Im Ruhestand - aber weiter aktiv
Er steht auf der Teepackung, dem Luxushotel, dem Starbucks-Cafe und der Kabel-TV-Box - der Name Tata ist in Indien allgegenwärtig. Dass er inzwischen auch im Ausland einen Klang hat, dafür hat Ratan Tata gesorgt. Er übernahm 1991 als Vorstandsvorsitzender die Tata Group - damals schon das größte Privatunternehmen des Landes - von seinem Onkel und internationalisierte sie.
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Am Donnerstag wird Ratan Tata 80 Jahre alt. Als Vorsitzender des Konglomerats ist er im Ruhestand. Als Firmenpatriarch und Chef der Tata-Stiftungen gibt er aber immer noch die Richtung vor und schaltet sich gelegentlich ein. So etwa bei der geplanten Fusion von Tatas europäischem Stahlgeschäft mit dem des deutschen Konkurrenten Thyssenkrupp. Sein Gespräch mit dem Chef des Essener Unternehmens, Heinrich Hiesinger, sorgte vor wenigen Monaten für den Durchbruch in den Verhandlungen.
„Unternehmensphilosophie deutlich gemacht“
Ende 2012, zu seinem 75. Geburtstag, war Tata nach zwei Jahrzehnten an der Spitze von Tata Sons, der Muttergesellschaft des 149 Jahre alten Firmenimperiums, zurückgetreten. Im Oktober 2016 übernahm er den Posten nach der überraschenden Entlassung seines Nachfolgers Cyrus Mistry jedoch wieder. Mistry war der erste Manager an der Spitze der Tata Group, der kein Mitglied der Tata-Familie war. Nach einem monatelangen öffentlichen Führungsstreit gibt es seit Februar 2017 einen neuen Nachfolger: Natarajan Chandrasekaran.
„Cyrus Mistry wollte die Aktiva von Tata Steel Europe verkaufen, was zu Jobverlusten in großem Umfang hätte führen können“, erzählte Subhash Narayan, Leiter des Hauptstadtbüros der indischen Tageszeitung „Financial Chronicle“. Eine der ersten Amtshandlungen von Chandrasekaran sei es gewesen, die Gespräche mit Thyssenkrupp wiederzubeleben. Das habe dem Willen von Ratan Tata entsprochen. „Insider sagen, dass er dem neuen Vorsitzenden freie Hand lasse, ihm aber die Unternehmensphilosophie deutlich gemacht habe“, sagte Narayan.
Fast 700.000 Mitarbeiter
Die Tata Group besteht nach eigenen Angaben aus mehr als 100 Unternehmen mit insgesamt fast 700.000 Mitarbeitern und ist in mehr als 100 Ländern aktiv. Die Firmen stellen Konsumgüter her, bieten IT-Dienstleistungen, liefern Strom, bearbeiten Chemikalien. 29 von ihnen sind börsennotiert und kommen zusammen auf einen Börsenwert von rund 130 Milliarden US-Dollar (knapp 110 Milliarden Euro). Bei Stahl, Autos und Tee spielt Tata weltweit ganz oben mit.
Misserfolge hat es auch gegeben - etwa den Bau des billigsten Autos der Welt, des Tata Nano. Der Miniwagen war eine Herzensangelegenheit von Ratan Tata, verkaufte sich aber schlecht. Unter ihm eignete sich das Konglomerat auch für Milliardensummen ausländische Firmen an, darunter die britischen Nobelautomarken Jaguar und Land Rover sowie der britisch-niederländische Stahlkonzern Corus Group.
„Das war keine so tolle Idee“
Letzterer Einkauf, 2007 während eines Stahlbooms für umgerechnet rund 8,5 Milliarden Euro, stellte sich als verlustreich heraus. „Das war keine so tolle Idee“, meint A. S. Firoz, Chefökonom einer Forschungsgruppe des indischen Stahlministeriums. Tata habe viel verkaufen und umstrukturieren müssen. „Dass sie damit schon in Europa vertreten waren, hat aber gute Voraussetzungen für die Verhandlungen mit Thyssenkrupp geschaffen.“ Die frühere Corus Group heißt heute Tata Steel Europe und soll nun ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Stahlsparte von Thyssenkrupp bilden.
Deutschland: Furcht vor Personalabbau
In Indien ist Tata nicht nur als der erste Weltkonzern des Landes bekannt, sondern auch für seine ethischen Werte. Die Mission des Konglomerats lautet, „die Lebensqualität in den Gemeinden, die wir weltweit bedienen, zu verbessern“. Tata Sons gehört zu rund zwei Dritteln Stiftungen. Ratan Tata hält weniger als ein Prozent der Aktien. Im Gegensatz zu anderen indischen Unternehmern taucht er nicht in den „Forbes“-Listen der reichsten Menschen auf. Sein Auftreten ist schlicht und zurückhaltend, und er lebt relativ bescheiden in einer Wohnung in Mumbai.
Auf einen indischen Riesen mit ethischen Werten werden nun auch die Beschäftigten der Stahlsparte von Thyssenkrupp hoffen. Diese befürchten durch die Fusion den Abbau von mehr als den vom Unternehmen angekündigten 2.000 Jobs. Zuletzt konnten sie bereits aufatmen: Der Konzern verständigte sich mit den Arbeitnehmern auf Standort- und Beschäftigungssicherungen.
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