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ANC unter Druck

Groß waren die Hoffnungen in Südafrika vor mehr als 20 Jahren nach dem friedlichen Übergang vom Apartheid-Regime zur Demokratie, angeführt vom Freiheitskämpfer Nelson Mandela. Die schwarze Mehrheitsbevölkerung erhoffte sich nicht nur politische Mitsprache, sondern vor allem auch eine Besserung der wirtschaftlichen Situation.

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Doch obwohl mit dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) die Anti-Apartheid-Bewegung an der Macht ist, lebt das Gros der schwarzen Bevölkerung weiter in bitterer Armut - und die Schere zwischen Arm und Reich ist noch weiter aufgegangen. Diese ohnehin schwierige Lage wird aber durch einen tief gehenden Korruptionsskandal, für den Südafrikas Volksanwaltschaft, der Public Protector, bereits die Bezeichnung „Unterwanderung des Staates“ gewählt hat, noch dramatisch verschärft.

ANC-Kongress vor Weihnachten

Das Problem: Ex-Präsident Jacob Zuma steht an der Spitze jenes Skandals, der seit Jahren das Land am Kap erschüttert. Er hat sich - so die Vorwürfe von Kritikern, darunter zahlreiche ehemalige Weggenossen - von drei indischen Geschäftsleuten, den Brüdern Ajay, Atul and Rajesh Gupta kaufen lassen.

Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma

APA/AFP/Phill Magakoe

Auf Zuma könnte ab 2019 eine Lawine an Gerichtsverfahren zukommen

Die Gupta-Brüder sollen sich, so die zahlreichen Vorwürfe, via Zuma direkten Zugriff auf zahlreiche Behörden gesichert haben. Sie sollen mit Staatsaufträgen, Förderungen und durch ihr Auftreten als Vermittler für Staatsaufträge Milliarden eingenommen haben - laut „Financial Times“ schätzen Ermittler die Summe auf 30 Milliarden Rand (1,9 Mrd. Euro). Zuma wehrt sich bis heute, zumindest einen Teil des Steuergeldes, das er laut Verfassungsgericht für die Sanierung seiner Privatvilla missbrauchte, zurückzuzahlen.

Vom Schuhverkäufer zum Fädenzieher

Die Gupta-Brüder stammen aus dem indischen Bundesstaat Uttar Pradesh und verteilten sich zunächst international: Der älteste, Ajay, ging nach Russland, Rajesh nach China und der mittlere, Atul, nach Südafrika. Dort begann er als Schuhverkäufer. Atul nutzte die wirtschaftliche Aufbruchsstimmung, die mit dem Ende des Apartheid-Regimes am Kap aufkam, und gründete eine Billigcomputerfirma. Correct Marketing, später in Sahara Computers umbenannt, baute aus günstig zusammengekauften Einzelkomponenten Computer zusammen. Seine Brüder, die ihn in diesen Jahren mehrmals besuchten, ließen sich schließlich auch in Südafrika nieder und arbeiteten mit Atul zusammen.

Die Verbindung in die Politik fand Atul Gupta laut „Financial Times“ dank dem ANC-Aktivisten Essop Pahad - einem engen Vertrauten und Berater des damaligen Präsidenten Thabo Mbeki. Nachdem er Atul mit Mbeki bekanntgemacht hatte, begleitete Atul Mbeki später auf einer Geschäftsreise nach Indien.

Zumas Sohn arbeitet für die Guptas

Die Guptas bauten Beziehungen zu verschiedenen ANC-Politikern auf - darunter auch zum damaligen Stellvertreter Mbekis in ANC und Präsidentenamt, Zuma. Nachdem er von Mbeki gefeuert, wegen Korruption in 700 Fällen und wegen Vergewaltigung der HIV-infizierten Tochter eines Freundes angeklagt worden war, schien seine Karriere eigentlich zu Ende. Doch nach einem Freispruch im Zweifel besiegte Zuma entgegen den Erwartungen Mbeki im Rennen um den ANC-Vorsitz und wurde 2009 auch zum Präsidenten gewählt.

Die Gupta-Brüder hielten die ganze Zeit über die Verbindung zu Zuma aufrecht. Längst arbeitete sein Sohn Duduzane bei Sahara Computers und wurde einer der führenden Manager. Er kaufte später auch Anteile mehrerer Gupta-Firmen - möglicherweise mit Hilfe eines Kredits der Guptas. Auch Duduzanes Zwillingsschwester Duduzile arbeitete mehrere Jahre im Management von Sahara Computers.

