Die nie gekrönte „Kaiserin“
Im Alter von nur 23 Jahren hat Maria Theresia 1740 die Macht im Habsburger-Reich übernommen. Dass sie sich vier Jahrzehnte als Regentin halten konnte, hätten ihr anfangs nur wenige zugetraut. Ihre Unerfahrenheit als Staatenlenkerin machte sie mit Engagement und strategischem Geschick wett. Wie keine zweite Herrscherin ihrer Zeit changierte sie gekonnt zwischen ihren Rollen als „Kaiserin“, Frau und 16-fache Mutter.
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Maria Theresia wurde am 13. Mai 1717 in der Wiener Hofburg als älteste von drei Töchtern von Kaiser Karl VI. und Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel geboren. Karl VI. hatte mit der „Pragmatischen Sanktion“ schon 1713 die Voraussetzung dafür geschaffen, dass ihm auch eine weibliche Nachfahrin in die Regierungsverantwortung folgen konnte. Auf die Erziehung und Ausbildung hatte das allerdings keine Auswirkungen: Maria Theresia wurde in Fremdsprachen, Geschichte und Kunst unterwiesen und zur frommen Katholikin erzogen.
Als Karl VI. 1740 infolge einer Pilzvergiftung überraschend starb, hinterließ er ein Reich, dessen Verwaltung und Militär hoffnungslos veraltet waren. Aus dem Volk schlug der jungen Regentin Ablehnung entgegen. Im Dezember des Jahres marschierte der preußische König Friedrich II. mit seiner Armee ohne vorherige Kriegserklärung in Schlesien ein, dem wirtschaftlich wichtigsten Teil der Habsburger-Länder. Auch andere europäische Mächte - wie etwa Bayern - nahmen die „Pragmatische Sanktion“ zum Vorwand, um Ansprüche auf Teile geltend zu machen. Der daraus resultierende Österreichische Erbfolgekrieg wurde für das Habsburger-Reich zur existenziellen Bedrohung - mehr dazu in science.ORF.at.
Akribische Erzieherin
Als Maria Theresia mit Anfang 20 den Thron bestieg, hatte sie bereits drei Kinder zur Welt gebracht. Vater der drei Mädchen, die allesamt in jungen Jahren starben, und ihrer 13 weiteren Kinder war Franz Stephan von Lothringen. Das adelige Paar verband eine für damalige Verhältnisse ungewöhnlich innige Beziehung. Franz Stephan war Maria Theresias große Liebe, trotz seiner zahllosen Affären teilten sie bis zu seinem Tod 1765 ein Bett.

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Das Schloss Schönbrunn in Wien verdankt sein heutiges Aussehen Maria Theresia. Die Regentin gab den Befehl, das Jagdschloss und die umliegenden Parkanlagen auszubauen. Die Arbeiten begannen 1743.
Schon zu Beginn ihrer Regentschaft verknüpfte Maria Theresia ihre Rolle als Herrscherin mit jener als Mutter, als sie erklärte, ihren Untertanen „Mutter des Vaterlands“ sein zu wollen. Die Familie wurde im Laufe der Zeit zu einem wichtigen Instrument der Macht. Maria Theresia habe die Erziehung der Kinder bis ins kleinste Detail bestimmt, sagte die französische Historikerin und Feministin Elisabeth Badinter in einem „Universum History Spezial“. Bei ihren Anweisungen habe sie die Psyche jedes einzelnen Kindes berücksichtigt, so Badinter: „Sie kannte ihre Kinder alle sehr gut - auch ihre Schwächen.“
„Handfest politische“ Familienbilder
Die 16 Schwangerschaften waren für Maria Theresia mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden. Nicht nur die Kindersterblichkeit war im 18. Jahrhundert hoch, auch viele Mütter überlebten die Entbindung nicht oder starben nach der Niederkunft. Der Kinderreichtum erlaubte es Maria Theresia, sich als Stammhalterin des Habsburger-Hauses zu inszenieren. Entgegen der Tradition ließ sie sich auf Gemälden im Kreis ihrer Nachkommen abbilden.
Die Bilder hätten nicht nur der Imagepflege gedient, sondern seien auch „handfest politisch“ gewesen, wie der Direktor des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Werner Telesko, sagt. Sie stellten einen Gegenpol dar zu Maria Theresias größtem Widersacher, dem kinderlosen, angeblich impotenten und mutmaßlich homosexuellen Preußenkönig Friedrich II.

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Machtbeweis: Die Regentin im Kreis ihrer Großfamilie
Während Maria Theresia die in der „Pragmatischen Sanktion“ festgeschriebenen unteilbaren Hoheitsrechte unter Verweis auf ihre Mutterschaft aufweichte und Franz Stephan 1740 zum Mitregenten machte, pochte sie auf die Unteilbarkeit der zur Monarchie gehörenden Länder. Das zog weitere Spannungen mit dem von ihr als „Monstrum“ bezeichneten Friedrich II. nach sich.
