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Mit markigen Sprüchen bei FPÖ gepunktet

Auf Vorschlag der FPÖ ist die parteiunabhängige Nahost-Expertin Karin Kneissl neue Außenministerin. Für die ÖVP war die Publizistin eine willkommene Kompromisskandidatin - noch dazu, wo sie bereits Erfahrungen auf dem diplomatischen Parkett vorweisen kann. Weniger diplomatisch waren allerdings einige ihrer politischen Aussagen in der Vergangenheit - doch genau damit konnte sie bei der FPÖ punkten.

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Für die umstrittenen Sager wurde sie von Freiheitlichen und Websites im Dunstkreis der FPÖ hofiert. Schon vor der Bundespräsidentenwahl gab es Gerüchte, sie könnte ins Rennen geschickt werden. Kneissl lehnte aber öffentlich ab. Dass sie sich das Außenministeramt vorstellen kann, äußerte sie schon recht früh: Mitte November sagte sie in der „Presse“, sie habe das Angebot von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine Woche nach der Wahl erhalten und wolle es annehmen. Seit damals gab es kaum noch Zweifel, dass sie das Amt übernimmt.

Kaderschmiede in Straßburg absolviert

Die Beschäftigung mit dem Nahen Osten wurde Kneissl quasi in die Wiege gelegt. Ihr Vater arbeitet als Pilot bei der jordanischen Fluglinie, teilweise wuchs sie in Amman auf. Während ihres Studiums kehrte sie dorthin zurück, die Juristin und Arabistin studierte aber auch in Jerusalem und Washington. Zudem absolvierte sie die zweijährige Ausbildung an der Ecole nationale d’administration in Straßburg, die als Kaderschmiede der französischen Politelite gilt. Praktisch alle namhaften Politiker Frankreichs der vergangenen Jahrzehnte bis hin zu Präsident Emmanuel Macron durchliefen diese Institution.

Acht Jahre im diplomatischen Dienst

Schon kurz davor, 1990, war sie in den diplomatischen Dienst der Republik Österreich eingetreten. 1993 stieß sie ins Kabinett des damaligen Außenministers Alois Mock (ÖVP), übersiedelte dann aber ins Völkerrechtsbüro und auf Auslandsposten in Paris und Madrid. 1998 kehrte sie der Diplomatie den Rücken. In ihren Büchern kritisierte sie später fehlendes Hinterfragen und Reflektieren in der Diplomatie. Diese wirke mit all ihren Pressesprechern in unserer unterhaltungsgierigen und schnelllebigen Welt oftmals wie ein Spektakel, schrieb sie. Besonders der Satz „Weisung ist Weisung“ habe sie verzweifeln lassen.

Erfolgreiche Publizistin

Kneissl startete jedenfalls nach ihrem diplomatischen Dienst eine erfolgreiche Karriere als Publizistin. Sie veröffentlichte mehrere Bücher mit einer breiten Themenpalette: Dem Nahen Osten widmete sie sich ebenso wie China, der Globalisierung und Energieanalysen, sogar ein Kinderbuch schrieb sie - über Prinz Eugen. Als Nahost-Expertin fungierte sie für zahlreiche Medien und lehrte auch an der Universität. Niedergelassen hat sie sich im niederösterreichischen Seibersdorf, wo sie auf einem kleinen Bauernhof mit zahlreichen Tieren wohnt. In ihrem Heimatort war sie auch politisch aktiv. Von 2005 bis 2010 saß sie im Gemeinderat - als unabhängige Kandidatin auf der ÖVP-Liste.

Umstrittene Aussagen während Flüchtlingskrise

Vor allem in der Zeit der Flüchtlingskrise ließ sie mit Sagern aufhorchen, die nicht unbedingt in den Themenbereich ihrer Expertise fallen. Dabei wurde ihr auch vorgeworfen, Stereotype zu bedienen. So sprach sie nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht von einem „Männerüberschuss“ wegen der Aufnahme der vielen Flüchtlinge.

Zudem meinte sie, es handle sich größtenteils um Wirtschaftsflüchtlinge, die Asylwerber seien zu „80 Prozent“ junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren. Auch die Revolten in der arabischen Welt führte sie teilweise auf die „vielen jungen Männer“ zurück, „die heute nicht mehr zu einer Frau kommen“, weil sie weder Arbeit noch eine eigene Wohnung hätten und somit keinen „Status als Mann in einer traditionellen Gesellschaft“ erreichen könnten.

Harte Kritik und Untergriffe

Scharfe Kritik übte sie an der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die mit ihren Flüchtlingsselfies „grob fahrlässig“ gehandelt habe. Der EU warf Kneissl wiederholt Versagen in der Flüchtlingsfrage vor. Doch auch in andern Fragen wählte sie eher flapsige Formulierungen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bezeichnete sie als „Zyniker der Macht“, „rüpelhaft“ und arrogant.

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen griff sie in der „Presse“ anlässlich der Diskussion über einen umstritten Kopftuchsager an. Von „einer Frage der Intelligenz und des Charakters" schrieb sie - und tadelte im selben Text auch Papst Franziskus, der Flüchtlingslager in Griechenland mit Konzentrationslagern verglichen hatte. Bereits 2012 hatte sie deutliche Sympathie für eine Unabhängigkeit Kataloniens erkennen lassen, was heute auf dem europäischen diplomatischen Parkett wohl für Irritationen sorgen würde. Dass sie Zionismus in einem Buch als „Blut-und-Boden-Ideologie“ bezeichnete hatte, brachte ihr ebenfalls Kritik ein.

Latte hoch gelegt

In ihrer neuen Rolle muss Kneissl wohl wieder diplomatischere Töne anschlagen. Die Latte legte sie sich - zumindest in ihrem 2014 erschienenen Buch „Mein Naher Osten“ - hoch: Für die hohe Kunst der Diplomatie brauche es Menschenkenntnis, den Willen, kritisch zu hinterfragen, große Diskretion und Rückgrat. Sie beschwor die stärke der Außenpolitik Österreichs in früheren Zeiten - und kritisierte die Schwäche in den vergangenen Jahren.

Vorschusslorbeeren gab es jedenfalls von FPÖ-Chef Strache: In einem vollmundigen Vergleich meinte er im „Kurier“, Kneissl könnte in Zukunft vielleicht ein „weiblicher Kreisky“ sein, wenn es „um Vermittlung, Akzeptanz und auch um Werbung für Österreich im Ausland geht“.

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