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„Mitreißende Handlungen“

Wie schon vor drei und sechs Jahren hat das US-Magazin „Time“ heuer nicht eine einzelne Persönlichkeit zur Person des Jahres gekürt. Die Auszeichnung erging vielmehr an alle Frauen - und auch Männer - hinter der „#MeToo“-Bewegung. „The Silence Breakers“ (Menschen, die das Schweigen gebrochen haben) stand Anfang Dezember auf der Titelseite der Ausgabe.

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Zu sehen waren auf dem Cover die Schauspielerin Ashley Judd, Sängerin Taylor Swift, die Softwareentwicklerin Susan Fowler, die Aktivistin Taran Burke und die ehemalige Tellerwäscherin Sandra Pezqueda. Judd hatte gemeinsam mit anderen Frauen die Affäre um US-Filmproduzent Harvey Weinstein losgetreten, dem sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden. Swift hatte erfolgreich einen Radiomoderator geklagt, der ihr an den Po gegriffen hatte. Fowler hatte eine Unternehmenskultur voller Sexismus beim Fahrdienstvermittler Uber beschrieben, die Firmenchef Travis Kalanick schließlich aus dem Amt trieb.

„Eine der schnellsten Veränderungen“

„Die mitreißenden Handlungen der Frauen auf unserer Titelseite gemeinsam mit Hunderten anderen sowie vielen Männern haben eine der schnellsten Veränderungen in unserer Kultur seit den 1960er Jahren freigesetzt“, teilte Chefredakteur Edward Felsenthal zur Entscheidung der Redaktion mit.

Im Internet hatten sich die vom „Time“-Magazin gewürdigten Frauen und Männer unter dem Hashtag „#MeToo“ zusammengeschlossen. Weltweit schlossen sich Millionen Frauen der Internetaktion gegen sexuelle Übergriffe an. Viele von ihnen berichteten über sexuelle Belästigung und Vergewaltigungen. Angestoßen wurde die Kampagne von der US-Schauspielerin Alyssa Milano im Kurzbotschaftendienst Twitter als Reaktion auf die Missbrauchsvorwürfe gegen Weinstein.

Seit Anfang Oktober wurden so Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe gegen namhafte Schauspieler, Politiker, Journalisten und andere Männer bekannt, darunter Schauspieler Kevin Spacey, Moderator Charlie Rose, Comedian Louis C. K. und Senator Al Franken. Auch in Österreich entfachte die Bewegung eine weitreichende Debatte über sexuelle Gewalt und Übergriffe, die zuletzt auch den heimischen Skiverband erreichten.

Im Vorjahr Trump ausgezeichnet

Zuletzt hatte das Magazin 2014 nicht eine einzelne Person, sondern eine Gruppe mit dem Titel ausgezeichnet. Damals wurden die Ärztinnen und Pfleger im Kampf gegen Ebola ausgezeichnet. Drei Jahre zuvor ging die Auszeichnung an „The Protester“ (der Demonstrant/die Demonstrantin). In den vergangenen zwei Jahren fielen die Entscheidungen des Magazins aber wieder konservativer aus. 2016 erging die Auszeichnung an den - damals noch designierten - US-Präsidenten Donald Trump, im Jahr davor an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.

Trump findet sich auch heuer auf einem „Stockerplatz“. Er kam in der Auswahlliste auf Platz zwei. Dahinter folgen Chinas Präsident Xi Jinping und FBI-Sonderermittler Robert Mueller, der eine mögliche russische Beeinflussung der US-Wahl 2016 untersucht. Auf Platz fünf landete Nordkoreas Führer Kim Jong Un, gefolgt von Football-Spieler Colin Kaepernick, der mit kniendem Protest während der US-Hymne eine Bewegung auslöste. Platz sechs der Shortlist ging an „Wonder Woman“-Regisseurin Patty Jenkins.

Die „Time“-Redaktion würdigt seit 1927 die einflussreichsten Persönlichkeiten des Weltgeschehens. Nicht immer muss das aber einer positiven Wertung gleichkommen. 1938 wurde etwa Adolf Hitler zur Person des Jahres gewählt.

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