Anrufe vom Präsidenten

Zuma intervenierte über die Jahre laut Angaben Betroffener immer wieder direkt und persönlich zugunsten der Guptas. So drängte er den damaligen Chef der Pressestelle der Regierung, Themba Maseko, zu einem Treffen mit den Gupta-Brüdern. Er musste dazu zum noblen Wohnsitz in Johannesburg, Number Five Saxonwold Drive. Maseko war auch für die Vergabe von Werbeeinschaltungen von Ministerien zuständig - und der „Financial Times“ berichtete er von dem rund 20-minütigen Gespräch mit Ajay Gupta, der demnach ankündigte, der Konzern, der mittlerweile auch Minen und Zeitungen betrieb, werde einen TV- und Radiosender starten.

Er, Maseko, solle das gesamte Werbebudget der Pressestelle - 600 Mio. Rand (37,6 Mio. Euro) - diesem Sender zukommen lassen. Den Einwand, jedes Ministerium entscheide selbständig, beantwortete Ajay Gupta demnach damit, dass er sich um die Minister kümmern würde, sollten sie Probleme machen. Als Maseko dennoch die Zusammenarbeit ablehnte, wurde er wenig später aus seinem Amt entlassen.

Die Guptas hätten Zuma dazu gebracht, „mich entweder unter Druck zu setzen oder ihre Macht zu demonstrieren, dass sie Zugang zu den höchsten Ämtern im Land haben“, so Maseko über Zumas dem Treffen vorangegangenen Anruf.

Millionen für Ministerjob geboten

Ähnlich erging es auch dem Finanzminister, der offenbar mehrere Interventionen der Gupta-Brüder abwehrte. Dessen Stellvertreter Mcebisi Jonas, erschien im Oktober 2015 auf Bitte von Duduzane Zuma bei den Guptas in Number Five Saxonwold Drive. In einer eidesstattlichen Aussage schilderte er später, was dort geschah: Demnach boten ihm die Guptas das Amt des Finanzministers an - unter der Bedingung, mehrere Personalumbesetzungen im Ministerium vorzunehmen. Dafür seien ihm zudem 600 Mio. Rand (37,6 Mio. Euro) geboten worden, 600.000 davon gleich in Cash. Jonas lehnte ab.

Als er seinem Chef, dem auch international angesehenen Finanzminister Nhlanhla Nene, davon erzählte, glaubte ihm dieser nicht - wenig später wurde Nene aber von Zuma entlassen und durch einen in Finanzangelegenheiten unerfahrenen Abgeordneten, David van Rooyen, ersetzt. Nach einem internationalen Absturz der südafrikanischen Währung und heftiger Proteste wurde Van Rooyen nach wenigen Tagen ebenfalls abgesetzt. Duduzane Zuma und Gupta bestreiten, dass je ein Treffen mit Jonas stattfand. Telefonprotokolle, die der Volksanwaltschaft vorliegen, stützten laut „FT“ aber Jonas’ Darstellung.

„Ein Staat im Staat“

Das Journalistenkollektiv amaBhungane („Mistkäfer“ in Zulu, Anm.) hat unter dem Hashtag „#GuptaLeaks“ und dem Motto „Nach Dreck graben“ Tausende Dokumente und interne E-Mails veröffentlicht und damit ein grelles Licht auf das Ausmaß, mit dem die Guptas die staatlichen Institutionen beeinflussen, geworfen. So belegen die E-Mails laut „Frankfurter Rundschau“, dass die Gupta-Firma Tequesta Group Ltd. beim Verkauf von mehr als 550 Lokomotiven an die staatliche Bahngesellschaft Transnet 21 Prozent des Kaufpreises erhielt - und zwar ausschließlich für die Vermittlung des Deals.

Laut dem Journalisten Jacques Pauw war Zuma privat schwer verschuldet, als er Präsident wurde. Unter Zuma sei Südafrika ein Land mit zwei Regierungen geworden. Es gebe eine „gewählte Regierung und eine Schattenregierung - ein Staat im Staat“, so Pauw in seinem Buch „The President’s Keepers“ („Die Hüter des Präsidenten“).

FBI ermittelt

Längst hat der Skandal internationale Dimensionen: Das FBI begann im Oktober eine Untersuchung, die mögliche Verbindungen der Gupta-Familie und Zahlungen in die USA betrifft. Auch die britische Bankenaufsicht FCA prüft die Verbindungen zweier Banken - HSBC und Standard Chartered - zur Gupta-Familie. Auch im britischen Parlament war die Affäre bereits Thema.

Zuma und die Gupta-Brüder weisen seit Jahren alle Vorwürfe zurück. Tausende E-Mails, die geleakt wurden und in Südafrika als „Gupta-Leak“ bekannt sind, weisen aber auf Bestechung in staatlichen Firmen hin. In diesem Zusammenhang wurden auch mehrere internationale Konzerne genannt, etwa das deutsche Softwareunternehmen SAP und der Schweizer Baumaschinen- und Kühlgerätehersteller Liebherr.

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