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Millionen männlicher Singles als Problem

In China haben sich in den Jahren der wirtschaftlichen Transformation nicht nur die Handelsmärkte geöffnet, sondern auch der Heiratsmarkt. Die Kommunistische Partei (KP) will gerade hier dem freien Spiel der Kräfte aber wenig Raum geben. Verkuppeln ist in China auch staatlicher Auftrag. Darum kümmern sich etwa Parteijugend und Frauenverband, die zu diesem Zweck große Dating-Events veranstalten.

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Vor einem Jahr habe sich die KP dazu entschlossen, ins Geschäft mit der Kuppelei im großen Stil einzugreifen. Allein in der Provinz Zheijang besuchten seither rund 100.000 junge Menschen diese Veranstaltungen des Kommunistischen Jugendverbands, wie die „Washington Post“ berichtet.

Der Zeitpunkt kommt nicht von ungefähr. Ein Jahr zuvor hatte sich Peking endgültig von der strikten Einkindpolitik abgekehrt. China altert zu schnell, die arbeitsfähige Bevölkerung schrumpft. Seit Jänner 2016 ist es nun allen - verheirateten - Paaren erlaubt, ein zweites Kind zu bekommen. Für weitere Geburten gelten allerdings nach wie vor Beschränkungen. Die Geburtenrate soll steigen, allerdings kontrolliert.

Chinas „übriggebliebene Frauen“

Für die heutigen Millennials, die Alterskohorte mit Geburtsdatum zwischen 1980 bis spätestens 2000, ist das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen. Die in den 1970er Jahren eingeführte Bevölkerungspolitik führte zu einer Bevorzugung männlicher Kinder. Weibliche Föten wurden oft abgetrieben, oder die Mädchen wurden nach der Geburt getötet. In der Folge entwickelte sich ein deutliches Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Nach Angaben des chinesischen Statistikamtes wird es im Jahr 2020 etwa 24 Millionen Männer mehr im heiratsfähigem Alter geben als Frauen.

Verkupplungstreffen in Peking

AP/Imaginechina/Kim Suk

Massendating in Peking: Hier können Heiratswillige ihre Chancen erhöhen

Dass diese Unausgewogenheit zu gesellschaftlicher Instabilität führen könnte, beschäftigt die KP seit Jahren. Zunächst versuchte man daher, wie die „New York Times“ schreibt, junge Frauen in „die Ehe hineinzuschämen“. Peking erkannte erstmals 2007 die Folgen der Einkindpolitik öffentlich als problematisch an. Heiraten hat in China immer noch einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Rund 90 Prozent der Frauen heiraten vor dem 30. Geburtstag.

Für Singlefrauen über 30 etablierte sich in den staatlichen Medien seither der Begriff „sheng nu“ - übriggeblieben, Chinas Bildungsministerium führte das Wort auch offiziell ein. „Seit 2007 haben die Staatsmedien diesen Begriff aggressiv in Untersuchungen, Nachrichten, Kolumnen, Karikaturen und Bildern verbreitet, um gebildete alleinstehende Frauen über 27 oder 30 zu stigmatisieren“, so die Soziologin Leta Hong-Fincher zur „New York Times“.

„Vergilbte Perlen“ als abschreckende Beispiele

Ein wesentliches Organ war hier die All-Chinesische Frauenvereinigung, der Frauenverband der KP. Auf ihrer Website fanden sich viele Beiträge über „Übriggebliebene“ und Tipps, wie Frauen diesem Zustand entkommen könnten. Eine Kolumne der Frauenvereinigung, die kurz nach dem Internationalen Frauentag 2011 veröffentlicht wurde, erlangte etwa auch über Chinas Grenzen hinweg Bekanntheit: „Schöne Mädchen brauchen nicht viel Bildung, um in eine reiche und mächtige Familie einzuheiraten“, hieß es da.

„Aber Mädchen mit durchschnittlicher oder hässlicher Erscheinung werden das schwierig finden. Diese Mädchen hoffen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, indem sie ihre Bildung steigern. Es ist eine Tragödie, dass sie nicht realisieren, wie Frauen mit steigendem Alter weniger und weniger wert werden, und wenn sie ihre akademischen Grade erreichen, sind sie bereits alt, wie vergilbte Perlen.“

Zuletzt ist die Frauenvereinigung davon abgegangen, solche Artikel zu veröffentlichen. Zu viele Leserinnen hatten sich über diese Art der politischen Debatte beschwert, wie die BBC berichtet.

Propagandaabteilung ist zuständig

Dafür arrangiert der Frauenverband vermehrt die großen Kennenlernveranstaltungen mit Fokus auf gebildete Frauen im heiratsfähigen Alter. Aber nicht nur die KP-Frauenorganisation sieht sich dafür zuständig, Unverheiratete unter die Haube zu bringen. Auch der Kommunistische Jugendverband holt Tausende junger Chinesen und Chinesinnen zu Massenverabredungen zusammen.

In der Metropole Hangzhou, Chinas „Stadt der Liebe“, werden immer wieder gut organisierte Events solcher Art veranstaltet. Hinter der Durchführung steht die Propagandaabteilung der Organisation. Wang Huiqiu vom Kommunistischen Jugendverband warnte in der „Washington Post“ etwa davor, den Heiratsmarkt profitorientierten Unternehmen zu überlassen. Bei privaten Kuppel-Apps gebe es etwa viele Betrüger, zudem seien die Preise hoch, das sei „problematisch“, so Wang. Finde ein Paar durch die Partei zusammen, würde es sich außerdem dem System verbunden fühlen.

Auch dazugehörige Onlineplattformen sind beliebt. Nach der Registrierung und einer Überprüfung durch das lokale Büro für öffentliche Sicherheit können Userinnen und User hier durch Tausende Profile interessierter Teilnehmer und Teilnehmerinnen klicken. Auch Ratschläge für den Umgang mit dem anderen Geschlecht sind vorhanden. Der Tenor, den der Jugendverband hier transportiert: Man sollte heiraten, am besten bald. „Wenn er bereit ist, für die Frau, die er liebt, Geld auszugeben, ist er der Richtige.“

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