Fischen nur mit slowenischer Lizenz
Der größte Teil der Adria-Bucht von Piran gehört Slowenien, Kroatien bekommt den Berggipfel Trdinov vrh (Sveta Gera). So lautet die Entscheidung eines Schiedsgerichts zur Festlegung von Landes- und Seegrenzen vom Juni dieses Jahres. Am Freitag läuft die Frist aus, in der sich die Länder auf die Umsetzung des internationalen Spruchs vorbereiten sollten. Slowenien möchte nun handeln, Kroatien nicht.
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Ab Samstag, also am Tag nach dem Ablauf der sechsmonatigen Frist, soll Slowenien Medienberichten zufolge den neu festgelegten Grenzverlauf in die Praxis umsetzen. Die Polizei werde die Kontrolle über „unser Meer“ übernehmen, kündigte der slowenische Regierungschef Miro Cerar an. Seine Regierung traf in der vergangenen Woche bereits Vorkehrungen und verabschiedete weitere notwendige Rechtsvorschriften, um die Jurisdiktion über das zugesprochene Territorium zu übernehmen.

Grafik: ORF.at; Quelle: APA
Für Kroatien wird der 29. Dezember hingegen „ein Tag wie jeder andere“ sein, bekräftigte der kroatische Regierungschef Andrej Plenkovic vergangene Woche. Zagreb pocht auf eine bilaterale Lösung des seit mehr als 25-jährigen Grenzstreits und beansprucht die Hälfte der Bucht. Das Land war bereits 2015 wegen einer Affäre um illegale Absprachen durch slowenische Richter aus dem Schiedsverfahren ausgestiegen und sieht das Urteil vom 29. Juni 2017 als „null und nichtig“ an.
Slowenien wird Sanktionen verhängen
Am sichtbarsten wird die neue Grenzziehung in der nördlichen Adria sein, wo Slowenien den Großteil der Bucht von Piran in Besitz nehmen wird. Dem Land wurden 80 Prozent der Bucht und ein Korridor zu den internationalen Gewässern eingeräumt. Die Seegrenze in der Adria-Bucht, die im ehemaligen Jugoslawien überhaupt nicht festgelegt war, ist aus Sicht von Ljubljana mit dem Schiedsspruch zweifellos fixiert.
Deshalb will Slowenien nun in seinem Teil der Adria-Bucht seine Staatsgewalt ausüben. So werden kroatische Fischer für den gewerblichen Fischfang in „slowenischen Hoheitsgewässern“ künftig slowenische Lizenzen brauchen. Beim Verstoß werden slowenische Behörden Geldstrafen und Sanktionen verhängen, die im Einklang mit der gemeinsamen EU-Fischereipolitik festgelegt wurden. Im vergangenen halben Jahr soll die Regierung in Ljubljana mehr als 1.000 Zwischenfälle mit kroatischen Fischer- oder Polizeibooten in den slowenischen Gewässern verzeichnet haben.

Reuters/Antonio Bronic
Die Bucht von Piran gilt als der größte Zankapfel im Grenzstreit zwischen Kroatien und Slowenien
Sloweniens Premier Cerar versicherte aber mehrmals, keine Zwischenfälle mit dem Nachbarland auszulösen. Trotzdem könnte es für Zagreb schlimmer kommen. Denn Slowenien hat bereits angekündigt, den kroatischen Beitritt zum visafreien Schengen-Raum ebenso zu blockieren wie zur Euro-Zone. „Ein Land, das nicht weiß, wo die Grenze zwischen zwei Ländern verläuft, kann nicht zum Schengen-Raum gehören“, sagte der slowenische Außenminister Karl Erjavec im Dezember.
Kroatien gegen einseitige Handlungen Sloweniens
Kroatien rief Slowenien in einer diplomatischen Note indes dazu auf, keine „einseitige Handlungen“ bezüglich der Grenze zu unternehmen. Die slowenischen Behörden wurden zu „Zurückhaltung und Vorbeugung von Zwischenfällen“ aufgerufen, teilte das kroatische Außenministerium auf seiner Website mit. „Einseitige Maßnahmen, mit denen man versuchen würde, die Situation an Ort und Stelle zum Schaden Kroatiens zu ändern, sind inakzeptabel“, hieß es weiter.
Slowenien wurde aufgefordert, an friedlichen Lösungen offener Fragen festzuhalten. Dazu mahnte Zagreb, dass „Maßnahmen, die Gewaltdrohungen oder Anwendung von Gewalt enthalten würden“, gegen das internationale Recht verstoßen würden.
Familien auf Staatskosten umsiedeln
An der 380 Kilometer langen Landgrenze mit Kroatien ist die Situation noch komplexer. Während die Seegrenze mit konkreten Koordinaten fixiert wurde, wurde der Verlauf am Land nur beschreibend festgelegt. Ausschlaggebend wurden dabei meist die bestehenden Katastergrenzen. Ljubljana hat den Grenzverlauf zwar auf neuen Landkarten eingezeichnet, doch in der Natur muss die Grenzziehung noch vollzogen werden. Laut internationalem Recht müssen daran beide Länder teilnehmen.
In einigen strittigen Punkten am Land profitierte Kroatien von den Verschiebungen. So erhielt Kroatien den strategisch bedeutenden Berg Trdinov vrh (kroatisch: Sveta Gera) im Südosten Sloweniens, wo sich ein Militärobjekt der slowenischen Armee befindet. Die Regierung in Ljubljana hat für seine Staatsbürger, die nach dem neuen Grenzverlauf auf kroatischer Seite bleiben werden, bereits Vorkehrungen getroffen. Mit finanzieller Unterstützung des Staates können sie auf die slowenische Seite der Grenze umsiedeln.

Reuters/Srdjan Zivulovic
Auf Sveta Gera befindet sich auch ein Sendeturm des slowenischen Rundfunks
Warum Kroatien so unbeweglich in der Grenzfrage ist, obwohl das Land allein auf dem Festland knapp 1.800 Kilometer Küste und Slowenien nur 47 Kilometer besitzt, erklären Beobachter mit einem tiefen nationalen Trauma durch den Bürgerkrieg zwischen 1991 und 1995. Damals hatte die serbische Minderheit, die etwa zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung stellte, mehr als ein Drittel des Landes abgespalten. Seitdem gilt das Mantra: „Kein Zentimeter kroatischen Bodens darf aufgegeben werden.“
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