Korruptionsaffären nun vor Gericht
Nach acht Jahren Ermittlungen und Unsicherheit bis zuletzt hat Dienstagvormittag in Wien der Korruptionsprozess gegen den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte begonnen. Im Fokus stehen die BUWOG-Affäre und die Vorwürfe rund um den Linzer Terminal Tower.
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Die Anklagevorwürfe lauten auf Untreue, Bestechung, Geschenkannahme durch Beamte, Beweismittelfälschung, Begünstigung, Geldwäscherei und Unterschlagung. Es habe einen „gemeinschaftlichen Tatplan der Korruption“ gegeben. Es sei darum gegangen, an den von der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) durchgeführten Privatisierungen „mitzuschneiden“. Es drohen bis zu zehn Jahre Haft. Von Grasser und anderen Angeklagten gab es vor Prozessbeginn gegenüber Journalisten keine Kommentare.
BUWOG-Affäre im Visier
Einen großen Teil der Verhandlung dürfte die BUWOG-Affäre beanspruchen. Die Causa im Überblick: Im Jahr 2004 wurden unter der ÖVP-FPÖ-Regierung rund 60.000 Bundeswohnungen privatisiert. Das geschah über ein Bieterverfahren, in dem ein Konsortium um den Investor Immofinanz den Zuschlag erhielt. Die Wohnungen wurden für durchschnittlich je 16.000 Euro verkauft.

APA/Hans Klaus Techt
Grasser und sein Anwalt Manfred Ainedter vor Beginn des Prozesses im Großen Schwurgerichtssaal
Der Knackpunkt: Immofinanz-Chef Karl Petrikovics hatte kurz vor der entscheidenden Runde einen geheimen Tipp von dem Lobbyisten Peter Hochegger bekommen, wie viel er mindestens bieten müsse, um den Konkurrenten zu übertrumpfen. Im Gegenzug sollen rund 9,6 Millionen Euro - ein Prozent des Kaufpreises von 961 Mio. Euro - auf ein Konto in Liechtenstein und in die Taschen der Verdächtigen geflossen sein. Entsprechende Unterlagen wurden 2009 bei Ermittlungen gegen die Immofinanz in einer anderen Causa gefunden.
Hochegger seinerseits bekam den Tipp für die Immofinanz vom Grasser-Vertrauten Walter Meischberger. Woher dieser wiederum den Hinweis hatte, ist ihm entfallen. Die Anklage vermutet, dass dieser von Grasser kam - und der damalige Finanzminister dafür rechtswidrig die Hand aufgehalten hat. Grasser und der Makler Ernst Plech sollen sich das Geld mit Hochegger und Meischberger geteilt haben.
Laut Grasser „supersauber“
Der Ex-Minister bestreitet, wie alle anderen Angeklagten auch, jemals Ungesetzliches getan zu haben. „Supersauber“ sei damals rechtlich alles über die Bühne gegangen, so Grasser. Allerdings haben sich in den acht Jahre andauernden Ermittlungen laut Justiz immer wieder Verdachtsmomente ergeben. Nicht im direkten Zusammenhang mit der BUWOG-Affäre, aber trotzdem unvergessen ist unter anderem ein abgehörtes Telefonat zwischen Meischberger und Grasser. In diesem sagte Meischberger zu Grasser den Satz „Da bin ich jetzt supernackt“, weil er offenbar nicht wusste, was er bei der Justiz als Leistung für eine Provision angeben sollte.
In der zweiten Causa geht es um den Terminal Tower Linz, in dem sich die Finanz - nach anfänglichem Widerstand von Grasser - eingemietet hatte. Dabei soll laut Anklage Schmiergeld von Seiten des Baukonsortiums bestehend aus Raiffeisen Oberösterreich und Porr an mehrere Angeklagte, darunter Grasser, geflossen sein.
Manager, Anwalt und Vermögensberater vor Gericht
Grasser, Hochegger, Meischberger und Plech werden in der Anzeige als „Nehmer“ von Korruptionszahlungen geführt. Angeklagt sind zudem einige ehemalige Spitzenmanager, die laut Anklage die „Geber“ gewesen sein sollen: Neben Ex-Immofinanz-Chef Petrikovics sind das der frühere Immofinanz-Vorstand Christian Thornton und der früherer RLB-OÖ-Vorstand Georg Starzer. Vor Gericht hätte auch der frühere Raiffeisen-OÖ-Generaldirektor Ludwig Scharinger stehen sollen - er ist aber wegen eines Sturzes in Russland nicht prozessfähig.

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Hochegger und Meischberger vor Prozessbeginn
Auch der Rechtsanwalt und Universitätsprofessor Gerald Toifl, Meischbergers früherer Rechtsvertreter, sitzt nicht auf der Verteidiger-, sondern auf der Anklagebank. Der Schweizer Vermögensverwalter Norbert Wicki ist ebenfalls unter den Angeklagten. Sie sollen laut Anklage bei der „Verschleierung“ der Korruptionstaten mitgewirkt haben. Für alle Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.
Prozessstart bis zuletzt auf Kippe
Der Start des Mammutprozesses war bis wenige Stunden vor dem geplanten Start noch auf der Kippe gestanden: Mehrere Angeklagte waren wegen eines anderen Verfahrens rechtlich gegen die Zuständigkeit von Richterin Marion Hohenecker vorgegangen. Doch der Oberste Gerichtshof (OGH) verwarf am Montag die Nichtigkeitsbeschwerde - damit konnte der Prozess mit Hohenecker als Richterin starten. Ein Richterinnenwechsel hätte wohl eine monatelange Verzögerung bedeutet.
166 Zeugen und Abhörprotokolle
Zur Untermauerung ihrer Anklage hat die Staatsanwaltschaft 166 Personen zur Zeugeneinvernahme beantragt - darunter der Banker Julius Meinl, die Journalisten Ashwien Sankholkar und Kid Möchel, Ex-ÖIAG-Chef Peter Michaelis, Ex-ÖBB-Chef Martin Huber, Investor und Ex-Hypo-Alpe-Adria-Vorstandschef Tilo Berlin, Ex-Finanzminister Hannes Androsch (SPÖ) sowie Ex-Finanzstaatssekretär Alfred Finz (ÖVP). Auch Abhörprotokolle aus Telefonüberwachungen sollen beim Prozess vorgespielt werden.
Vorerst ist jedenfalls ein dichtes Programm anberaumt. Richterin Hohenecker will vom 12. bis zum 15. Dezember und die Woche darauf (19. bis 21. Dezember), jeweils von 9.00 bis 16.30 Uhr, verhandeln. Ihr gegenüber sitzt nicht nur eine Armada von Anwälten - Grasser nimmt neben Ainedter auch noch den Anwalt Norbert Wess mit -, sondern auch eine Schar an Journalisten. Der Prozess könnte rund ein Jahr dauern.
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