„Nichtereignisse“: Doku über würdevolles Altern
Willis Radius ist überschaubar: Der 90-Jährige lebt alleine auf seinem Bauernhof in Norddeutschland. Dort kämpft er gegen Unkraut, mit den sich anhäufenden Bergen aus Dingen und füttert die Hühner.
Ann-Carolin Renninger und Rene Frölke porträtieren in ihrer Doku „Aus einem Jahr der Nichtereignisse“, die heute im Kino anläuft, auf Super 8 und 16 mm diesen ruhigen Fluss der Zeit, das Nichtgeschehen - bis die Katze krank wird.

Viennale
Alles geht langsam in diesem Filmporträt. Die Bewegungen des alten Herrn, der es kaum noch alleine schafft, sich den Wollpullover über die Latzhose zu ziehen, brauchen ebenso lange wie die Filmemacher selbst, die in den analogen Filmformaten Super 8 und 16 mm gedreht haben.
Und das bedeutet: Alle drei Minuten muss die Filmrolle gewechselt werden. Manchmal, wenn sich der Rollenwechsel nicht rechtzeitig ausgeht, bleibt die Leinwand eben schwarz - und der Ton muss genügen.
Eine Leinwand voll Katzenhaar
Der auf der Berlinale uraufgeführte Dokumentarfilm ist eine Studie in Gemächlichkeit. Wer ihn sich ansieht, wird zur Entschleunigung gezwungen, und man lässt sich gern darauf ein. Denn es kann schön sein, einer Katze beim Schnurren zuzusehen. Auf und ab atmet die vibrierende Flanke. Und manchmal füllt das grau getigerte Fell die ganze Leinwand: ein leuchtender Fleck aus Katzenhaar, der wie ein abstraktes Kunstwerk mit der groben Körnung des Filmmaterials verschmilzt.
Die Katzen - und das zweiköpfige Filmteam, Renninger und Frölke - bleiben im Film auch die einzige Gesellschaft des Bauern Willi, der schon jahrelang allein auf seinem Gehöft in Norddeutschland lebt. Große Tiere hält er keine mehr, und auch die Felder schafft er nicht mehr zu bestellen.
Aber die Hühner und Enten füttert er noch. Selbst, wenn er eine gefühlte Ewigkeit braucht, um die Eingangsschwelle und die Stalltür mit seiner Gehhilfe zu überwinden: Zuverlässig füllt er jeden Morgen die Futtertröge mit Körnern und stellt frisches Wasser bereit. Dabei wirkt er zufrieden mit seinem bescheidenen Tagwerk.
Wunderbarer Film über Langsamkeit und Tod
„Aus einem Jahr der Nichtereignisse“ ist ein Film über das Altern, der etwas seltsam Beruhigendes ausstrahlt. Alles bleibt gleich - der Regen, der aufs Schuppendach prasselt, und die Fußspuren im Schlamm. Nur scheint sich in Willis Wahrnehmung alles zu verlangsamen, bis es irgendwann erlischt. Ein Altern in Würde, wie es in der modernen Gesellschaft kaum noch vorkommen darf; eine Empfehlung für diesen wunderbaren, kleinen Film.