Offene Punkte geklärt?
Zwischen ÖVP und FPÖ werden die letzten Weichen für eine gemeinsame Regierung gestellt. Nachdem bereits am Donnerstagabend die Klärung letzter Details angegangen wurde, steht am Freitag nun ein weiteres Treffen zwischen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und damit die wohl letzte Runde auf dem Programm.
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Inhaltlich waren sich die beiden Parteien bereits weitgehend einig, am Schluss ging es noch um Personalfragen sowie die konkrete Ausgestaltung der direkten Demokratie, wie es am Donnerstag noch geheißen hatte. Letzte Details sollten nun am Freitag geklärt werden, denn der weitere Zeitplan sieht dann die jeweiligen Gremiensitzungen am Samstagvormittag vor. Danach dürfte sich die neue Bundesregierung mit Kurz und Strache an der Spitze der Öffentlichkeit präsentieren.
„Sind an diesen Punkten angelangt“
Direkte Demokratie und die künftige Verteilung der Ressorts zählen zu jenen Themen, die es zwischen ÖVP und FPÖ für die angepeilte künftige Regierungszusammenarbeit noch zu klären gilt. Das bestätigte am Donnerstagabend auch der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel. Von den Freiheitlichen gab es vor dem Treffen am Donnerstagabend keine Stellungnahme.
Blümel blickte bei seinem Eintreffen im Palais Epstein zunächst auf die vergangenen Wochen zurück. Es werde seit 50 Tagen verhandelt, und „es war ein guter Weg“. Es liege aber in der „Natur solcher Verhandlungen“, dass einige Punkte bis zum Schluss bleiben, und „wir sind an diesen Punkten angelangt“, so Blümel, der Mitglied der zentralen, als Steuerungsgruppe bezeichneten Verhandlergruppe ist und als neuer Medienminister gehandelt wird.
Neben direkter Demokratie und der Aufteilung von Ressortverantwortlichkeiten nannte Blümel auch „da und dort“ die budgetäre Bedeckung, die es noch zu klären gelte. „Wir wollen jetzt zu verhandeln beginnen für die Schlussphase“, wie lange diese dauern wird, könne er nicht sagen, so Blümel. Fragen waren nach seinem kurzen Statement nicht zugelassen. Am Freitag gebe es noch eine finale Runde, hieß es aus der ÖVP.
Kurz bei Van der Bellen
Von auf der „Zielgeraden“ befindlichen Koalitionsverhandlungen sprach zuvor auch ÖVP-Chef Kurz, der am Donnerstagvormittag Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg über den Stand der Koalitionsverhandlungen informierte. Van der Bellen habe bei den Treffen in den vergangenen Wochen seine Wünsche und Anregungen geäußert, so Kurz nach der rund 45-minütigen Besprechung.
Einer davon sei gewesen, dass - „wenn möglich“ - das Justizministerium und das Innenministerium zwischen den beiden Koalitionspartnern getrennt werden, so der ÖVP-Obmann weiters. Diesem Anliegen könnten die Verhandler nachkommen und die FPÖ das Innenministerium übernehmen.
Kurz, der keine Fragen gestattete, zeigte sich „sehr optimistisch“, dass das Ziel, die Koalitionsverhandlungen vor Weihnachten abzuschließen, erreicht wird: „Wir sind in der Zielgerade der Verhandlungen.“ Man habe noch intensive Tage vor sich, so Kurz mit Verweis auf offenbar noch zu klärende Personalfragen.
Suche nach Frauen
Der „Kurier“ berichtete zuletzt, Kurz suche für die Regierungsriege noch Frauen. Fix scheint derzeit nur Karin Kneissl als Außenministerin ohne Europaagenden auf einem FPÖ-Ticket. Kurz’ Vertraute Elisabeth Köstinger, derzeit Nationalratspräsidentin, gilt der Zeitung zufolge ebenfalls als wahrscheinliche Anwärterin auf ein Ministerinnenamt. Casinos-Finanzchefin Bettina Glatz-Kremsner, die im ÖVP-Verhandlungsteam ist, soll laut „Kurier“ Kurz dagegen abgesagt haben. Sie galt als Anwärterin auf das Finanz- oder Wirtschaftsministerium.
