Studie sieht mehrere „Schlüsseltrends“
Vor zwei Wochen hat für die Pkw-Hersteller die Messesaison begonnen, erst in Wien, dann - eine Nummer größer - mit der North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit. Antriebstechnologie, speziell E-Mobilität und autonomes Fahren, sind nur einige der aktuell großen Themen. Ein weiteres ist das Geschäftsmodell Auto und dessen Zukunft an sich.
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Mit der Frage, wohin die Reise für die Hersteller und den Handel mittelfristig geht, hat sich das Beratungsunternehmen KPMG International in einer Branchenstudie befasst. Deren Ergebnisse finden sich aktuell in der „Global Automotive Executive Survey 2018“.
Laut der Erhebung steht der gesamte Wirtschaftszweig in den nächsten Jahren vor einem kompletten Umbruch. Der Verdrängungswettbewerb dürfte noch größer werden, die Bedeutung des eigenen Pkw abnehmen, das Thema Daten und der Umgang damit dafür umso wichtiger werden. Vielleicht, heißt es in der Studie, verdienten Autohersteller in Zukunft das meiste Geld gar nicht mehr primär durch den Verkauf.
„Alte“ Produktionsstandorte verlieren an Bedeutung
Die Fahrzeugindustrie sei mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen, Veränderungen und „weißen Flecken“ auf der Landkarte konfrontiert, heißt es einleitend in der Umfrage 2018. Mehr als die Hälfte der Entscheidungsträger der Branche weltweit vermuteten etwa, dass die Zahl der Autohändler schon in den nächsten Jahren (bis 2025) um 30 bis 50 Prozent sinken werde.

APA/AFP/Saul Loeb
Die Auto Show in Detroit öffnet kommende Woche ihre Türen
Westeuropa als Produktionsstandort mit einem aktuellen Anteil von laut KPMG 16 Prozent werde an Bedeutung verlieren. 2030 dürfte nur noch jeder 20. Pkw hier vom Fließband laufen, meinen knapp drei Viertel der Befragten. Das Consultingunternehmen hat für die Erhebung weltweit rund 1.000 Führungskräfte der Automobilbranche und etwa 2.500 Kundinnen und Kunden befragt.
Großer E-Boom lässt auf sich warten
KPMG hat einige „Schlüsseltrends“ für die kommenden Jahre ausgemacht. So dürften etwa Brennstoffzellen eine entscheidende Rolle für die Antriebstechnologie spielen, noch vor dem „reinen“ E-Antrieb mittels Akku. Mittelfristig werde es unterschiedliche Antriebstechnologien nebeneinander geben. Zu den aktuellen Größenverhältnissen: In Österreich wurden im ersten Halbjahr 2017 laut Statistik Austria insgesamt 243.233 Fahrzeuge zugelassen, darunter 7.828 mit alternativem Antrieb (Elektro, Gas, Hybrid, Brennstoffzelle).
„Reine“ E-Fahrzeuge waren es 3.571, wobei die meisten davon immer noch von Unternehmen und Kommunen angemeldet werden. Der Anteil der Fahrzeuge mit alternativem bzw. E-Antrieb ist deutlich (um 63,2 bzw. 42,6 Prozent) gestiegen, macht insgesamt aber nur einen Anteil von 3,2 bzw. 1,5 Prozent an den Gesamtzulassungen aus. Seit März des Vorjahres wird die Anschaffung (befristet) mit bis zu 4.000 Euro Zuschuss gefördert.
Hat der Diesel Zukunft?
„Die weltweite Autoproduktion wird noch vor Ende des Jahrzehnts die 100-Millionen-Marke knacken. In über 700 Fabriken werden heute rund 3.000 verschiedene Modelle produziert, von denen nur zwei Prozent reine Elektrofahrzeuge sind“, so Klaus Mittermair, Spartenchef Automotive bei KPMG in Österreich, in einer Presseaussendung am Freitag. In absehbarer Zeit würden weiterhin die unterschiedlichen Antriebe nebeneinander existieren. Beim Diesel spalten sich die Meinungen: Die Hälfte der Führungskräfte geht laut KPMG Studie davon aus, dass dieser auch zukünftig eine Option sein wird.
Woher Innovation kommt
Ähnlich einig sind sich die Branchenvertreter darin, dass vor allem China, die USA und Deutschland die regionalen Motoren der Innovation sein werden. Ein weiterer „Schlüsseltrend“ laut KPMG: Die optimale Nutzung von Ressourcen wird ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein. Stichwort Wettbewerb: Dieser dürfte mittelfristig noch härter werden, als er ohnehin schon ist.
„Autohersteller werden an Fusionen und Kooperationen nicht vorbeikommen, wenn sie den Kampf mit den großen Technologiekonzernen um die Vorherrschaft im ‚Ökosystem Auto‘ nicht verlieren wollen“, so Mittermaier zu einem zentralen Fazit der Studie, die bereits zum 19. Mal durchgeführt wurde. Die 50 größten Automobilhersteller gemeinsam erreichten nur noch 20 Prozent der Marktkapitalisierung der 15 größten Technologieunternehmen. Im Jahr 2010 seien es noch 40 Prozent gewesen, heißt es in der Presseaussendung.
Die Faktoren Service und Daten
Durchaus interessant sind die Erwartungen für den Handel mit Gebrauchtfahrzeugen. Hier zeige sich eine deutliche Mehrheit (80 Prozent der befragten Führungskräfte) davon überzeugt, dass die Strategie für Händler in Richtung großer Gebrauchtwagenstützpunkte und Servicestandorte gehen muss, um auf dem Markt zu überleben.
Gleichfalls 80 Prozent der Entscheidungsträger der Branche sind der Meinung, dass die Verwertung der Fahrzeug- und Fahrerdaten künftig den Hauptbestandteil des Geschäftsmodells der Autobranche ausmachen wird. Entscheidend dabei ist das Thema Datensicherheit: 85 Prozent der Führungskräfte und drei von vier Kunden sind überzeugt, dass Daten- und Cybersicherheit künftig Voraussetzung für den Kauf eines Autos sein werden.
„Mobi-Listik“: Die Grenzen verschwimmen
Mobilität wird sich laut der Studie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten grundlegend verändern. Durch autonomes Fahren, Sharing-Modelle und plattformbasierte Lieferdienste wird es zu einer Verschmelzung von Mobilität und Logistik kommen. „Mobi-Listik“ laute das Schlagwort der Zukunft. Auf das eigene Auto - vor allem auch als Statussymbol - werde immer weniger Wert gelegt.
Carsharing gewinnt an Bedeutung, eine Mehrheit wäre sogar bereit, auf ein eigenes Fahrzeug zu verzichten, wenn Sharing-Modelle flächendeckend ausgebaut würden. Beinahe die Hälfte der Befragten (43 Prozent) zeigte sich überzeugt, dass 50 Prozent der Autobesitzer schon 2025 kein eigenes Fahrzeug mehr haben werden.
Start in das Autojahr 2018 in Wien und Detroit
In der „Motorcity“ Detroit im US-Bundesstaat Michigan zeigen ab Ende kommender Woche nicht nur die „Big Three“ Ford, General Motors (GM) und Chrysler ihre neuesten Modelle, sondern auch zahlreiche Hersteller aus Europa und Asien. Dazu kommen Zulieferer, Technologiefirmen und Forschungseinrichtungen. Zuvor findet von Donnerstag bis Sonntag die Vienna Auto Show statt. Zu sehen sind in der Messe Wien laut Veranstalter an die 400 Modelle von 40 Herstellern von Abarth bis Volkswagen.
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