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„Gefährlicher Präzedenzfall“

US-Präsident Donald Trump hat am Freitag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter seine umstrittene Jerusalem-Entscheidung verteidigt. Er habe mit seiner Anordnung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, ein Wahlversprechen eingehalten.

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Seine Vorgänger Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama hätten Trump zufolge keine derartig Konsequenz bewiesen. „Ich habe meine Wahlkampfversprechen eingehalten - andere nicht!“ Die Kurzbotschaft war mit Videoaufnahmen verlinkt, auf denen Äußerungen Clintons, Bushs und Obamas zum Thema Jerusalem dokumentiert werden.

Bush hatte beispielsweise im Jahr 2000 in einer öffentlichen Rede gesagt, er werde „direkt“ nach seinem Amtsantritt „den Umzugsprozess der US-Botschaft in jene Stadt einleiten, die von Israel als Hauptstadt erwählt“ worden sei. Ähnliche Äußerungen gibt es von Clinton. Obama hatte sich nie direkt zur Frage der Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt geäußert, allerdings hatte der direkte Vorgänger Trumps im Präsidentenamt Jerusalem als „Hauptstadt Israels“ bezeichnet.

„Wollen Frieden voranbringen“

Im UNO-Sicherheitsrat, wo nach Trumps Entscheidung am Freitag eine Dringlichkeitssitzung auf der Agenda stand, verteidigte zuvor auch die US-Botschafterin bei der UNO, Nikki Haley, die Vorgangsweise. „Unsere Handlungen sollen das Ziel des Friedens voranbringen“, sagte Haley vor dem höchsten UNO-Gremium. „Ich verstehe die Sorgen der Mitglieder, die die Sitzung beantragt haben, aber wir sollten nie infrage stellen, was die Wahrheit erreichen kann“, so Haley.

Die US-Regierung fühle sich deren Angaben zufolge dem Friedensprozess für den Nahen Osten weiter zutiefst verpflichtet - „und wir glauben, dass wir dem Ziel näher sein könnten als je zuvor“. In einem Seitenhieb auf die UNO kritisierte Haley, dass diese dem Friedensprozess „mehr Schaden“ zugefügt hätten, als ihn voranzubringen.

Sicherheitsrat der Vereinten Nationen

Reuters/Brendan McDermid

Auf Trumps Jerusalem-Entscheidung folgte eine Dringlichkeitssitzung im UNO-Sicherheitsrat

„Nicht in Übereinstimmung mit UNO-Resolutionen“

Alle andere 14 Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates wollten die US-Ansicht nicht teilen. Die Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, stelle einen „gefährlichen Präzedenzfall“ dar, sagte etwa Ägyptens UNO-Botschafter Amr Abdellatif Abulatta bei dem Treffen in New York. Die Botschafter von Großbritannien, Italien, Schweden und dem derzeit nicht im Sicherheitsrat vertretenen Deutschland teilten nach der Sitzung in einer gemeinsamen Erklärung mit, die Entscheidung sei „nicht in Übereinstimmung mit UNO-Resolutionen“ und „nicht hilfreich in Hinsicht der Aussichten auf Frieden in der Region“.

Auch Vertreter Israels und der Palästinenser, die als Beobachter bei den UNO teilnehmen, waren bei dem Treffen anwesend. Während der palästinensische Vertreter Rijad Mansur Trumps Entscheidung als „extrem bedauerlich“ wertete, sprach der israelische UNO-Botschafter Danny Danon von einem „Meilenstein für Israel, den Frieden und die Welt“.

„Schwierigste Thema“

Zuvor hatte der per Video aus Jerusalem zugeschaltete UNO-Nahost-Gesandte Nikolay Mladenov den Sicherheitsrat über die Lage informiert. Der Status von Jerusalem sei das „emotionalste und schwierigste Thema“ im Friedensprozess, sagte er und forderte alle Beteiligten zu Ruhe, Zurückhaltung und einer Rückkehr zu „konstruktivem Dialog“ auf. „Das ist ein kritischer Moment in der langen Geschichte dieses Konflikts.“

Der endgültige Status von Jerusalem ist einer der größten Streitpunkte im Nahost-Konflikt. Die Palästinenser beanspruchen den 1967 von Israel besetzten und 1980 annektierten Ostteil Jerusalems als künftige Hauptstadt ihres angestrebten eigenen Staates. Innerhalb der UNO herrschte bisher Konsens, dass der Status der Stadt in Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern geklärt werden müsse.