Die niederösterreichische Landtagsabgeordnete und JVP-Vertraute von Kurz, Bettina Rausch, gilt weiterhin als aussichtsreiche Kandidatin. Bei der FPÖ könnten entweder die beiden Abgeordneten Dagmar Belakowitsch, Brigitte Povysil oder die ehemalige Mandatarin Beate Hartinger das künftig gemeinsame Sozial- und Gesundheitsressort übernehmen.
Neue Namen
Die „Presse“ (Onlineausgabe) nannte Donnerstagabend neue Namen für ÖVP-Ministerinnen: So sollen die Leiterin der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), Henrietta Egerth-Stadlhuber, und die Molekularbiologin und Neo-Abgeordnete Juliane Bogner-Strauss Kandidatinnnen für das Bildungs- und Forschungsministerium sein. Das Justizministerium könnte die Leiterin der Wiener Oberstaatsanwaltschaft, Eva Marek, bekommen. ÖVP-Vizechefin Veronika Marte aus Vorarlberg soll als Familien- und Frauenministerin im Gespräch sein. So wie bei allen anderen Gerüchten zu Namen und Inhalten gibt es auch hierzu keinerlei offizielle oder unabhängige Bestätigung.
Verteidigung an FPÖ?
Als praktisch gesetzt gelten bei der FPÖ neben Kneissl Strache und der Zweite Nationalratspräsident Norbert Hofer als Infrastrukturminister. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl soll wie schon mehrmals kolportiert Innenminister werden, mit dem von der ÖVP beigestellten Wiener Ex-Vizepolizeipräsidenten Karl Mahrer als Staatssekretär.
Historisch bedingte Vorbehalte gibt es, das Innen- und Verteidigungsministerium in die Hand derselben Partei zu legen. Sollten die Freiheitlichen dennoch das letztere Ressort erhalten, gilt Wehrsprecher Reinhard Bösch als Favorit. Auch der steirische FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek war im Gespräch. Andere FPÖ-Politiker, etwa die Abgeordneten Anneliese Kitzmüller und Petra Steger und der burgenländische Landesrat Alexander Petschnig, wurden auch immer wieder als ministrabel genannt.
Wer wird ÖVP-Finanzminister?
Noch mehr Fragezeichen gibt es auf ÖVP-Seite: Als potenzieller Kanzleramtsminister wird der Wiener Stadtparteichef Blümel gehandelt. Der bisherige Innenminister Wolfgang Sobotka könnte ins Finanzressort wandern. Die ZIB nannte auch den Finanzwissenschaftler Gottfried Haber, der bereits 2014 für das Amt im Gespräch war. Und dann gibt es noch Ex-Rechnungshof-Präsidenten Josef Moser, der ja immerhin auf dem dritten ÖVP-Bundeslistenplatz kandidiert hatte.
Viele Fragezeichen bei ÖVP
Im Amt verbleiben soll Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, wiewohl die „Presse“ auch der Direktorin des Niederösterreichischen Bauernbundes, Klaudia Tanner, gute Chancen gegeben hatte. Unklar ist die Besetzung von Justiz und Bildung. Für Bildung wurde zuletzt auch ÖVP-Verhandler Andreas Salcher ins Spiel gebracht, nachdem es auch geheißen hatte, das Ministerium könnte doch an die FPÖ und personell an den Niederösterreicher Walter Rosenkranz gehen. Sämtliche ÖVP-Personalspekulationen könnten freilich auch noch über den Haufen geworfen werden, wenn Köstinger doch nicht Nationalratspräsidentin bleibt und auf die Regierungsbank wechselt.
Kurz versichert „proeuropäische Ausrichtung“
Kurz sagte in seinem knappen Statement, dass der Bundespräsident über die Gespräche mit den Freiheitlichen ständig auf dem aktuellen Stand gehalten werde. Auch am Donnerstag habe er ihm einen aktuellen Überblick gegeben. Van der Bellen und ihm selbst sei die proeuropäische Ausrichtung der künftigen Bundesregierung ein Anliegen, und diese sei „sichergestellt“, meinte Kurz. Dem Vernehmen nach sollen ja künftig die EU-Agenden im Bundeskanzleramt und nicht mehr im voraussichtlich von der FPÖ besetzten Außenministerium ressortieren.
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