Tauziehen um Zuständigkeit
Deutschland muss das Insolvenzverfahren für die Air-Berlin-Tochter Niki nach einem Beschluss des Landgerichts Berlin an Österreich abgeben. Niki habe seinen Sitz in Wien ebenso wie die für die Fluglinie zuständige Aufsichtsbehörde, erklärte das Gericht am Montag. Es gab damit einer Beschwerde des österreichischen Fluggastdienstleisters FairPlane gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg für Berlin als Insolvenzort statt.
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Allerdings gibt es noch eine Hintertür: Niki kann binnen eines Monats gegen die Entscheidung Beschwerde beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe einlegen. Ein Sprecher des vorläufig bestellten Insolvenzverwalters Lucas Flöther erklärte gegenüber der APA, Niki prüfe, ob sie Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegt.
Flöther hatte zuvor gewarnt, ein Wechsel der Zuständigkeit nach Österreich könnte den geplanten Verkauf des Ferienfliegers an den britischen Konzern International Airlines Group (IAG) hinfällig machen. Von IAG hieß es allerdings in einer ersten Stellungnahme, man halte trotz des juristischen Tauziehens am Kauf fest. Die Konzerntochter Vueling sei weiter an der Fluggesellschaft interessiert und arbeite mit allen Beteiligten daran, den Kauf voranzutreiben, teilte IAG am Montag mit.
Für 20 Millionen verkauft
Vueling will wesentliche Teile von Niki für 20 Millionen Euro übernehmen. Dafür ist die Zustimmung der europäischen Wettbewerbshüter nötig. Für die Zeit bis zum Vollzug der Übernahme stellt IAG zudem bis zu 16,5 Millionen Euro bereit, um Niki in der Luft zu halten. 740 der 1.000 Mitarbeiter sollen übernommen werden.
Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hatte sich ursprünglich für international zuständig erklärt und im Dezember die vorläufige Insolvenzverwaltung für Niki angeordnet. Folglich wies das Amtsgericht die Beschwerde in der vergangenen Woche ab und verwies die Sache ans Landgericht. Dieses sah nun entscheidende Hinweise darauf, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen in Österreich befinde.
Als Gründe für die Entscheidung führt das Landgericht Berlin aus, dass Niki Büros auch in Wien unterhalte, unter anderem die Finanzbuchhaltung. Ebenso liege der Ort der zuständigen Aufsichtsbehörde in Wien, da die Schuldnerin über eine österreichische Betriebsgenehmigung verfüge und die Lufttüchtigkeit der Flugzeuge von dort aus überwacht werde. Zudem unterlägen die von der Schuldnerin geschlossenen Arbeitsverträge zu rund 80 Prozent dem österreichischen Arbeitsrecht.
Interessenkonflikte geortet
FairPlane hat parallel zur Beschwerde in Berlin Insolvenzantrag beim österreichischen Landesgericht Korneuburg gestellt. Das Fluggastportal argumentierte, ein österreichischer Konkursverwalter werde - anders als der vom Amtsgericht Charlottenburg eingesetzte Insolvenzverwalter Flöther - die Interessen der Niki-Mutter Air Berlin nicht beachten. Die Fluggäste drohten gerade wegen möglicher Interessenkonflikte Flöthers, der zugleich Insolvenzverwalter von Air Berlin ist, leer auszugehen.
Ein Sprecher Flöthers hatte dagegen erklärt, im Fall von Kollisionen der Ansprüche von Air Berlin und Niki werde ein Sonderinsolvenzverwalter eingesetzt. Das habe Flöther selbst schon Mitte Dezember gegenüber dem Amtsgericht erklärt. Unklar ist, ob bis zu einer abschließenden Entscheidung das Insolvenzverfahren in Berlin weiter betrieben wird. Laut Gericht ist das möglich, Flöther hatte aber erklärt, das Verfahren werde angesichts der Entscheidung nicht eröffnet
Deal müsste übernommen werden
Über das Hauptverfahren müsse nun das Landesgericht Korneuburg entscheiden, erklärte FairPlane. Das Landesgericht dürfte Ende dieser Woche zu einer Entscheidung kommen. Erklären die Gerichte tatsächlich Österreich für zuständig, könnte der Verkauf von Niki an IAG nur zustande kommen, wenn der österreichische Konkursverwalter den von Flöther ausgehandelten Vertrag übernimmt.
Dieses Szenario hält FairPlane für möglich. Es herrsche auch kein Zeitdruck, denn das österreichische Infrastrukturministerium habe die Betriebserlaubnis von Niki um drei Monate bis Anfang April verlängert. Ein österreichischer Konkursverwalter könnte den Kaufvertrag mit IAG übernehmen oder einen anderen Käufer finden. „Uns geht es nicht darum, den Deal kaputt zu machen“, sagte der FairPlane-Sprecher.
Chance für andere Interessenten?
Wie Insolvenzexperte des Kreditschutzverbands von 1870 (KSV1870), Hans-Georg Kantner, der APA erklärte, muss sich ein Masseverwalter ein eigenes Bild machen und die Situation einschätzen. Er ist aber vom Gesetz nicht dazu verpflichtet, einen Bieterprozess zu starten. Er könne auch geleistete Vorarbeiten zu einem Verkauf umsetzen. Vorgesehen sei allerdings die Zustimmung des Gläubigerausschusses.
Entscheidend ist auch, ob es abseits von IAG noch andere Interessenten gibt. Der Airline-Gründer und IAG unterlegene Bieter Niki Lauda ist ja nach wie vor überzeugt, das bessere Angebot gelegt zu haben. Mehrere Medienberichte sprechen allerdings dagegen. Laut Reuters lag Laudas Angebot rund fünf Millionen unter den 36,5 Mio. Euro, die IAG für die Übernahme und den sofortigen Weiterbetrieb von Niki geboten hat. Lauda war am Montag für die APA zunächst nicht erreichbar.
Dubiose Stiftung mischte mit
Der Fluggastdienstleister verspricht sich von einem Verfahren in Österreich bessere Chancen, Kundenforderungen von mehr als 1,2 Millionen Euro durchsetzen zu können. Allerdings handelt es sich laut Medienberichten dabei vor allem um alte Schadenersatzforderungen wegen Schadenersatz für Flugverspätungen und beschädigtes Gepäck. Bei ihrem Beschwerdeantrag vor dem Amtsgericht Charlottenburg brachte FairPlane nur abgetretene Forderungen in der Höhe von 1.800 Euro vor.
Genau diesen Betrag wollte laut einem Bericht des Fachportals Austrian Aviation die „Privatstiftung zur Förderung des europäischen Luftverkehrs - ELS“ begleichen. Laut dem Portal stecken dahinter mehrere ranghohe Niki-Manager. FairPlane überwies den Betrag offenbar mehrmals retour - auch weil die ominöse Stiftung schon im Dezember aufgelöst worden sein soll.
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