„Immer neue Vorschriften“
Der mit Jahresende scheidende Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Gerhart Holzinger, hat sich im Interview mit dem „Standard“ (Donnerstag-Ausgabe) kritisch zu den Verschärfungen in der Asylgesetzgebung und auch bei dem Vorhaben der Regierung zur Mindestsicherung geäußert.
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Bei Asyl und Migration gebe es ein „stakkatoartiges Aufeinanderfolgenlassen von Novellen“. Das könne nicht funktionieren, weil „der Apparat, der diese Gesetze vollziehen soll, im Monats- oder Halbjahrestakt mit immer neuen Vorschriften konfrontiert ist“.
„Probleme werden wieder auftauchen“
Neue Gesetze sollten wohl den Eindruck vermitteln, dass Probleme gelöst werden - doch nach einiger Zeit würden die Probleme auch wieder auftauchen. Holzinger kritisiert auch, dass nach den Plänen der neuen Regierung der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in Asylsachen nicht mehr angerufen werden kann. In anderen Rechtsgebieten sei das möglich. Eine ähnliche Regelung habe zwischen 2008 und 2014 zu „einem dramatischen Anstieg der Fälle“, die beim VfGH landen, geführt.
In der ZIB2 nahm Holzinger zudem zum gekippten Rauchverbot und der aufgehobenen Bundespräsidentenstichwahl im Vorjahr Stellung.
In Sachen Einschränkungen bei der Mindestsicherung verweist Holzinger darauf, dass Fälle aus drei Bundesländern – Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg – derzeit beim VfGH anhängig sind. Und er geht davon aus, dass auch im Zuge der Neuregelungen der VfGH angerufen wird.
Kritik auch von VwGH
Der VwGH hatte die Regierungsvorhaben in Sachen Asyl bereits kurz vor Weihnachten vehement kritisiert. Kritik im Namen des Gerichtshofs ist eher ungewöhnlich, umso schwerer wiegt der Einwand des Höchstgerichts.
Die neue ÖVP-FPÖ-Regierung plant, zur Effizienzsteigerung von Asylverfahren den Ausschluss eines Rechtsmittels - der außerordentlichen Revision an den VwGH. „Würde die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen, bliebe als einzige höchstgerichtliche Instanz zur Überprüfung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts der Verfassungsgerichtshof“, mahnte der VwGH nun. Die Pläne würden die 2012 beschlossene Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit konterkarieren und wären ein „Rückschritt in einem menschenrechtlich besonders sensiblen Bereich“, hieß es in der Aussendung weiter.
Warnung vor Verschiebung der Verfahren
Es wäre in diesem Fall mit einer weiteren Steigerung der Beschwerden in Asylangelegenheiten an den VfGH zu rechnen, womit es im Ergebnis lediglich zu einer Verschiebung von Verfahren vom VwGH zum VfGH kommen würde, heißt es in der Pressemitteilung. Zudem dauerten die Verfahren vor dem VwGH im Schnitt nur eineinhalb Monate, es käme also zu keiner „nennenswerten Verfahrensbeschleunigung“.
Laut VwGH sind mehr als 90 Prozent der Asylverfahren vor dem höchsten Verwaltungsgericht außerordentliche Revisionen. „Ein Ausschluss dieser Revisionsmöglichkeit bedeutet praktisch einen völligen Ausschluss der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes in Asylsachen“, so die Warnung der Richter. Die Anrufbarkeit des VwGH stelle die Einhaltung menschenrechtlicher Garantien sicher und sorge für eine Rechtsprechung nach einheitlichen Grundsätzen. Sowohl Asylwerber als auch Asylbehörden hätten Revision eingelegt, so der VwGH.
Die geplanten Verschärfungen
Das Regierungsprogramm enthält etliche Verschärfungen im Asylrecht, das grundsätzlich neu kodifiziert werden soll. Wesentliche Änderungen gibt es bei der Grundversorgung. Eingerichtet werden soll eine Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, die eine nicht auf Gewinn ausgerichtete Betreuung sicherstellen und auch gleich „unabhängige und objektive Rechtsberatung“ bieten soll.

APA/Herbert Neubauer
„Zusammen. Für unser Österreich“ lautet der Titel des Regierungsprogramms
Individuelle Unterbringung für Asylwerber soll künftig nicht mehr möglich sein, zudem werden ausschließlich Sachleistungen zur Verfügung gestellt. Bei Antragsstellung wird den Asylsuchenden ihr Bargeld abgenommen zur Deckung der Grundversorgungskosten. Verkürzt werden sollen im Verfahren die Beschwerdefristen. Wenn eine positive Feststellung von Identitäten nicht möglich ist, kommt es zu einer negativen Feststellung.
Asylanträge stark zurückgegangen
Die Asylanträge in Österreich gehen weiter stark zurück. Bis Ende November wurden knapp 19.000 Menschen zum Verfahren in Österreich zugelassen, im Vorjahr waren es noch fast 40.000. Das berichtete das Ö1-Morgenjournal am Mittwoch - Audio dazu in oe1.ORF.at.
Die höchste Chance, Asyl zu bekommen, haben Menschen aus Syrien: Neunzig Prozent der Antragsteller dürfen bleiben. Bei Menschen aus Afghanistan sind es nur knapp die Hälfte.
Aus den vergangenen Jahren sind noch Tausende Fälle offen, die Behörden holen jedoch langsam auf. 28.000 Asylverfahren wurden dieses Jahr entschieden. Laut dem Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, gibt es momentan 35.000 laufende Verfahren in der ersten Instanz. Das Innenministerium machte keine Angaben dazu, wie lange es für eine Entscheidung benötigt - im Vorjahr dauerte ein Verfahren im Schnitt neun Monate.
Rückgang auch bei unbegleiteten Minderjährigen
Stark zurückgegangen sind heuer auch die Ansuchen von unbegleiteten Minderjährigen. Wurden im Vorjahr bis inklusive November von dieser besonders verwundbaren Gruppe 4.315 Asylanträge eingebracht, waren es heuer im gleichen Zeitraum 1.661.
Humanitäre Aufenthaltstitel, die etwa bei besonders guter Integration gewährt werden können, erhielten 1.385 Personen. Hier stellten Russen die größte Gruppe, gefolgt von Serben.
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