Vom Erzfeind inspiriert - nicht von der Aufklärung
Gleichzeitig zwang der Konflikt mit dem militärisch überlegenen Preußen Maria Theresia zu Reformen, die zunächst das Militär und das Steuersystem betrafen - und die oftmals vom Erzfeind abgeschaut wurden. Viele der frühen Maßnahmen hatten einen nicht immer auf den ersten Blick erkennbaren militärischen Hintergrund. So seien etwa Hausnummern mit dem Hintergedanken eingeführt worden, Rekruten besser ausheben zu können, auch die großen Anstrengungen zur Vermessung des Landes und die erste Volkszählung hätten strategischen Interessen gedient, so der Historiker Karl Vocelka. Zudem wurde die allgemeine Steuerpflicht eingeführt, die Adel und Klerus erstmals zur Zahlung von Abgaben verpflichtete.
Buchhinweis
- Elisabeth Badinter: Maria Theresia. Die Macht der Frau. Zsolnay, 301 Seiten, 24,70 Euro.
- Elfriede Iby, Martin Mutschlechner, Werner Telesko, Karl Vocelka (Herausgeber): Maria Theresia 1717-1780 - Strategin - Mutter - Reformerin. Amalthea Verlag, 352 Seiten, 34 Euro.
In den 1770er Jahren - als ihr Sohn Joseph II. ihr als Mitregent zur Seite stand - folgten weitere Reformen in der Verwaltung und im Straf- und Zivilrecht, etwa die Einführung der „Constitutio Criminalis Theresiana“. Die vielleicht bekannteste Reform Maria Theresias, die 1774 erlassene Schulordnung, markierte den Anfang des staatlichen Schulwesens in Österreich - zuvor lag dieses in den Händen der Kirche. Anders als ihr berühmter Sohn Joseph II. handelte die Regentin nicht aus aufklärerischen Motiven. Maria Theresia sei vielmehr eine „Praktikerin“ gewesen, sagt die Historikerin Renate Zedinger in „Universum History“: „Wenn sie sieht, dass etwas nicht funktioniert, ist sie bereit, etwas zu tun.“
Dass Maria Theresia nicht im Geiste der Aufklärung handelte, zeigte sich laut Vocelka vor allem bei zwei Themen. „Die Folter, die in der frühen theresianischen Gesetzgebung genau reglementiert wurde, hob sie erst spät unter dem Einfluss ihres Sohnes auf“, schreibt der Historiker in einem Gastbeitrag - mehr dazu in science.ORF.at. Religiöse Toleranz sei ebenfalls keine Eigenschaft der streng katholischen Herrscherin gewesen: Sie habe Protestanten aus Österreich abgesiedelt, zudem seien protestantischen Familien die Kinder abgenommen und katholischen Familien übergeben worden. Besonders tief war die Abneigung der Herrscherin den Juden gegenüber. So habe erst der Protest des Adels ihren Plan verhindert, die Prager Juden mitten im Winter zum Verlassen der Stadt zu zwingen, so Vocelka.
Strategische Meisterleistungen
Im Laufe ihrer Herrschaft erwarb sich Maria Theresia den Ruf einer geschickten Strategin. Ihr Talent blitzte diesbezüglich schon 1745 durch, als sie die Wahl ihres Gatten Franz Stephan zum römisch-deutschen Kaiser orchestrierte. Das Amt war politisch bedeutungslos, aber prestigeträchtig. Zudem habe Maria Theresia ihrem Gatten, dessen Versagen als Oberbefehlshaber des Heeres immer wieder für Spott sorgte, so zu mehr Ansehen verhelfen wollen, sagt Badinter. Maria Theresia selbst ließ sich formal nicht zur Kaiserin krönen, wurde aber stets als solche tituliert.
Der diplomatisch und politisch wichtigste Erfolg für die Regentin war das Aufsprengen der traditionellen europäischen Allianzen. Unter tatkräftiger Unterstützung des Diplomaten und späteren Staatskanzlers Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg schaffte sie es, Österreichs alten Rivalen Frankreich als Verbündeten gegen Preußen zu gewinnen. Zur Absicherung der Verbindung mit Frankreich wurde Maria Theresias Tochter Maria Antonia mit dem späteren König Ludwig dem XVI. vermählt - als Marie Antoinette ging die Habsburgerin in die Geschichtsbücher ein.
Österreich und Frankreich brachen im Jahr 1756 unterstützt von Russland einen Krieg gegen Preußen und Großbritannien vom Zaun. Die Regentin erhoffte sich die Rückeroberung Schlesiens, dessen Verlust sie nie verwunden hatte. Militärisch endete dieser als Siebenjähriger Krieg bekannte Konflikt für Österreich mit einem Patt. Preußen wurde zwar an den Rand der Niederlage gebracht, behielt aber Schlesien. Schlimmer erwischte es Frankreich, das sich aufrieb und einen Großteil seiner Kolonialgebiete an die Briten verlor.
Am Ende Frieden
Nicht nur der Beginn, auch das Ende von Maria Theresias Regentschaft wurde von einem Krieg überschattet. 1778 und 1779 standen einander preußische Truppen und die Armee der Habsburger erneut im Bayrischen Erbfolgekrieg gegenüber. Maria Theresia versuchte ihren machtbewussten Sohn, dessen Zerwürfnis mit der Mutter immer tiefer wurde, für einen Friedensschluss zu gewinnen, was letztlich gelang. Für die „Kaiserin“ war es die letzte große politische Tat. Maria Theresia starb am 29. November 1780 im Alter von 63 Jahren an den Folgen einer Verkühlung.
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