Steigerung von fast 30 Prozent
In Mexiko vergeht praktisch kein Tag ohne Berichte über Morde und Kämpfe zwischen rivalisierenden Drogenkartellen. Gegenüber 2016 stieg die Zahl der Tötungsdelikte im Vorjahr um knapp ein Drittel an. Die Intensität der Revierkämpfe nimmt offenbar zu.
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Im letzten Jahr wurden laut Innenministerium in Mexiko 29.168 Menschen getötet. Gegenüber 2016 entspricht das einer Steigerung von 27 Prozent. Die Zahl ist die höchste an Tötungsdelikten seit Beginn der systematischen Erhebung vor 20 Jahren.
Allerdings wurde auch die Erhebungsmethode geändert: Während bis 2014 die Zahl der Mordermittlungen unabhängig von der Zahl der Opfer gezählt wurden, wird nun die genaue Zahl der Opfer angegeben. Bisher hatte 2011 als das blutigste Jahr der jüngeren Geschichte in dem lateinamerikanischen Land gegolten. Damals wurde in 22.409 Fällen wegen Mordes ermittelt.
Machtkämpfe zwischen und innerhalb von Kartellen
Festnahmen und Tötungen mächtiger Kartellbosse hatten zuletzt brutale Machtkämpfe auch innerhalb der Verbrechersyndikate entfacht. Außerdem konkurrieren zunehmend auch kleinere Banden um Geschäftsanteile und Einflusszonen. Neben dem Drogenhandel sind die Kartelle unter anderem in Schutzgelderpressung, Menschenhandel und Treibstoffdiebstahl involviert.

APA/AFP/Victoria Razo
Ein Soldat und ein Polizeibeamter überwachen die Vernichtung von Hunderten Kilogramm Kokain
Ihre „Botschaften“ sind oft grausam: „Das wird allen passieren, die sich nicht unserem Befehl beugen“, stand etwa auf einem Plakat in der Urlaubsregion Los Cobos im Bundesstaat Baja California Sur zu lesen. Daneben waren zwei Menschen auf einer Brücke gehängt worden. „Damit ist mehr als bewiesen, dass wir alle Macht haben. Hochachtungsvoll. Guzmanes und Tegoripenos.“
Die beiden Banden etwa ringen mit anderen Splittergruppen um die Kontrolle des Sinaloa-Kartells. Seit der Festnahme und Auslieferung von Kartellboss Joaquin „El Chapo“ Guzman ist in dem Verbrechersyndikat ein Machtvakuum entstanden. Nun kämpfen einzelne Fraktionen um Einflusszonen, Geschäftsanteile und Schmuggelrouten.
Neue kleine Banden „weitaus brutaler“
„Vor zehn Jahren wurde die mexikanische Unterwelt von wenigen großen Kartellen dominiert. Die meisten sind mittlerweile implodiert, weil ihre Anführer entweder festgenommen oder getötet wurden“, analysierte der Sicherheitsexperte Alejandro Hope vom ThinkTank Mexican Competitiveness Institute (IMCO). „Die neuen kleinen Banden verfügen nicht über so professionelle Logistik- und Finanzstrukturen wie die traditionellen Verbrechersyndikate, aber sie sind weitaus brutaler.“

APA/AFP/Yuri Cortez
Die meisten Toten seit 2011
Tausende Menschen verschwunden
Neben den Tausenden Mordopfern jährlich gelten mindestens ebenso viele als vermisst. Der bekannteste Fall ist jener der 43 Lehramtsstudenten, die 2014 verschleppt worden waren und bis heute verschwunden sind. Erst vergangene Woche entdeckte die Polizei im Nordwesten des Landes im Bundesstaat Nayarit Massengräber mit mindestens 32 Toten. Eines wurde laut der zuständigen Staatsanwaltschaft am Rand einer Bananenplantage gefunden, zwei weitere in der Nähe.
Der kleine Bundesstaat Nayarit liegt zwischen Jalisco und Sinaloa, wo sich zwei mächtige Drogenkartelle einen blutigen Konflikt um die Vorherrschaft über den Drogenhandel liefern. Nach offiziellen Angaben wurden in Nayarit im vergangenen Jahr 117 Menschen als vermisst gemeldet. Im Bundesstaat Veracruz wurden - ebenfalls vergangene Woche - neun zerstückelte Leichen gefunden. Ermittler hätten einen Hinweis auf den Wagen, der in der Stadt Xalapa verlassen am Straßenrand stand, bekommen, hieß es. In dem Fahrzeug lagen auch zwei schriftliche Drohbotschaften. Wenige Tage zuvor lagen auf der Motorhaube eines Autos in der Ortschaft Sayula de Aleman fünf abgetrennte Köpfe - wieder inklusive einer Drohbotschaft des Kartells Jalisco Nueva Generacion.
Noch höher als in Mexiko (mit 22 Fällen pro 100.000 Einwohner) ist die Zahl der Morde in El Salvador, Honduras, Brasilien und Venezuela. Zum Vergleich: In Österreich gab es laut Kriminalstatistik 2015 Mordermittlungen in 39 Fällen, 2016 waren es 46.
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