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„Ihr seid so mutig“

Die Reden der Stars bei den Golden Globes sind in der Nacht auf Montag ganz im Zeichen der Initiativen „#MeToo“ und „Time’s Up“ gegen sexuellen Missbrauch und Rassismus gestanden. Aber auch die Show selbst und die prämierten Filme und Serien sprechen für ein sich wandelndes Gender-Bewusstsein.

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Als Sinnbild für diesen Wandel gilt die Serie „Big Little Lies“, bei der Reese Witherspoon und Nicole Kidman nicht nur in den Hauptrollen zu sehen sind, sondern auch als Produzentinnen agieren. Die Miniserie war beim Publikum ein großer Erfolg, erhielt den Globe in der Kategorie „Beste Miniserie“ - und es geht in ihr nicht zuletzt um die Misshandlung einer Frau durch ihren Mann, hinter verschlossenen Türen.

TV-Hinweis

ORF eins zeigt zudem die preisgekrönte Serie „Big Little Lies“ noch im Frühjahr 2018 am Serienmontag. Und auch zwei weitere Produktionen, die fix im ORF zu sehen sein werden, wurden prämiert: Als bester Animationsfilm bekam Disneys „Coco“ einen Golden Globe, und Ewan McGregor wurde für seine Rolle in „Fargo“ als bester Hauptdarsteller in einer Miniserie ausgezeichnet. Bereits in Verhandlung befindet sich der ORF für die ebenfalls Golden-Globe-prämierten Produktionen „Lady Bird“, „Darkest Hour“ und „I, Tonya“.

Hinter verschlossenen Türen

Witherspoon hielt eine emotionale Rede, während der sie stets gegen die Tränen zu kämpfen hatte: „Es geht bei einer Show wie dieser hier um unser Leben - wie wir es gerne der Öffentlichkeit präsentieren. Aber hinter verschlossenen Türen kann sich etwas ganz anderes abspielen. Deshalb möchte ich allen danken, die im abgelaufenen Jahr das Schweigen gebrochen haben, um öffentlich über Missbrauch und sexuelle Belästigung zu sprechen. Ihr seid so mutig.“

Witherspoon verlieh zudem ihrer Hoffnung Ausdruck, dass es in Zukunft mehr Shows wie diese Globes-Gala geben wird. Fast alle Stars trugen Schwarz, um auf die Probleme in der Branche hinzuweisen, damit, so Witherspoon, „jene da draußen, die sich mundtot gemacht fühlen von Belästigung, Diskriminierung oder Missbrauch, wissen: Diese Zeiten sind vorbei. Wir sehen euch. Wir hören euch. Und wir werden eure Geschichten erzählen.“

Die Besetzung von "Big Little Lies"

APA/AP/Invision/Jordan Strauss

Das Team von „Big Little Lies“

Oprah Winfreys kämpferischer Appell

Für viel Aufsehen sorgte auch Talkshow-Star Oprah Winfrey, die für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde und deren Auftritt als Höhepunkt der Verleihung gilt. In ihrer sehr persönlich gehaltenen Rede erinnerte sie an das Schicksal der Schwarzen Recy Taylor, die 1944 von sechs weißen Männern vergewaltigt wurde, die nie angeklagt wurden. Erst 2011 entschuldigte sich der Staat Alabama. Taylor starb vor sechs Wochen. „Zu lange sind Frauen nicht gehört worden, oder es wurde ihnen nicht geglaubt, wenn sie es wagten, diesen Männern die Wahrheit zu sagen. Aber ihre Zeit ist abgelaufen. Ihre Zeit ist abgelaufen. Ihre Zeit ist abgelaufen“, so Winfrey.

