Es soll viel evaluiert werden
Nicht weniger als 106-mal werden im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ Evaluierungen von bestehenden Maßnahmen, Gesetzen und Systemen angekündigt. Die Koalition wird also viel Zeit mit der Bestandsaufnahme und Überprüfungen verbringen. Dementsprechend vage sind viele der Pläne im gemeinsamen Programm. Positiv formuliert: Die Regierung verzichtet auf einige Schnellschüsse - auch wenn einige Themen im Vorfeld schon weit konkreter diskutiert wurden.
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Bei der Steuerreform fehlt der Punkt Lohnsteuer weitgehend. ÖVP und FPÖ haben zwar zugesagt, die Steuer- und Abgabenquote Richtung 40 Prozent zu senken, wie die künftigen Tarifstufen ausgestaltet sein werden, blieb aber noch offen. Jedenfalls soll mit dem „EStG 2020“ eine „massive Vereinfachung“ des Steuersystems einhergehen.
Unklarheiten bei Familienbonus
Die einzige konkret genannte Maßnahme, der „Familienbonus plus“, eine Steuerentlastung in Höhe von 1.500 Euro pro Kind, kommt Geringverdienern weniger oder nicht zugute. Unbeantwortet bleibt aber, ob - und wie - der als Absetzbetrag konzipierte Bonus (im Regierungsprogramm „Abzugsbetrag“ genannt) zwischen den Elternteilen teilbar ist. Geklärt werden muss auch noch, ob es möglicherweise einen „Deckel“ (eine Begrenzung der Leistung ab einer bestimmten Anzahl an Kindern) gibt. Für Unternehmen soll die Körperschaftssteuer (KöSt) - insbesondere auf nicht entnommene Gewinne - gesenkt werden, allerdings werden im Unterschied zum Wahlkampf keine Details genannt.
Keine komplette Pensionsreform angekündigt
Ähnlich beim Pensionssystem: Eine Komplettreform zur finanziellen Absicherung ist nicht angekündigt, zu finden sind einige Instrumente, etwa die Invaliditätspension, die reformiert oder hinterfragt werden sollen. Aufgestockt werden soll die Ausgleichszulage bei Menschen mit langen Beitragszeiten. Wer mehr als 30 Jahre hat, soll jedenfalls 1.000 Euro erhalten. Wer über 40 Beitragsjahre vorweisen kann, soll 1.200 Euro erhalten.
Ebenfalls nur angekündigt ist eine Staatsreform, da bleiben vorerst alle Fragen offen - wohl aus gutem Grund, weil das nach dem Scheitern sämtlicher Vorgängerregierungen wohl der ganz große Wurf wäre.
Keine Privatisierungspläne?
Die Staatsholding ÖBIB kommt im Programm gar nicht vor. Und damit gibt es auch keine artikulierten Privatisierungspläne, oder sie werden nicht dezidiert genannt. Beim Punkt „Öffentliche Unternehmen“ heißt es lediglich, dass „strategische Leitlinien hinsichtlich grundlegender Beteiligungsfragen“ festgelegt werden sollen, dazu gehört laut Programm unter anderem eine „Kosten-Nutzen-Analyse“ inklusive einer „eingehenden Prüfung der budgetären Auswirkungen“. Ob daraus die Abstoßung von Beteiligungen - etwa an OMV, Casinos Austria, Telekom Austria und Post abgeleitet werden kann, ist offen.
Noch im Finale der Regierungsverhandlungen vergangene Woche hatte es in Medienberichten geheißen, dass die ÖBIB wieder in eine Aktiengesellschaft mit Vorstand und Aufsichtsrat umgewandelt werden soll. Ventiliert wurde auch ein „Österreich-Fonds“, gespeist aus den Dividenden, für Zukäufe und zum Mitziehen bei Kapitalerhöhungen. Auch ob die ÖBIB-Beteiligungen wie kolportiert vom Finanz- zum Wirtschaftsministerium, das derzeit auch für Verbund, Bundesimmobiliengesellschaft und deren Tochter und ARE zuständig ist, wandern, steht nicht im Programm.
Kammern - vorerst - wie bisher
An der in der Verfassung verankerten Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern, im Wahlkampf und anfangs in den Verhandlungen noch ein großes Thema, wird im Koalitionsübereinkommen nur leicht gerüttelt. Die Sozialpartner werden lediglich dazu eingeladen, ihre Mitgliedsbeiträge zu senken. Sollte das nicht geschehen, behält sich die Regierung eine gesetzliche Änderung vor.
Bleiben Eurofighter?
Keine konkreten Ansagen finden sich im Regierungsprogramm auch was die Zukunft der Luftraumüberwachung betrifft: Hier brennt eigentlich der Hut, sollen doch die seit 1970 eingesetzten Saab-105-Flieger aus Altersgründen 2020 ausrangiert werden, eine Nachbeschaffung müsste also dringend eingeleitet werden. Zur heiklen Frage, ob die Eurofighter nun eingemottet werden oder nicht, ist im Regierungsprogramm lediglich eine Expertenkommission unter Einbeziehung der Luftstreitkräfte angekündigt.
Neues Mietrecht soll kommen
Auch das ewige Thema Wohnen will die Regierung in Angriff nehmen: Das Wohnungsangebot soll erhöht werden und Wohnraum wieder vermehrt im Eigentum übernommen werden können. Sozialer Wohnbau soll jenen zugutekommen, die ihn wirklich brauchen, heißt es. Das Mietrecht soll vereinfacht werden und ausgewogen die „berechtigten Interessen von Mietern und Vermietern“ widerspiegeln. Was das heißt, bleibt eher offen.
Vieles offen an den Unis
Relativ vage bleibt das Regierungsprogramm der ÖVP-FPÖ-Koalition nicht nur in den Kapiteln Kunst und Kultur, Medien und Sport, sondern auch in zentralen Punkten aus dem Bereich Wissenschaft. Geplant sind ein „Zugangsregelungs-Management“ sowie „moderate Studienbeiträge“. Wie Ersteres aussehen soll und wie hoch Letztere sein sollen, steht nicht in dem Papier. Verschärft werden soll offenbar das Studienrecht, die Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) bekommt strengere Vorgaben.
Die Universitätenkonferenz (uniko) sieht zwar „viele interessante Ansätze“: „An den meisten Stellen bleibt es aber doch sehr vage“, so uniko-Präsident Oliver Vitouch. Für problematisch hält er etwa die Einschränkung der Rechte der ÖH sowie die Konstruktion des Studiengebührenmodells.
Wenig Konsumentenschutz
Die Möglichkeit für Sammelklagen wird es in Österreich weiterhin nicht geben, obwohl das unter anderem wegen des Dieselabgasskandals zuletzt von Konsumentenschützern gefordert wurde. Auch kein Thema des Regierungsprogramms ist eine Insolvenzabsicherung beim Kauf von Flugtickets trotz der aktuell vielen Betroffenen nach den Pleiten von Air Berlin und Niki.
Generell spielt der Konsumentenschutz im ÖVP-FPÖ-Programm eine untergeordnete Rolle, einzige konkrete Maßnahme ist die Übernahme des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) durch die Regierung, die Arbeiterkammer (AK) wird hinausgedrängt.
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