Höchstgericht sah Diskriminierung
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) gibt den Weg für die „Ehe für alle“ frei. Auch gleichgeschlechtliche Paare können damit künftig in Österreich heiraten. Mit einem Erkenntnis von Montag hob das Höchstgericht die gesetzlichen Regeln auf, die gleichgeschlechtlichen Paaren bisher den Zugang zur Ehe verwehren.
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Der Gerichtshof begründete diesen Schritt mit dem Diskriminierungsverbot des Gleichheitsgrundsatzes. Die alte Regelung wird mit 31. Dezember 2018 aufgehoben. Die Öffnung tritt daher am 1. Jänner 2019 in Kraft. Gleichzeitig steht dann die eingetragene Partnerschaft auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen, sollte der Gesetzgeber bis dahin nicht anderes beschließen.
Der VfGH hatte die Prüfung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen im Oktober eingeleitet. Anlass des Verfahrens war die Beschwerde zweier Frauen, die in eingetragener Partnerschaft leben und die Zulassung zur Begründung einer Ehe beantragt haben. Dieser Antrag wurde vom Magistrat der Stadt Wien und in der Folge vom Verwaltungsgericht Wien abgelehnt.
Gefahr, „diskriminiert zu werden“
Die Unterscheidung in Ehe und eingetragene Partnerschaft lasse sich aber nicht aufrechterhalten, ohne gleichgeschlechtliche Paare zu diskriminieren, stellte der VfGH nun klar und nahm damit einmal mehr der Politik eine Entscheidung ab. Die Trennung in zwei Rechtsinstitute bringe zum Ausdruck, dass Menschen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung nicht gleich den Personen mit verschiedengeschlechtlicher Orientierung sind, so die Verfassungsrichter.
Im VfGH-Erkenntnis heißt es wörtlich: „Die damit verursachte diskriminierende Wirkung zeigt sich darin, dass durch die unterschiedliche Bezeichnung des Familienstandes (‚verheiratet‘ versus ‚in eingetragener Partnerschaft lebend‘) Personen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft auch in Zusammenhängen, in denen die sexuelle Orientierung keinerlei Rolle spielt und spielen darf, diese offenlegen müssen und, insbesondere auch vor dem historischen Hintergrund, Gefahr laufen, diskriminiert zu werden.“
Freude bei Befürwortern
Helmut Graupner, Anwalt der beiden Frauen, sprach in einer ersten Reaktion von einem historischen Tag. „Wir haben auf voller Linie gesiegt. Der VfGH (das erste und älteste Verfassungsgericht der Welt) ist damit das erste Gericht Europas, das das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben hat. Und Österreich das erste Land Europas, das die Ehegleichheit als Menschenrecht anerkennt und verwirklicht. In den anderen europäischen Ländern erfolgte die Eheöffnung (lediglich) auf politischem Weg“, schrieb Graupner auf Facebook.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
Bereits der Prüfbeschluss hatte bei Befürwortern der „Ehe für alle“ für Freude gesorgt. „Dass der Verfassungsgerichtshof in diesem Verfahren erstmals klar die generelle Diskriminierung zwischen der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft erkennt, ist ein immens wichtiger Schritt auf dem Weg zu gleichen Rechten für alle ÖsterreicherInnen“, sagte im Oktober SPÖ-Bundesrat Mario Lindner, Vorsitzender der sozialdemokratischen LSBTI-Organisation SoHo, in einer Aussendung.
Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak stellte damals fest: „Nach der Bevölkerung ist möglicherweise auch die Judikatur der Politik einen Schritt voraus“ und komme „den ewiggestrigen Parteien ÖVP und FPÖ zuvor.“ Aber: „Es wäre bedeutend besser, wenn das Parlament endlich selbst die Ehe öffnet und sich nicht weiter drückt“, so Scherak.
Im Juni an Widerstand von ÖVP und FPÖ gescheitert
Noch Ende Juni war der Versuch, die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, im Parlament am Widerstand von ÖVP und FPÖ gescheitert. Damals stimmten nur SPÖ, Grüne und NEOS für einen Fristsetzungsantrag für die „Ehe für alle“. Der Abstimmung war eine bewegte Debatte vorangegangen. Vor allem die ÖVP verwies in der Diskussion auch auf den VfGH. In Österreich lägen dem Gericht Beschwerden gegen das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare vor, dessen Entscheidung wolle man abwarten hieß es.
Der Verweis auf den VfGH wurde vonseiten der ÖVP auch als Unterschied zu Deutschland ausgemacht. Dort stimmte der Bundestag Ende Juni in einer historischen Entscheidung für die „Ehe für alle“. Bei 623 abgegebenen Stimmen sprach sich eine Mehrheit von 393 Abgeordneten für eine völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare aus.
Bisheriges Gesetz acht Jahre alt
In Österreich war das Eingetragene-Partnerschaft-Gesetz (EPG) 2009 beschlossen worden. 2010 trat es in Kraft. Der Gesetzgeber verfolgte damals das Ziel, die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare abzubauen, blieb aber vor dem Hintergrund eines „bestimmten traditionellen Verständnisses“ bei zwei verschiedenen Rechtsinstituten, eben der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft.
Seither wurde die eingetragene Partnerschaft der Ehe weiter angenähert. Die beiden Rechtsinstitute entsprechen einander heute sowohl von der Ausgestaltung als auch von den Rechtsfolgen her trotz „vereinzelt bestehender Unterschiede“ weitgehend. Die jüngere Rechtsentwicklung ermöglicht insbesondere eine gemeinsame Elternschaft auch gleichgeschlechtlicher Paare: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen Kinder (gemeinsam) adoptieren und die zulässigen Formen medizinisch unterstützter Fortpflanzung gleichberechtigt nutzen.
Die Aufhebung des VfGH umfasst nun die Wortfolge „verschiedenen Geschlechtes“ in den Regeln des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) zur Ehe sowie jene Bestimmungen im EPG, welche die eingetragene Partnerschaft auf gleichgeschlechtliche Paare beschränken. Damit stehen nach der Aufhebung die Ehe und die eingetragene Partnerschaft sowohl gleich- als auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen.
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