Alle Mädchen, die wie Winfrey einst die Preisverleihung an Sidney Poitier 1964 sahen, „sollen wissen, dass ein neuer Tag kommt“ - Poitier war der erste Schwarze, der einen Hauptrollenoscar erhielt. Und wenn dieser Tag „endlich beginnt, dann wird das wegen vieler großartiger Frauen geschehen, die sich heute in diesem Raum befinden, und einiger ziemlich außergewöhnlicher Männer, die hart dafür kämpfen, dass sie die Anführer werden, die uns in eine Zeit führen, in der niemand mehr ‚me too‘ sagen muss. Danke.“

Über die Natur der Frauen

Solidarität, eine kämpferische Haltung und nicht zuletzt Optimismus dominierten den Abend, aber es gab auch Ausreißer, die daran erinnerten, dass längst nicht alles eitel Wonne ist in Sachen Gender-Gerechtigkeit. Deutsche Medien berichteten über Barbara Meier als einzige Frau, die bei der Gala nicht Schwarz getragen habe, aber die „New York Post“-Society-Website Page Six ortete gleich drei bunte Besucherinnen - und outete sie: Meier, Meher Tatna und Bianca Blanco.

Viele Frauen werden heute im Zuge der Time‘s Up Bewegung auf dem Roten Teppich schwarz tragen. Ich finde diese Initiative im Allgemeinen super und extrem wichtig. Trotzdem habe ich mich entscheiden, heute ein buntes Kleid zu tragen. Wenn wir wollen, dass heute die Golden Globes der starken Frauen sind, die für ihre Rechte kämpfen, ist es in meinen Augen der falsche Weg, sich nicht mehr körperbetont anzuziehen und uns die Freude am Ausdruck unserer Persönlichkeit durch Mode zu nehmen. Wir haben uns diese Freiheit lange erkämpft, dass wir tragen können, was wir möchten und es auch in Ordnung ist, sich sexy zu kleiden. Wenn wir das einschränken, weil sich einige Männer nicht unter Kontrolle haben, ist das in meinen Augen ein Rückschritt. Wir sollten nicht schwarz tragen müssen, um ernstgenommen zu werden. Wir Frauen sollten strahlen, farbenfroh sein und funkeln. So wie es in unserer Natur liegt! Das symbolisiert in meinen Augen unsere Freiheit und neue Stärke. Um das aber dennoch nochmal klar zu sagen: Viele schreckliche Dinge sind passiert und dürfen sich nie wieder wiederholen! Und wir sollten das immer wieder und direkt ansprechen und aufklären! Ich freue mich auf starke und inspirierende Reden heute Abend! (c) @gettyentertainment --- A lot of women will wear black tonight to support the time‘s up movement! I think this is a great and extremely important initiative! Nevertheless I decided to wear a colorful dress tonight. If we want this to be the Golden globes of the strong women who stand up for their rights, I think, it’s the wrong way not to wear any sexy clothes anymore or let people take away our joy of showing our personality through fashion. We were fighting a long time for the freedom to wear what we want to and that it is also ok, to dress up a little more sexy. If we now restrict this, because some men can’t control themselves, this is a huge step back in my opinion. We should not have to wear black to be taken serious. US women should shine, be colorful and sparkle. Just like it is our nature. In my opinion this symbolizes our freedom and our new strength. But to make clear: A lot of bad things happened and should never happen again!!!

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Meier wurde 2007 als Gewinnerin von „Germany’s Next Top Model“ bekannt und spielte seither in „Kultserien“ wie „SOKO Stuttgart“, „SOKO 5113“ und „SOKO Wismar“. Auf Instagram erklärte sie, warum sie nicht auch auf solidarisches Schwarz gesetzt hatte. Lange hätten Frauen dafür gekämpft, jene Kleidung tragen zu dürfen, die sie wollen (sie spricht von „körperbetont“ und „sexy“): „Wir sollten nicht schwarz tragen müssen, um ernst genommen zu werden. Wir Frauen sollten strahlen, farbenfroh sein und funkeln. So wie es in unserer Natur liegt!“

