Mafia auch 26 Jahre danach unbesiegt
Es gibt ein Datum, das wie kein anderes einen Wendepunkt im Kampf gegen die Mafia darstellt. Am 23. Mai 1992 wurde das Auto des berühmtesten Mafia-Jägers Italiens, Giovanni Falcone, mit einer 500-Kilo-Bombe in die Luft gejagt. Der Mord löste einen Sturm der Entrüstung aus, der Staat ging seitdem entschiedener gegen die kriminellen Gruppen vor.
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26 Jahre später ist die sizilianische Mafia auf dem Rückzug. Doch andere Gruppierungen haben an Einfluss gewonnen. Mittlerweile macht die Mafia weniger mit spektakulären Morden von sich reden - und verdient Geld jenseits des Drogenhandels. „Es gibt eine Neigung, die Mafia zu unterschätzen, solange sie nicht tötet“, sagt Laura Garavini, Abgeordnete der sozialdemokratischen Regierungspartei PD und Mitglied in der Anti-Mafia-Kommission des italienischen Parlaments.
Gewinne mit Flüchtlingszentrum und im Fußball
„In Norditalien ist die Mafia aus diesem Grund ebenfalls lange unterschätzt worden. Mit dem Ergebnis, dass sie sich einschleicht.“ Garavini definiert die Mafia als international agierende Firma, die immer dahin geht, wo Geld zu verdienen ist. Das belegt ein Beispiel aus Italien: An den Mittelmeer-Küsten im Süden kommen die meisten Flüchtlinge in Europa an. Die EU stattet das Land mit Millionen aus, um die Migrationskrise zu schultern.
Im vergangenen Mai wurde bekannt, dass die kalabresische ’Ndrangheta bei der Flüchtlingsunterbringung kräftig mitverdient. Seit mehr fast elf Jahren soll der einflussreiche Mafia-Clan Arena in die Geschäfte eines Aufnahmezentrums in der südlichen Provinz Crotone verwickelt sein - und rund 32 Millionen Euro öffentliches Geld abgezweigt haben. Das Zentrum sei zu einer „Gelddruckerei für den Mafia-Clan geworden“, sagt Rosy Bindi, die Vorsitzende der Anti-Mafia-Kommission.
Auch vom sprudelnden Millionengeschäft im Fußball schöpft die Mafia offenbar etwas ab - sie soll bis zu Italiens Rekordmeister Juventus Turin vorgedrungen sein. Die Führungsspitze des Vereins muss sich seit immer wieder gegen den Vorwurf wehren, Kontakte zwischen Fangruppen und der ’Ndrangheta nicht verhindert und damit den Mafiosi im Geschäft mit den begehrten Tickets in die Hände gespielt zu haben.
Millionengeschäft in vielen Branchen
Bau und Immobilien, Obst und Gemüse, Müll, Drogen - die Liste der Branchen, in denen die Mafiosi mitmischen, ist lang. Dass die Mafia nicht nachhaltig bekämpft werden kann, dafür machen italienische Politiker wie Garavini auch die Gesetzgebung anderer Länder verantwortlich. In Italien ist schon die Mitgliedschaft in einer Mafia-Gruppierung eine Straftat - im letzten Oktober forderte das Europäische Parlament die Mitgliedsstaaten in einer Resolution dazu auf, dem Beispiel Italiens zu folgen.
Doch derart strenge Anti-Mafia-Gesetze gibt es anderswo oft nicht. Mit der Folge, dass Vermögen aus Mafia-Besitz nicht einfach abgeschöpft oder Immobilien konfisziert werden können. „Die Mafia nutzt das, um besonders dort aktiv zu werden, weil sie die Gewissheit hat, dass sie dort ihre Geschäfte vorantreiben kann und mutmaßlich straffrei bleibt“, sagt Garavini.
Deutschland etwa ist laut deutschem Bundeskriminalamt (BKA) vor allem ein Flucht- und Rückzugsort für Mitglieder der Mafia, aber auch ein „Aktionsraum zur Durchführung illegaler Geschäfte und Investitionen - insbesondere in der Immobilien- und Gastronomiebranche“, sagt eine BKA-Sprecherin. Die Mafia-Morde von Duisburg, wo 2007 sechs Mafiosi auf offener Straße erschossen wurden, seien eine „Ausnahme“. Die Mafia versuche, „in Deutschland im Hintergrund zu agieren und nicht in den Fokus der Öffentlichkeit zu geraten“. Doch macht sie das weniger gefährlich?
„Es ist ein menschliches Phänomen“
Die Mafia ist unsichtbarer geworden - wer sich aber ernsthaft mit ihr anlegt, riskiert wie Falcone vor 25 Jahren sein Leben. Der Untersuchungsrichter ist noch heute in Italien ein Nationalheld. Er wusste, wie der „Krake“ funktionierte, ihm gelang es, Mafiosi zum Reden zu bringen und damit das oberste Gesetz der „ehrenwerten Gesellschaft“ zu brechen.

AP/Nino Labruzzo
Am 23. Mai 1992 wurde Giovanni Falcone zusammen mit seiner Ehefrau und drei Leibwächtern durch eine Bombe getötet
Für einige ist der 23. Mai 1992 der 11. September Italiens. Doch eines von Falcones berühmtesten Zitaten vor seinem gewaltsamen Tod macht Hoffnung: Die Mafia sei keineswegs unbesiegbar. „Es ist ein menschliches Phänomen, und wie alle menschlichen Phänomene hat es einen Anfang und wird es auch ein Ende haben.“
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Lena Klimkeit und Alvise Armellini, dpa/Agenturen