Lawrow: USA verletzen „alle Abkommen“

Scharfe Kritik kam von Russlands Außenminister Sergej Lawrow. „Das verletzt alle Abkommen“, sagte Lawrow am Freitag in einer Pressekonferenz am Rande des Ministerrates der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Wiener Hofburg. Die Entscheidung erschwere die Lösung des Nahost-Konflikts.

Der russische Außenminister warf den USA vor, den Lösungsplan der arabischen Staaten aus dem Jahr 2002 auf den Kopf stellen zu wollen. Damals war geplant, dass die arabischen Staaten nach einer Zweistaatenlösung Israel anerkennen würden. Die jetzige US-Regierung sei der Meinung, dass sich das palästinensische Problem „von selbst löst“, wenn die Beziehungen zu den arabischen Staaten normalisiert würden.

Die Entscheidung mache es Lawrow zufolge schwerer, die Beziehungen der USA zu den arabischen Staaten zu normalisieren und das Palästinenserproblem zu lösen. Er habe den US-Außenminister Rex Tillerson beim Wiener OSZE-Treffen gefragt, „wo die Logik des Ganzen ist“, sagte der russische Außenminister weiter.

Krisensitzung auch bei Arabischer Liga

Mit Trumps Jerusalem-Entscheidung befasst sich am Samstag auch eine Dringlichkeitssitzung der Arabischen Liga. Es wird erwartet, dass die Staatengemeinschaft bei ihrem Treffen in Kairo scharfe Kritik an der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels übt.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Ghait, hatte bereits am Mittwoch von einer „ungerechtfertigten Provokation“ für die Gefühle der Araber und Muslime gesprochen. Trumps Entscheidung erschüttere das Vertrauen der Araber in die Neutralität der USA.

Absage für Pence aus Kairo

Der Großimam der angesehenen Al-Aschar-Moschee in Kairo sagte unterdessen aus Protest ein geplantes Treffen mit Trumps Stellvertreter Mike Pence wieder ab. In einer Erklärung der Moschee hieß es am Freitag, Ahmed al-Tajeb lehne Pences „formelle Anfrage“ für ein Treffen mit ihm am 20. Dezember „kategorisch“ ab.

Eine entsprechende Anfrage der US-Botschaft vor einer Woche habe der Großimam zunächst positiv beschieden. Aber nach der „ungerechten und unfairen“ Entscheidung der USA, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, lehne er ein Treffen mit Pence „nachdrücklich und entschieden“ ab. Tajeb lehrt an der Kairoer Al-Aschar-Universität, die Sunniten in aller Welt als oberste Instanz für religiöse und rechtliche Fragen gilt.

„Jerusalem ist wichtiger als Treffen mit Pence“

Bereits am Donnerstag gingen die Palästinenser diplomatisch auf Distanz zu den USA. Nach der Entscheidung Trumps wird Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nach Angaben von Fatah-Vertretern US-Vizepräsident Pence nicht wie geplant in Bethlehem treffen. „Dieses Treffen wird nicht stattfinden“, sagte der ehemalige Sicherheitschef Dschibril Radschub in einem Fernsehinterview. „Ich sage, im Namen der Fatah, dass wir keinerlei US-Vertreter in den Palästinensergebieten treffen werden.“

Pence habe Abbas am 19. Dezember in Bethlehem treffen wollen, sagte Raschub. Die BBC berichtete, die USA hätten die Palästinenser vor einer Absage des Treffens gewarnt. Abbas’ Sprecher sagte dem arabischen Sender Al-Jazeera am Freitag zu der Warnung: „Jerusalem ist wichtiger als jedes Treffen mit Pence oder irgendeinem anderen amerikanischen Vertreter.“

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