1. Aufmerksamkeitsdefizit, 2. Indiens Bräuche

Tatna, Präsidentin der Vereinigung der Auslandspresse in Hollywood, hielt eine flammende Rede im Sinne der „#MeToo“-Bewegung, war aber in Rot gekommen. Gegenüber „Entertainment Tonight“ sagte Tatna: „Wenn du etwas zu feiern hast, trägst du kein Schwarz. Sie wäre entsetzt gewesen, wenn ich Schwarz getragen hätte. Das ist für meine Mutter.“ Sie habe den Look mit ihrer Mutter ausgesucht, die aus Indien, Mehers Heimat, zusieht. Ihr rotes Kleid versah sie aber mit einem „Time’s Up“-Button.

S. Mitra Kalita, eine der Managerinnen von CNN, sprang Tatna zur Seite: „In Indien gehört es zu Festtagen dazu, bunt gekleidet zu sein - und es ist ja der 75. Geburtstag der Globes.“ Und: „Tatna wurde in Indien geboren. Und was hier schwarz ist, ist bei uns in Indien rot.“

Ganz in Rot mit riesigem Ausschnitt - sowohl oben als auch unten - kam das Sternchen Blanca Blanco, eher weniger bekannt aus Streifen wie „Beverly Hills Christmas“ (2015). Für medienwirksames Aufsehen hatte sie hingegen wegen ihrer Robe bei der Oscar-Gala des Vorjahres gesorgt. Sie hatte da wohl vergessen, ihre Unterhose anzuziehen, und gab wegen ihres freizügigen Kleides ständig „unabsichtlich“ den Blick frei auf ihre Intimregion. Warum sie nun zur Globes-Gala in Rot kam, begründete sie nicht weiter.

Portmans „all male category“

Unterdessen legte Natalie Portman den Finger auf eine Wunde, die schon bei der Präsentation der Nominiertenliste vor einigen Wochen offensichtlich geworden war. Sie stellte dem Galapublikum die „komplett männliche“ Liste („all male category“) der Nominierten in der Kategorie „Beste Regie“ vor. In zahlreichen anderen Kategorien räumten Filme ab, bei denen Frauen maßgebliche Rollen sowohl hinter als auch vor der Kamera spielen.

Auch die Auszeichnung für den besten Film ging mit „Lady Bird“ an einen Film, bei dem eine Frau Regie geführt und das Drehbuch geschrieben hatte: Greta Gerwig. In der Regie-Kategorie war sie nicht einmal nominiert. Den Preis holte schließlich Guillermo del Toro für seinen Film „The Shape of Water“, in dem sich eine Frau in ein Wassermonster verliebt.

Shitstorm über Justin Timberlake

Der Buhmann des Abends war schließlich ein Mann - und zwar nicht Produzent Harvey Weinstein, sondern Sänger und Schauspieler Justin Timberlake. Er postete ein Foto von sich und seiner Frau, er mit „Time’s Up“-Anstecker, beide schwarz gekleidet. Sein Text dazu: „Here we come!! And DAMN, my wife is hot!“ Es ist grundsätzlich nett, dass er seine Frau scharf findet. Aber nicht jeder konnte nachvollziehen, warum er das just an jenem Abend der Welt kundtat, an dem Hollywood aufzeigen wollte, dass Frauen keine Sexobjekte sind.

Ein Shitstorm auf Social Media war ihm sicher. Viele User erinnerten außerdem daran, dass Timberlake dereinst bei einem gemeinsamen Auftritt in der Pause der Super Bowl seiner Bühnenpartnerin Janet Jackson das Korsett samt Büstenhalter heruntergerissen hatte („Belästigung“). Und schließlich noch ein Vorwurf: Viele User griffen Timberlake an, weil er im aktuellen Film von Woody Allen („Wonder Wheel“) mitspielt. Der Regisseur gilt als Täter im „#MeToo“-Zusammenhang.

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