach dem Urteil sprach der SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer von einer vergebenen Chance durch den EuGH, um einen besseren Datenschutz zu erhalten. „In der ganzen EU müssen sich Bürger auf ihr Recht auf Datenschutz verlassen können. Gerade im Fall von Sozialen Netzwerken wie Facebook zeigt sich, dass der moderne Datenschutz an seine Grenzen stößt. Das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofes stärkt leider die Position von Facebook und nicht den Schutz der Privatsphäre“, sagte Weidenholzer. „Europaweite Sammelklagen wären ein wichtiges Instrument, um besseren Datenschutz für alle Europäer durchzusetzen.“
Liste-Pilz-Klubobmann Peter Kolba kündigte einen „Initiativantrag zur Schaffung einer österreichischen Verbandsmusterfeststellungsklage nach dem niederländischen Vorbild“ in der nächsten Sitzung des Nationalrates an. Der grüne Europaabgeordnete Michel Reimon gratulierte Schrems. Eine Musterklage im eigenen Mitgliedsland sei eine gute Entscheidung, um die Rechte von Verbrauchern gegen Großkonzerne zu stärken.
Auch nach Ansicht von Nikolaus Scherak, stellvertretender NEOS-Klubobmann und Datenschutzsprecher, könne mit einer Musterklage in Österreich „ein überaus wichtiger Schritt im Kampf für mehr Datenschutz und Rechtssicherheit der Bürgerinnen und Bürger gelingen“. Der Fall zeige überdies, wie wichtig zivilgesellschaftliches Engagement sei, so Scherak in einer Aussendung. Von der europäischen Politik forderte er, sich in Zukunft „mit mehr Mut und Entschlossenheit für die Grund- und Freiheitsrechte“ der Bürger einzusetzen.
Jahrelanger Rechtsstreit
Schrems hatte schon 2011 in Irland Beschwerde gegen Facebook eingelegt, weil er dem Netzwerk Datenschutzverstöße vorwirft. Da die irische Datenschutzbehörde binnen drei Jahren nicht entschied, zog er 2014 in Österreich vor Gericht. Seitdem wird über Zuständigkeiten gestritten.
Schrems blickt im juridischen Tauziehen mit Facebook bereits auf einen Erfolg vor dem EuGH. Die Luxemburger Richter entschieden Anfang Oktober 2015, dass private Daten in den USA nicht ausreichend vor dem Zugriff durch Behörden und Geheimdienste geschützt seien. In direkter Folge wurde die Regelung für den Transfer von Daten europäischer Bürger in die USA, das „Safe Harbor“-Abkommen, für ungültig erklärt.
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