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Demonstratives Bekenntnis zur EU

Der künftige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) waren bei der Präsentation ihrer Regierung und des gemeinsamen Programms am Samstag bemüht, Vorbehalten gegen ihre Regierung entgegenzuwirken. Ihr Bekenntnis zur EU war wohl nicht nur an die Österreicher, sondern auch an die internationale Presse gerichtet. Auch sonst schlugen die beiden eher leise Töne an.

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Die künftigen Regierungsspitzen Kurz und Strache traten auf dem Wiener Kahlenberg vor die Presse, um ihr Programm und das neue Regierungsteam vorzustellen. So wie bei den gemeinsamen Presseterminen davor, zeigten sich beide voll der gegenseitigen Wertschätzung. Auch der neue Stil, den sie zu pflegen gedenken, wurde einmal mehr beschworen.

„Integraler Teil“ der EU

Die Regierung trete mit dem Willen zu einem klaren europäischen Engagement an, sagte Kurz. Österreich werde als „integraler Teil“ der Europäischen Union an der Weiterentwicklung der EU mitwirken und diese „nach dem Grundsatz der Subsidiarität aktiv mitgestalten“. „Wir stehen zur Europäischen Union“, betonte Strache nach gegenteiligen „Unterstellungen und Unschärfen“ Richtung FPÖ. Kurz erklärte, eine proeuropäische Regierung sei für ihn ohnehin „eine Selbstverständlichkeit“.

Präsentation der Regierung von ÖVP und FPÖ

APA/Robert Jäger

Auch viele internationale Journalisten waren bei der Pressekonferenz

Auf Bedenken zu Ressortverteilung eingegangen

Bedenken darüber, dass die beiden Sicherheitsressorts Inneres und Verteidigung an die FPÖ gehen, versuchte Strache zu zerstreuen. So würden etwa die Nachrichtendienste auch gegenüber Kanzler und Vizekanzler eine Berichtspflicht bekommen, betonte der FPÖ-Chef. Dem Wunsch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, das Innen- und das Justizministerium zwischen den Parteien aufzuteilen, habe man genauso entsprochen wie dessen Ruf nach einer proeuropäischen Regierung. Zu den Devisen zähle, dass es im Land nicht immer mehr Regulierung und Regeln brauche, sondern wenige Regeln, die dann aber von allen eingehalten werden sollten, sagte Kurz.

Direkte Demokratie mit hohen Hürden

Österreich sei eine starke Demokratie, und man solle den Personen - er meinte das Regierungsteam - eine Chance geben, bat Kurz. Er versicherte, dass auch mit einem Mehr an direkter Demokratie keine Volksentscheide zur EU-Mitgliedschaft stattfinden dürfen. Geeinigt hat sich die Koalition ohnehin auf höhere Hürden als im Wahlkampf versprochen: Volksabstimmungen über ein Volksbegehren sollen erst ab 900.000 Unterschriften (rund 14 Prozent der Berechtigten) verpflichtend werden - und auch das erst am Ende der Legislaturperiode, wenn sich die Zweidrittelmehrheit findet bzw. nach einer Volksbefragung.

Das jeweilige Thema dürfe auch nicht in Widerspruch zu grund-, völker- und europarechtlichen Verpflichtungen stehen, erklärte Kurz, Referenden über die Mitgliedschaft in der EU oder in sonstigen internationalen Organisationen sollen auf diesem Weg überhaupt nicht zulässig sein.

Politologe Filzmaier kommentiert neue Regierung

Peter Filzmaier erinnert an das Trauma der FPÖ, die sich bei der Regierungsbildung mit Wolfgang Schüssel im Jahr 2000 übervorteilt gefühlt habe. Die Ausgangssituation der FPÖ sei nun besser.

Auch bei den Kammern wurde nicht so heiß gegessen wie gekocht: Die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft ist vom Tisch. Die Frage will man lösen, indem man die Kammern zum Gespräch lädt. Er sei überzeugt, dass die Verantwortlichen gute Vorschläge machen würden, meinte Strache. Der Wirtschaftskammer gab er den Denkanstoß, ob es wirklich mehrere Umlagen brauche, der Arbeiterkammer, ob es notwendig sei, dass auch kleine Einkommen einen Beitrag leisten müssen.

Keine „Wunderdinge“, „aber vieles besser“ machen

Überhaupt wollte Strache keine Wunderdinge versprechen: Er und Kurz seien keine „Zauberer und Wunderwuzzis“, sagte er. Man könne nicht alles anders machen, „aber vieles besser.“ Verlässlich will die Regierung auch bei CETA und den Russland-Sanktionen sein, was auch Strache bestätigte - wenn er sich auch eine Aufhebung der Maßnahmen gegen Moskau wünschen würde.

Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz Christian Strache (FPÖ)

APA/Roland Schlager

Der künftige Kanzler Kurz (ÖVP) und Vizekanzler in spe Strache (FPÖ) präsentierten die Grundzüge ihres Programmes in einer Pressekonferenz auf dem Wiener Kahlenberg

Programm soll „Basis für echte Veränderung“ sein

Das Regierungsprogramm solle eine Basis „für eine echte Veränderung sein“, betonten sowohl Kurz als auch Strache. Angepeilt sei ein Programm gewesen, in dem sich beide Parteien zumindest zu 50 Prozent wiederfinden würden, das habe man übertroffen, man liege jetzt bei 75 Prozent, so Strache: „Das liegt auch daran, dass der eine oder andere schon vor der Wahl Punkte übernommen hat.“

Als wichtige Themenpakete beschrieben Kurz und Strache vor allem jene Themen, die auch schon im Wahlkampf im Fokus gestanden waren. Geplant seien ein Sicherheitspaket und zahlreiche Verschärfungen im Asylrecht, wesentliche Änderungen gibt es etwa bei der Grundversorgung. Für Gewalt- und Sexualverbrechen soll es härtere Strafen geben, der Kampf gegen den politischen Islam soll zu den Prioritäten der neuen Regierung gehören.

Großes Gewicht gibt die neue Regierung der Verwaltungsreform - die das erste Kapitel im Regierungsprogramm ist. Auf neun Seiten des Programms werden die Vorhaben für ein treffsicheres Förderwesen, Kompetenzbereinigung, Abbau von Parallelstrukturen, einen schlanken Staat, Wahlrecht und „mehr Sauberkeit in der Politik“ dargestellt. Details blieb man im Regierungsprogramm allerdings schuldig, genauso wie bei der geplanten Steuerreform.

Grafik zeigt die Minister von ÖVP und FPÖ

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA; Fotos: APA/Neue Volkspartei/Jakob Glaser, Helmut Fohringer

Ministerliste präsentiert

Kurz und Strache stellten mit kurzen Hintergründen auch die künftigen Minister und Staatssekretäre vor, die künftigen Regierungsmitglieder traten aber noch nicht vor die Presse. Überraschungen gab es vor allem im ÖVP-Team mit vielen Quereinsteigern. Finanzminister wird - von der ÖVP ausgewählt - Hartwig Löger, bis zuletzt Uniqa-Vorstandsvorsitzender. Das neu gestaltete Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus übernimmt Elisabeth Köstinger, „eine enge Vertraute von mir“, wie Kurz sie vorstellte. Das ebenfalls neu zusammengefasste Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz übernimmt Ex-Rechnungshof-Präsident Josef Moser, der laut Kurz „wesentliche Reformen in diesem Land einleiten soll“.

Wolfgang Geier (ORF) vor der ÖVP-Zentrale

Die „schwarze“ ÖVP sei nun „türkiser“ geworden, nachdem Sebastian Kurz Länder- und Bündeinteressen bei seiner Personalauswahl unberücksichtigt gelassen habe.

Als Minister für Bildung soll Heinz Faßmann für Universitäten, Schulen und Kindergärten zuständig sein. Ex-A1-Telekom-Managerin Margarete Schramböck wird Wirtschaftsministerin, Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel Kanzleramtsminister für EU, Medien, Kunst und Kultur. Die steirische Molekularbiologin und Neo-Nationalratsabgeordnete Juliane Bogner-Strauß übernimmt das Ressort Frauen, Familie und Jugend.

TV-Hinweise:

Am Sonntag widmen sich das „Europastudio“ um 11.05 Uhr und ein „Hohes Haus“ um 12.00 in ORF2 der neuen Koalition. „Die neue Regierung – Wohin steuert Österreich ?“ heißt es um 22.00 Uhr in „Im Zentrum“.

Am Montag überträgt ORF2 die Angelobung ab 10.45 Uhr live. In einer ZIB Spezial um 20.15 Uhr ist ein Interview mit Kurz und Strache geplant. Um 21.00 Uhr folgt ein „Report spezial“, um 22.30 Uhr nach der ZIB2 ein „Runder Tisch“ mit Vertretern der fünf Parlamentsparteien.

Kurz verneinte vor Journalisten die Frage, ob es im ÖVP-Vorstand eine hitzige Diskussion gegeben habe. Er sei mit dem Versprechen angetreten, Experten mit Erfahrung zu holen. Dieses Versprechen habe er nun eingelöst, unter den Vorstandsmitgliedern habe es daher „keine Verwunderung“ gegeben.

Strache wird Minister für Sport und Beamte

Strache selbst wird als Vizekanzler für die Bereiche Sport und Beamte zuständig sein. Als Außenministerin stellte Strache die unabhängige „Brückenbauerin“ Karin Kneissl vor, „weil uns die Neutralität besonders wichtig ist“. Innenminister wird der bisherige FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, neuer Verteidigungsminister der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek.

Matthias Schrom (ORF) vom Minoritenplatz

Vor den künftigen FPÖ-Ministerien - dem Innenministerium, dem Außenministerium und dem Vizekanzleramt - berichtet Matthias Schrom von einer erwarteten Law-and-Order-Politik der FPÖ.

Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer übernimmt das Infrastruktur- und Verkehrsministerium. Die ehemalige FPÖ-Abgeordnete Beate Hartinger wird Ministerin für Soziales und Gesundheit. Der langjährige Abgeordnete Hubert Fuchs wird Staatssekretär im Finanzministerium.

Am Montag steht die Angelobung bei Van der Bellen auf dem Programm. Direkt im Anschluss wird erwartet, dass Kurz nach Brüssel reist, um dort in der EU-Kommission seinen Antrittsbesuch als Bundeskanzler zu absolvieren. Am Mittwoch soll er seine erste Regierungserklärung im Parlament halten.

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