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156 Sportlerinnen angehört

Der ehemalige Sportarzt Larry Nassar ist in den USA wegen massenhaften sexuellen Missbrauchs junger Turnerinnen zu 175 Jahren Haft verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor eine Haftstrafe von 40 bis 125 Jahren gefordert. Bis zum Mittwoch waren bei dem Prozess 156 Mädchen und Frauen angehört worden, darunter auch mehrere Olympiasiegerinnen.

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Teils unter Tränen schilderten die Frauen die Übergriffe des 54-jährigen Mediziners in allen Einzelheiten. Schwere Anschuldigungen machten die Frauen dabei auch an ihre Betreuer und Trainer, die erlaubt hatten, dass Nassar die jungen Frauen unter vier Augen behandeln durfte.

Anhörung im Ingham County Circuit Court

APA/AFP/Jeff Kowalsky

156 junge Frauen wurden öffentlich angehört

Bei der Urteilsverkündung sagte Richterin Rosemarie Aquilina: „Ich würde nicht einmal meine Hunde zu Ihnen schicken“ - und spielte dabei auf die unmenschlichen Übergriffe an, die Nassar den Sportlerinnen angetan hatte. „Sie verdienen es nicht, jemals wieder das Gefängnis zu verlassen. Ich habe gerade Ihr Todesurteil unterschrieben“, so die Richterin weiter.

Das war freilich als Metapher zu verstehen, doch machte sie deutlich, dass ihr das Urteil sehr ernst sei und sie ein Zeichen setzen solle. „Es ist mir eine Ehre und ein Privileg, Sie zu bestrafen“, so die Richterin weiter. Sie warf dem Mediziner vor, er habe noch immer nicht akzeptiert, was ihm vorgeworfen werde.

Bereits 60 Jahre Haft für Kinderpornografie

Zuvor entschuldigte sich Nassar bei seinen Opfern, etwa bei den Olympiasiegerinnen Aly Raisman und Simone Biles. „Was ich fühle, ist nichts im Vergleich zu dem Schmerz, dem Trauma und der emotionalen Zerstörung, die ihr spürt“, so Nassar. „Eure Worte haben mich zutiefst erschüttert“, sagte er in blaue Gefängniskleidung gewandet. „Ich werde diese Worte bis ans Ende meines Lebens in mir tragen.“ Mehrfach drehte sich Nassar zu den Opfern um, wollte sie direkt ansprechen.

„Ihre Taten sind abscheulich. Sie können Ihren Opfern nicht ihre Unschuld zurückgeben“, konterte die Richterin. „Sie haben es nicht verdient, jemals wieder das Gefängnis zu verlassen.“ Im Dezember war er wegen des Besitzes von kinderpornografischem Material bereits zu 60 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Mehrere Jahrzehnte behandelte Nassar unzählige junge Sportlerinnen.

Seine Position als Arzt nutzte er dafür, sich das Vertrauen der teils sehr jungen Mädchen zu erschleichen, so die Richterin. Nassar bekannte sich in zehn Fällen schuldig, doch mehr als 150 Athletinnen beschuldigten ihn, er habe sich an ihnen vergangen. Über dreißig Jahre lang war der Mediziner für den US-Sportverband tätig gewesen, viermal gehörte er zum Olympiateam der USA.

Emotionales Plädoyer der Staatsanwältin

Staatsanwältin Angela Povilaitis rang in ihrer Abschlussstellungnahme mehrfach um Fassung. „Seine Taten erstrecken sich über 25 Jahre“, sagte sie. „Seine Opfer haben diesem Mann mehr als vertraut“, sagte Povilaitis. „In Wirklichkeit war er ein Meister der Manipulation.“

„Es ist eine kranke Perversion, Kinder zu missbrauchen, während ihre Eltern nur wenige Meter entfernt saßen - unwissend“, sagte Povilaitis. „Die Welt dachte, dies sei ein guter Arzt. Einer, der sich um einige unserer prominentesten jungen Heldinnen kümmerte, um junge Olympionikinnen. Er hat sich hinter den olympischen Ringen versteckt. Wir haben in den letzten Tagen das Schlimmste und das Beste gesehen, wozu Menschen fähig sind.“

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