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„Ich will mindestens 45 Prozent“

Mit seiner Rückkehr auf die Politbühne hat der vierfache italienische Premier Silvio Berlusconi bereits im Vorjahr viele überrascht. Jetzt drängt der 81-Jährige auch im anlaufenden Wahlkampf für die am 4. März anstehende Parlamentswahl ins Rampenlicht. Dasselbe gilt für einen weiteren Ex-Premier: So wie Berlusconi wird derzeit auch Matteo Renzi nicht müde, die von ihm angeführte Demokratische Partei (PD) in Stellung zu bringen.

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Während der PD-Chef für seine Partei auf mehr als 25 Prozent der Wählerstimmen hofft, zeigte sich Berlusconi mit der Aussage „Ich will mindestens 45 Prozent“ noch weit optimistischer. Die laut „Corriere della Sera“ von Berlusconi dafür vorgesehene Strategie sei, von nun an jeden Tag im TV und Radio aufzutreten. Wer im Falle eines Wahlsieges des aus Forza Italia, Lega Nord und Brüder Italiens gebildeten Bündnisses Premier werden soll, bleibt aber weiter offen. Gegenüber Radio Capital verriet Berlusconi lediglich, er habe einen „super Kandidaten“.

Silvio Berlusconi

APA/AP/Geert Vanden Wijngaert

Obwohl unwählbar, ist Berlusconi wieder die zentrale Figur von Mitte-Rechts

Obwohl mit „Präsident Berlusconi“ auf dem zuletzt präsentierten Parteilogo und damit wohl auch auf dem Wahlzettel präsent, steht Berlusconi selbst diesmal nicht zur Wahl. Hintergrund ist die rechtskräftige Verurteilung wegen Steuerbetrugs, die ihm neben der Kandidatur für Abgeordnetenkammer und Senat bis August 2019 auch die Ausübung politischer Ämter verbietet. Ganz im Stil seiner bisherigen Politkarriere ist für Berlusconi aber selbst hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Rede ist von Aktennummer 58428/13, unter welcher der Europäische Gerichtshof seit dem Vorjahr die Causa „Berlusconi vs. Italien“ behandelt.

64 Regierungen seit 1946

In Italien ist politische Instabilität nichts Neues. Seit 1946 gab es in dem Land bereits 64 Regierungen. In der jetzigen 17. Legislaturperiode ist Paolo Gentiloni der dritte PD-Ministerpräsident nach Enrico Letta und Matteo Renzi.

„Offenes Spiel“

Die Premierfrage erscheint indes auch in der PD nicht geklärt. Es gehe nicht um seine Zukunft, sondern darum, dass auch weiterhin ein PD-Premier im Palazzo Chigi sitze, so Renzi, der auch nicht mit Lob für die Arbeit seines Nachfolgers Paolo Gentiloni geizte. Obwohl seine Demokratische Partei angeschlagen ist, sieht Renzi den Wahlkampf als „offenen Spiel“. So führe das von Berlusconis Forza Italia angeführte Mitte-recht-Bündnis zwar in Umfragen - in den nun entscheidenden zwei Monaten würden diese aber noch „gekippt“, prognostizierte Renzi laut dem Nachrichtenportal TGCom24.

Matteo Renzi

APA/AP/Angelo Carconi

PD-Chef Renzi will bisherige Umfragen noch „kippen“

Für den im Dezember 2016 über ein selbst inszeniertes Verfassungsreferendum gestolperten Ex-Premier kämen von Berlusconi jedenfalls nur „leere Versprechen“. Vor der Übernahme der Macht durch seine Partei sei das von Berlusconi viel zu lange regierte Land zudem am Rande des Bankrotts gestanden. Berlusconi habe schon regiert „und ist gescheitert“, wie Renzi dazu laut „Repubblica“ sagte.

Autosteuer und „Job Act“

Berlusconi zeigte allerdings erst bei der im November geschlagenen Sizilien-Wahl eindrücklich, dass Forza Italia mit seiner tatkräftigen Unterstützung weiter Wahlen gewinnen kann. Wie gewohnt setzt Berlusconi auf breitenwirksame Ankündigungen, wie die nun versprochene Abschaffung der Autosteuer. Auf die Titelseiten italienischer Zeitungen schaffte es auch die Kampfansage gegen die von Renzi eingeführte und als „Job Act“ bekannte Arbeitsmarktreform, die er bei einem Wahlsieg tiefgreifend ändern will.

Entgegen den Vorstellungen des verbündeten Lega-Nord-Chefs Matteo Salvini will Berlusconi allerdings nicht die 2011 unter Mitte-links-Premier Mario Monti eingeführte Rentenreform - Stichwort Legge Fornero - abschaffen. Manche Dinge sollten bleiben, wie sie sind, und das betreffe auch das Alter, ab wann man in Pension gehen könne, wie Berlusconi in der RAI-Politsendung „Porta a Porta“ dazu sagte.

Fünf-Sterne-Kehrtwende beim Euro

Seinen schärfsten Gegenspieler sieht Berlusconi aber ohnehin nicht bei Renzis PD, sondern bei der vom Komiker Beppe Grillo gegründeten populistischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), die laut Umfragen als stärkste Einzelpartei aus der Wahl hervorgehen könnte. In den Fokus rückt damit auch der erst 31-jährige Luigi di Maio, der als Premierkandidat der Protestpartei künftig das Land regieren will.

Luigi di Maio

Reuters/Max Rossi

Die Wahl wird zur großen Bewährungsprobe für M5S-Hoffnungsträger Di Maio

Einmal im Amt sollen dann gleich 400 „nutzlose und gefährliche“ Gesetze und - wie nun auch von Renzi gefordert - die Rundfunkgebühren abgeschafft werden. Was die bisher vom M5S geforderte Abschaffung des Euro betrifft, hält Di Maio den Rotstift zwar nicht mehr so fest in der Hand. Während Di Maio nun die Regeln für den Euro nur mehr ändern will, gilt es für Berlusconi weiterhin, auch die Lega Nord von einer Euro-Kehrwende zu überzeugen. Bis dahin bleibt die Forderung nach einem Referendum über den Austritt aus der europäischen Gemeinschaftswährung im italienischen Wahlkampf weiter auf dem Tisch.

Wahlkampf „ohne Visionen“

Auch mit Blick auf die von der Lega ebenfalls geforderte Abschaffung der erst im Vorjahr eingeführten Impfpflicht und der Steuer auf elektronische Zigaretten orten Beobachter einen weiteren Vorgeschmack, in welche Richtung der Wahlkampf führt. „Es ist ein Rennen, wer die meisten Gesetze abschaffen will“, titelt dazu etwa das Politportal Lettera43. Ähnlich die Nachrichtenseite Inkiesta, derzufolge nach dem „Wir machen, wir machen, wir machen (...)“ vergangener Wahlkämpfe das nun ausgerufene Wahlkampfmotto offensichtlich „Alles abschaffen“ laute.

Offen bleibe nicht zuletzt, ob die quer durch alle politischen Lager versprochenen Streichungen von Abgaben, Steuersenkungen und Rentenerhöhungen einer Haushaltsrechnung und den EU-Defizitvorgaben standhalten werden. Vermisst werden zudem zukunftsträchtige Visionen. Geht es nach Inikiesta, werde durch das bisher Präsentierte lediglich ein „besorgniserregendes Fehlen an Ideen“ versteckt.

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