Kritik an durchgepeitschtem Beschluss
Grundsätzlich ist die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) ab dem 25. Mai innerhalb der EU anzuwenden. Das Grundgerüst gilt für alle Staaten, sie enthält jedoch einige Spielräume, die von den einzelnen Ländern individuell geformt werden können. In Österreich stieß die Ausgestaltung des Anpassungsgesetzes mehrfach auf Kritik.
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Dieses wurde bereits im Sommer von der letzten SPÖ-ÖVP-Regierung auf den Weg gebracht. Geregelt werden etwa die Rolle der Datenschutzbehörde oder Fragen der Rechtsdurchsetzung. Bereits damals gab es Kritik: Die Opposition beklagte vor allem die überstürzte Vorgangsweise, sei doch der Gesetzesentwurf schon eingebracht worden, als noch nicht einmal die Begutachtung zu Ende gegangen war.
Die ISPA und 27 weitere Verbände kritisierten das in einem offenen Brief an Bundespräsident Alexander Van der Bellen stark. Über hundert intensiv ausgearbeitete Stellungnahmen mit fachlichem Know-how hätten angesichts des Eilverfahrens wohl kaum berücksichtigt werden können. Bemängelt wurde ein „Demokratiedefizit“.
Auch Novelle von Innenministerium sorgt für Aufruhr
Für Aufregung sorgte zuletzt nun auch eine Novelle des Anpassungsgesetzes der neuen Regierung. Die Organisation epicenter.works prangerte an, dass die Regierung Protokollpflichten behördlicher Abfragen lockern wolle. So sollen die Informationen über Abfragen behördlicher Datenbanken - etwa durch die Polizei - künftig „zwecks Speicherbegrenzung“ nur mehr zwei Jahre lang aufgehoben werden. Das ist ein Jahr kürzer als bisher.
Die Argumentation der „Speicherbegrenzung“ wollen die Kritiker jedenfalls nicht hinnehmen. Die Rechnung von epicenter.works: Bei täglich einer Abfrage würden die Daten in 50 Jahren rund 560 Gigabyte in Anspruch nehmen, was auf eine handelsübliche Festplatte passe. Eine solche wollten die Aktivisten bei ihrer Aktion auch direkt dem Innenministerium übergeben. Sie scheiterten am Portier des Hauses, der auf den üblichen Postweg verwies.
Wirbel um Zuordnung von Polizeiabfragen
Für erhebliche Aufregung sorgte aber, dass automatisierte Abfragen aus Datenbanken nicht mehr protokolliert werden sollen bzw. dass bei Abfragen keine Zuordnung zu einem bestimmten Organwalter getroffen werden soll. Für das Innenministerium geht die Kritik daran ins Leere. Laut dem Ministerium ist bei Abfragen auch künftig eine Kennung samt Passwort notwendig. Damit würden alle gesetzten Abfrageschritte vom System protokolliert.
Die beiden Punkte sorgen auch bei ÖGB und Arbeiterkammer (AK) für Kritik. „Möglichst lückenlose, detaillierte Protokollierungen dienen dem Rechtsschutzinteresse der Betroffenen“, heißt es in der Stellungnahme. Die dreijährige Aufbewahrungsfrist für Protokollaufzeichnungen im Bereich sicherheitspolizeilicher Datenanwendungen sollte zudem beibehalten und nicht auf zwei Jahre reduziert werden.
ÖGB und AK begrüßten in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zwar das selbst definierte Ziel des Innenministeriums, ein hohes Datenschutzniveau bei der Speicherung von personenbezogenen Daten weiterhin zu gewährleisten. Spielräume der EU-Verordnung sollten allerdings nicht dazu genutzt werden, „Rechte der Betroffenen zu allgemein und undifferenziert zu beschneiden“. So sei der gänzliche Ausschluss des Widerspruchsrechts für Datenverarbeitung nicht ausreichend begründet.
Widerspruchsrecht als Zankapfel
Das Innenministerium argumentiert die geplante Streichung der Widerspruchsrechte mit der „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“, dem „beträchtlichen Verwaltungsaufwand“, der Widersprüche verursachen würde, und damit, dass die EU-DSGV „durch nationale Bestimmungen beschränkt werden kann, sofern eine solche Beschränkung notwendig und verhältnismäßig ist“. Mit dem Widerspruchsrecht würde unter anderem das Melderegister obsolet.
Diese Haltung kritisierte der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak. „Das Widerspruchsrecht der EU-DSGVO gilt ohnehin nur für den Fall, dass sich eine grundsätzlich rechtmäßige Datenverarbeitung im Nachhinein in Sonderfällen als rechtswidrig erweist. Erfasst also nur bestimmte Fälle, in denen ein besonders berücksichtigungswürdiges Interesse besteht. Das Ministerium argumentiert, dass Daten auf Verlangen des Betroffenen nach erfolgtem Widerspruch bis zur Klärung nicht verarbeitet werden dürfen, dadurch würde der Vollzug unmöglich werden. Eine solche Nichtverarbeitungspflicht besteht aber überhaupt nur auf Antrag des Betroffenen.“
Geht es nach der EU-DSGVO, müssen die Ausnahmen vom Widerspruchsrecht „den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achten und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme darstellen“. Diese komplette Streichung des Widerspruchsrechts entspreche dieser Verhältnismäßigkeit „sicher nicht“, so Scherak.
Auch Warnung von Rechtsanwaltskammer
Vor einer - möglicherweise ungewollten - Senkung der Datenschutzstandards durch die Novelle warnt der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) in seiner Stellungnahme. Abgeraten wird darin auch vor einer möglichen Lockerung der Protokollierungspflichten. Außerdem weisen die Anwälte ebenso darauf hin, dass „in nahezu allen zur Änderung stehenden Materiengesetzen das Widerspruchsrecht der Betroffenen vollständig eingeschränkt wird“.
Auch der Österreichische Seniorenrat zweifelt daran, dass der völlige Ausschluss des Widerspruchsrechtes verhältnismäßig ist. Für das Institute for Parlamentarism, Security and Science wird durch den Wegfall der Widerspruchsrechte den Betroffenen ein Recht genommen, das auf Grundrechten basiert.
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