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Lösung am Verhandlungstisch verpasst

Der Konflikt um das nordkoreanische Raketen- und Atomprogramm gehört zu den weltweit brisantesten Krisen. Die wichtigsten Akteure Nordkorea, Südkorea, Japan, die USA, China und Russland versuchten bis 2009 in Sechsparteiengesprächen eine Lösung zu finden - vergeblich.

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Nordkorea: Seit 2011 ist Kim Jong Un an der Macht und sieht in der Entwicklung von Atomwaffen und Raketen eine Überlebensgarantie für sich und sein Regime. Hatte sich sein 2011 verstorbener Vater und Vorgänger Kim Jong Il anfangs noch auf Verhandlungen eingelassen, lehnt Kim Jong Un das bisher ab. Der stark abgeschottete stalinistische Staat sieht sich von den USA und Südkorea bedroht. Mit dem äußeren Feind rechtfertigt Kim sein repressives System und erklärt Armut und Hunger im Land.

Bei einer der jüngsten verbalen Eskalationen im Konflikt zwischen der Regierung in Pjöngjang und US-Präsident Donald Trump haben sich nordkoreanische Spitzenvertreter einer für sie typischen, harschen Rhetorik bedient. Die Zentrale Nordkoreanische Nachrichtenagentur (KCNA) zitierte Diktator Kim mit den Worten: „Ich werde den geisteskranken, dementen US-Greis gewiss und auf jeden Fall mit Feuer bändigen.“ Mit seinen Provokationen in Form verbotener Atom- und Raketentests sowie drastischen Wortmeldungen erzürnt Kim selbst den großen Nachbarn und einstigen Verbündeten China.

Südkorea: Das demokratische Südkorea schwankt zwischen Aussöhnung mit dem Norden und einer harten Linie. Da der Ballungsraum Seoul mit 25 Millionen Menschen nur 50 Kilometer von der Grenze entfernt in Reichweite der nordkoreanischen Artilleriebatterien liegt, wäre ein Krieg auch ohne Einsatz von Atomwaffen verheerend für Südkorea. Das Bündnis mit der Atomsupermacht USA, die 28.500 Soldaten in Südkorea stationiert hat, soll das nuklear und konventionell hochgerüstete Nordkorea abschrecken. Außerdem möchte Seoul seine eigenen Raketen perfektionieren. Gleichzeitig versucht Präsident Moon Jae In, über Dialog mit dem Norden die Spannungen abzubauen.

Seoul befürwortet die UNO-Sanktionen gegen Pjöngjang. Südkorea strebe ein friedliches Nebeneinander mit seinem Nachbar Nordkorea an, sagte Moon jüngst vor der UNO-Vollversammlung in New York: „Wir wünschen keinen Kollaps Nordkoreas.“ Südkorea strebe auch keine Wiedervereinigung mit dem kommunistisch regierten Staat durch „künstliche Mittel“ oder durch „Verschlucken“ an. Nordkorea müsse aber „sofort aufhören, leichtsinnige Entscheidungen zu treffen, die zur eigenen Isolation und zum Untergang führen könnten“.

Japan: Wie Südkorea ist Japan mit den USA militärisch verbündet und sieht Nordkorea als große Bedrohung. Mehrmals flogen nordkoreanische Raketen bei Tests bis in japanische Gewässer oder über Japan hinweg. Mit Raketenabwehrsystemen will sich Japan schützen. Zudem nimmt der rechtskonservative Ministerpräsident Shinzo Abe Nordkorea zum Anlass, um von der seit den US-Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki und der Niederlage im Zweiten Weltkrieg rein defensiven Militärdoktrin des Landes abzurücken. Für Abe ist Nordkorea eine „ernste Bedrohung ohne Beispiel“. Nordkorea müsse dazu gebracht werden, sein Nuklear- und Raketenprogramm komplett und überprüfbar aufzugeben. Wie die USA sieht auch Japan „alle Optionen auf dem Tisch“. „Was gebraucht wird, ist nicht Dialog, sondern Druck“, so Abe.

Japan war ein Teilnehmer an den 2009 gescheiterten Sechsparteiengesprächen mit Nordkorea, USA, China, Südkorea und Russland, die eine Beseitigung der Atomwaffen zum Ziel hatten.

USA: Nordkorea stellt die USA als Ursache allen Übels dar und droht der Weltmacht offen mit Atomangriffen. Als erster US-Präsident erklärte Trump die „strategische Geduld“ mit Nordkorea für beendet und drohte ganz in der Manier Nordkoreas ebenfalls offen Militärschläge zur völligen Zerstörung Nordkoreas an, was aber folgenlos blieb. „Wenn (die USA) gezwungen sind, sich selbst oder ihre Verbündeten zu verteidigen, dann haben wir keine Wahl, als Nordkorea total zu zerstören“, sagte Trump. Diktator Kim nannte er einen „Raketenmann auf einer Selbstmordmission“.

Daneben bemühen sich die USA weiterhin, Nordkorea politisch und wirtschaftlich unter Druck zu setzen und dafür stärker Nordkoreas Nachbarn China und Russland zu gewinnen. Pjöngjang soll der Zugang zu Devisen genommen werden. Geldströme in Richtung Pjöngjang, mit denen das Atom- und Raketenprogramm finanziert werden, sollen eingedämmt werden. Washington macht auch Druck auf Länder, die Gastarbeiter aus Nordkorea beschäftigen.

China: China hat im Koreakrieg (1950 - 1953) an der Seite Nordkoreas gegen Südkorea und die USA gekämpft, aber die Waffenbruderschaft ist längst Vergangenheit. Nie war das Verhältnis zu Pjöngjang so schlecht wie heute. China versucht, Nordkorea und die USA zu Verhandlungen zu bewegen. Rund 90 Prozent des nordkoreanischen Handels fließen über China, das die UNO-Sanktionen mitträgt, aber den Schmuggel nicht völlig im Griff hat und auch einen Kollaps des Nachbarn fürchtet.

Es wird befürchtet, dass wie bei einem Krieg Millionen Flüchtlinge über die Grenze strömen könnten. Sollte ein Zusammenbruch Nordkoreas zur Wiedervereinigung mit Südkorea führen, könnten US-Truppen an Chinas Grenze stehen. So bevorzugt China den Status quo. China setze sich weiter für eine von Atomwaffen befreite Koreanische Halbinsel ein und fordere alle Beteiligten auf, dazu konstruktiv beizutragen. Der einzige Weg zu diesem Ziel sei politischer Dialog, sagte der chinesische Außenminister Wang Yi kürzlich.

Russland: Knapp 20 Kilometer gemeinsame Grenze machen Russland und Nordkorea zu Nachbarn, eine Bahnlinie verbindet beide Länder. Moskau verurteilt die nukleare Aufrüstung Pjöngjangs und trägt die Sanktionen der UNO mit. Doch die UNO-Vetomacht lehnt jedwede gewaltsame Lösung des Konflikts ab und fordert Gespräche der USA mit Nordkorea. Moskau ist auch das US-Militär in Südkorea ein Dorn im Auge, das mit dem Ausbau seiner Raketenabwehr gegen Nordkorea die strategische Position Russlands schwächt. Auf die brutale Diktatur in Nordkorea wirkt Moskau nicht ein, es gibt eher eine alte Anhänglichkeit an den kommunistischen Nachbarn. „Nordkorea ist das aus Zeit und Raum gefallene Kind des Stalinismus“, beschrieb die Zeitung „Kommersant“ das Phänomen.

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