Lebensmittel hochseetauglich gemacht
Dass Container als Arbeitsplätze genutzt werden, ist heute alltäglich - sei es als temporäres Ausweichquartier oder als Basisstützpunkt wie auf Baustellen. Vor 40 Jahren wählte sich Barbara Pratt einen Container als Arbeitsplatz, der alles andere als gewöhnlich war: Sie sollte die Haltbarkeit von Lebensmitteln auf hoher See erforschen - und fuhr einfach mit.
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Pratt schloss 1976 ihr Physikstudium an der Cornell University in New York ab, als ihr Professor ihr einen außergewöhnlichen Job vermittelte: Das Unternehmen Sea-Land, einer der Pioniere der Containerschifffahrt, wollte erforschen, unter welchen Bedingungen Lebensmittel den Transport über die Weltmeere am besten überstehen.
Wie der Container auf hohe See kam
Der Gründer von Sea-Land war Malcom McLean. Gemeinsam mit seinen Geschwistern hatte er in den 1930er Jahren in seiner Heimat North Carolina zunächst eine Spedition gegründet. Er begann dann den Seeweg an der Atlantikküste zu nutzen, indem er seine Lkws auf Schiffe verladen ließ. In den 50er Jahren folgte dann die Geburtsstunde der Containerschiffe: McLean erwarb zwei alte US-Kriegsschiffe, ließ sie umbauen und nur noch den Aufbau der Trucks und nicht mehr die Fahrzeuge auf die Schiffe verladen. 1960 nannte er sein Unternehmen in Sea-Land um - aus dem Spediteur war ein Reeder geworden.
Labor auf kleinstem Raum
Das Geschäft boomte, doch bald stellte sich das Problem, dass Lebensmittel die langen Fahrten häufig nicht überstanden - entweder sie waren verdorben oder durch übermäßigen Einsatz von Kühlanlagen eingefroren und spätestens nach dem Auftauen ungenießbar. Genau aus diesem Grund richtete Sea-Land der neuen Mitarbeiterin ein Labor ein - in einem Container, der im Wesentlichen drei Abteile umfasste.

Maersk
Pratt in den 70er Jahren in ihrem Labor
Es gab einen Maschinenraum mit Dieselgenerator, Tank und Wassertank, ein Labor sowie einen Wohn- und Bürobereich mit Tischen, Kochmöglichkeit und Stockbetten. Insgesamt sieben Jahre verbrachte Pratt mit einigen Mitarbeitern an ihrem Arbeitsplatz - freilich nicht ausschließlich, aber für einen Gutteil ihrer Zeit.
Verschimmelter Kakao als Ausgangspunkt
Eine ihrer ersten Aufgaben sei es gewesen, herauszufinden, wieso Kakaobohnen, die aus der Dominikanischen Republik in die USA verschifft wurden, schimmlig ankamen, erzählte Pratt dem Onlineportal Quartz. Durch die Sonneneinstrahlung untertags erhöhte sich die Temperatur in den Containern, was den Bohnen die Flüssigkeit entzog. Sobald die Container abkühlten, kondensierte die Flüssigkeit. Die Säcke der Bohnen wurden feucht, und es entstand Schimmel. Aus diesen Erkenntnissen heraus wurde ein neues Belüftungssystem für Container entwickelt und das Problem damit gelöst.
In den darauffolgenden Jahren widmeten sich Pratt und ihr Team allen möglichen leicht verderblichen Waren und testeten, welche Bedingungen für welche Produkte - von Ananas über Tomaten bis Paprika - herrschen müssen.
Ausgerechnet Bananen
Der Transport von Bananen hatte die Schifffahrt schon Jahrzehnte davor beschäftigt: Die ersten Kühlschiffe waren zwar für den Fleischtransport ab 1875 entwickelt worden, ab 1900 wurden dann aber im großen Stil die Transportbedingungen für Bananen getestet und verbessert. Vor allem der Import nach Europa erwies sich als lukratives Geschäft, nachdem es gelang, den Reifeprozess der Früchte zu verlangsamen. Der technologische und logistische Fortschritt in dieser Zeit war also vor allem Bananen zu verdanken.
Beobachtung aus nächster Nähe nötig
Im Wesentlichen leisteten Pratt und Kollegen Pionierarbeit für andere Früchte und Gemüsesorten und beobachteten deren Entwicklungen unter den verschiedensten Voraussetzungen von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Belüftung. Dass sie dafür Tage, wenn nicht Wochen in ihrem kleinen Container bleiben mussten, führt die Wissenschaftlerin vor allem auf die damalige Ausstattung des Labors zurück: Der verwendete Computer und die Werte, die er errechnete, mussten ständig beobachtet werden.

Maersk
Pratt arbeitet immer noch in ihrer Branche
Heute sei das alles freilich aus der Ferne möglich. Für einige Experimente wurde der Container auch verschlossen und erst geöffnet, wenn die Daten vorlagen - was Tage oder gar Wochen dauern konnte. Pratt ist ihrem Beruf treu geblieben, sie ist Abteilungsleiterin bei Maersk Nordamerika: Der Marktführer bei Containerschiffen hatte Sea-Land 1999 übernommen.
Schmutzige Kehrseite
Mit ihren Erkenntnissen habe man den Transport über den Seeweg für viele Produkte sicherer gemacht, glaubt Pratt. Somit könnten auch heikle Güter, die früher per Flugzeug transportiert worden seien, billiger per Schiff von A nach B gebracht werden. Und Pratt meinte gegenüber Quartz auch, dass Konsumenten dadurch das ganze Jahr hindurch mit bestimmten Früchten wie Weintrauben versorgt werden könnten - auch wenn sie regional gerade keine Saison haben.
Aus einer anderen Perspektive werden all diese Entwicklungen freilich weit skeptischer gesehen: Die mit schwerem Dieselöl betriebenen Containerschiffe gelten als Drecksschleudern sondergleichen und stoßen Tonnen von Schwefeloxiden, Feinstaub, Stickoxiden und Ruß aus. Auch der CO2-Fußabdruck der transportierten Güter ist entsprechend hoch.
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