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Täglich werden bis zu 27 Container verloren

Wie es ablaufen könnte, wenn ein Segelschiff auf hoher See einen Schiffscontainer rammt, hat der Hollywood-Streifen „All Is Lost“ gezeigt. Darin spielt Robert Redford einen alten Mann, der nach einer Kollision mit seiner Jacht in Seenot gerät und tagelang auf sich allein gestellt auf dem offenen Meer driftet. Die Fiktion bildet ein durchaus reales Szenario ab.

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Verlässliche Zahlen der über Bord gehenden Container gibt es nicht, denn Reedereien und Versicherungen sind mit der Veröffentlichung von Statistiken zurückhaltend. Experten schätzen unter Berufung auf aktuelle Zahlen des World Shipping Council (WSC) in einer „Blue Planet II“-Dokumentation der BBC, dass täglich bis zu vier Container auf den Weltmeeren verloren gehen, andere Branchenschätzungen gehen von jährlich 10.000 verlorenen Containern pro Jahr aus - etwa 27 pro Tag.

Robert Redford kämpft im Film "All is Lost" gegen Wellen

picturedesk.com/Everett Collection/Richard Foreman, Jr.

Robert Redford gerät in „All Is Lost“ nach einer Containerkollision in Seenot

Den Schweizer Meeresbiologe Nikolaus Gelpke von der deutschen Zeitschrift „mare“ erstaunt die Zahl nicht: „Immer größere Frachtschiffe stapeln die Container immer höher“, sagte er. Rund 50.000 Frachtschiffe sind auf den Weltmeeren unterwegs, darunter manche mit einer Kapazität von 20.000 Containern. Insgesamt 33 Millionen Container gibt es derzeit laut einem aktuellen „Telegraph“-Artikel.

Kaum sichtbar an der Meeresoberfläche

Ursache für den Verlust von Containern ist mangelhafte Ladungssicherung, die bei Stürmen und Unwettern sowie bei einem durch den Seegang hervorgerufenen „Rollen“ des Schiffes (Bewegung um seine Längsachse) fatale Folgen hat. 2014 verlor das Containerschiff „Svendborg Maersk“ so über 500 Container. Hinzu kommen Schiffshavarien wie jene des Frachtschiffs „M/V Rena“, das 2011 vor Neuseeland auf ein Riff auflief und zerbrach. Etwa die Hälfte der 1.386 geladenen Container ging verloren.

Container im Meer neben dem havarierten Schiff Rena

Reuters/Mark Alen/Martime New Zealand

Das 2011 auf einem Riff vor Neuseeland gestrandete Containerschiff „M/V Rena“

Die meisten Behälter sinken rasch auf den Meeresgrund. Je nach Ladung können einige aber auch tage- und wochenlang auf der Wasseroberfläche treiben, bevor sie verschwinden, wie Tests der US-Küstenwache ergaben. Bei Kühlcontainern kann es dank ihrer Isolierung sogar noch länger dauern: So wurde ein Container erst elf Monate, nachdem er vor Frankreich in den Atlantik gerutscht war, an die englische Südküste gespült.

So gut wie keine Ausweichmöglichkeiten

Gelpke schätzt die Zahl der im Meer schwimmenden Schiffscontainer auf mindestens 12.000. Entsprechend häufig werden Kollision gemeldet und havarierte Jachten geborgen - sofern diese überhaupt in der Lage sind, einen Notruf abzusetzen. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass allein in europäischen Gewässern jährlich drei bis fünf Jachten aufgrund von Kollisionen untergehen.

Riesiges Containerschiff

Reuters/Fabian Bimmer

„MOL Triumph“, das mit einer Kapazität von 20.568 Behältern größte Containerschiff, im Mai 2017 im Hamburger Hafen

Das Kollisionsrisiko mit den meist unsichtbaren „UFO“s („Unidentified Floating Objects“) lässt sich der Fachzeitschrift „Boat24“ zufolge kaum reduzieren. Schon bei leichtem Seegang sei mit freiem Auge kaum noch zu unterscheiden, ob sich eine Welle vor einem Container oder bloß im Wind kräuselt. Auch Radar und das Automatische Identifikationssystem (AIS) würden wenig helfen, da sie in der Regel nur Objekte erfassen, die über der Wasseroberfläche erscheinen. Bleibe nur, dass Reeder einen Containerverlust rechtzeitig melden, sodass das Gebiet großräumig umfahren werden kann.

Turnschuhe und Plastikenten

Gefährlich sind im Meer schwimmende Container aber nicht nur für die Schifffahrt. Schätzungen zufolge enthalten rund zehn Prozent aller verlorenen Behälter Chemikalien oder andere gefährliche Güter, die gravierende ökologische Auswirkungen haben können. Eher harmlos für die Schifffahrt ist dagegen das Treibgut, das aus über Bord gegangenen Containern stammt und im Meer schwimmt.

Grafik zeigt die Fundorte von im Pazifik verlorener Plastikenten

Grafik: OSM/ORF.at; Quelle: NOC

Schlagzeilen machten etwa 29.000 Plastikenten aus einem 1992 im Pazifik verlorenen Schiffscontainer, die sich in an den Stränden auf der ganzen Welt verbreiteten und 2007 sogar Europa erreichten - also 15 Jahre später und rund 27.000 Kilometer vom Ursprungsort entfernt. Wenige Jahre zuvor waren es 61.000 Turnschuhe, die von Alaska bis Hawaii trieben. US-amerikanischen Ozeanografen dienten diese „Friendly Floatees“ (freundliche Treibteilchen) zur Erforschung der Meeresströmungen.

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