„Sehr gut“ bis „Nicht genügend“
Nach einer rund vierstündigen Sitzung haben ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Dienstag im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz den Abschluss des Bildungskapitels und die geplanten Eckpunkte bekanntgegeben.
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Im Fokus steht dabei neben verpflichtenden Deutschkenntnissen bereits beim Schuleintritt unter anderem auch eine „Bildungspflicht“. Kurz verwies in diesem Zusammenhang auf „Grundkompetenzen“ wie Lesen, Schreiben, Rechnen sowie soziale und kreative Kompetenz, die nach neun Schulstufen erbracht werden müssen. Ansonsten muss den Plänen zufolge die Bildungslaufbahn bis zum Alter von maximal 18 Jahren fortgesetzt werden.

APA/Helmut Fohringer
Strache und Kurz zeigen sich beim gemeinsamen Regierungsvorhaben weiter zuversichtlich
ÖVP und FPÖ setzen zudem auf eigene Vorbereitungsklassen für Kinder mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen, den Erhalt der Sonderschule, Ethikunterricht, ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr sowie auf Sanktionen bei Sozialleistungen, wenn die Eltern den gesetzten Vorgaben nicht folgen.
Dazu soll es Schulen ab der fünften Schulstufe ermöglicht werden, sich ihre Schüler und Schülerinnen verstärkt auszusuchen. Vorgesehen ist eine „temporäre Möglichkeit von Eingangsverfahren (im Zuge der Anmeldungen für die jeweiligen ersten Klassen) für höhere Schulen“. An Aufnahmeprüfungen ist dabei aber nicht gedacht.
„Notenwahrheit“
„Wiederherstellen“ wollen die potenziellen Koalitionspartner die „Notenwahrheit“. Ab der ersten Klasse Volksschule hat künftig wieder die klassische Skala vom Einser (Sehr gut) bis zum Fünfer (Nicht genügend) zu gelten. Verbale Benotungen sind nur noch zusätzlich möglich. Das sieht Kurz auch „positiv“, gebe es Kindern doch die Möglichkeit, „etwas mehr Feedback“ zu bekommen. Die Noten seien aber für die Vergleichbarkeit „sehr sinnvoll“, meint der ÖVP-Chef.
ÖVP-Bildungsexperte Salcher zum Bildungspaket
Andreas Salcher, der die ÖVP bei den Verhandlungen zum Thema Bildung als Experte beraten hat, bezeichnete das neue Bildungspaket in der ZIB2 als Reaktion auf das momentane Bildungssystem.
Vor dem Schuleintritt sind zwei verpflichtende Kindergartenjahre zu absolvieren, allerdings nur wenn sich bei einer Testung herausstellt, dass das für das jeweilige Kind angebracht ist. Schülerinnen und Schüler, die Deutsch nicht ausreichend beherrschen, sollen in eigenen Deutschklassen untergebracht werden. Auch im Sommer sowie an Nachmittagen soll es für diese Gruppe verpflichtenden Unterricht geben.
Am Ende der dritten Klasse Volksschule soll ein standardisierter verbindlicher „Talentecheck“ stehen. Zu Beginn der siebenten Schulstufe ist wiederum ein „Chancenpass“ vorgesehen. Dieser meint die Prüfung der Bildungsstandards ergänzt um weitere Tests, um die richtige Wahl des weiteren Bildungsweges zu unterstützen. Erhalten bleiben soll der Religionsunterricht. Für jene, die ihn nicht besuchen, ist ein verpflichtender Ethikunterricht geplant.
Weiterbildungspflicht auch für Lehrende
Lehrer und Lehrerinnen sollen sich verpflichtend fortbilden, und das „grundsätzlich“ in den unterrichtsfreien Zeiten. Eingeführt werden sollen flächendeckend Feedbacks für Lehrende durch Schüler und Schülerinnen. Organisatorisch geplant ist eine Auflösung der Einteilung des Bundesgebietes in standortgestützte Schulsprengel im Bereich der Neuen Mittelschule. Die ganztägigen Schulen sollen weiter ausgebaut und auch die tägliche Turnstunde weiterentwickelt werden. Abgeschafft werden soll das Bildungsinstitut BIFIE.
„Bildung ist ein Kernthema“
Mit dem Bildungsthema haben ÖVP und FPÖ eines ihrer Kernthemen abgeschlossen. Ungeachtet noch offener Fragen sieht ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger die Koalitonsverhandlungen „schon in der Endphase“.
Gesetzlich soll das Bildungswesen künftig kompakter gestaltet sein. Geplant ist dabei auch eine Durchforstung aller Lehrpläne, wie Strache ausführte. Kurz betonte, dass alle Erlässe, Verordnungen und Rundschreiben im Sinne einer Entbürokratisierung geprüft werden sollen. Alle bestehenden Schulgesetze sollen in einem klar formulierten Bundesbildungsgesetz für Inhalte und Organisation sowie einem Pädagogengesetz für alle personalrelevanten Aspekte aufgehen.
„Land der Meister“
Kurz und Strache versicherten unterdessen, dass entgegen mancher Befürchtung keine Kürzungen in dem Bereich, sondern Investitionen anstünden. Konkrete Summen nannten sie allerdings noch nicht. Einzig beim geplanten verpflichtenden Kindergartenjahr für jene, die es brauchen, gibt es schon Zahlen. Konkret sprach Strache von 70 Millionen Euro.
Wiewohl die potenziellen Koalitionspartner frischen Wind in der Bildungspolitik für nötig halten, werden nicht alle Reformen von Rot-Schwarz zurückgedreht. So bekannte sich Strache zur Schulautonomie und zu den Bildungsdirektionen. Laut Kurz können auch die Modellregionen für die gemeinsame Schule fortgeführt werden, wenngleich der ÖVP-Chef grundsätzlich auf ein differenziertes Schulsystem setzt - allerdings auch auf die Ganztagesschule, die weiter forciert werden soll.
Etwas tun wollen ÖVP und Freiheitliche auch für die Aufwertung der Lehre. Strache schwebt vor, dass Österreich zum „Land der Meister“ werden soll. Etabliert werden soll dabei ein Stipendiensystem für Meisterprüfungen.
Hammerschmid: „Inhaltsleer“
Kritik an den Bildungsplänen kommt von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ). Diese bezeichnete das Bildungspaket in einer Aussendung als „inhaltsleer“ und „undurchdacht“. Außer Schlagwörtern und Plattitüden scheine in den Arbeitsgruppen noch nichts entstanden zu sein. Erfreulich sei es, dass man bei der Bildung nicht sparen wolle. Es sei von den Verhandlern aber nicht geklärt worden, wie die Lücke von 600 Mio. Euro im Bildungsbudget für das Jahr 2018 geschlossen werden soll.
Als „gefährlichen Populismus“ lehnt Hammerschmid zudem die geplanten Deutschklassen vor Schuleintritt ab. „Wir können doch von Kindern nicht auf der einen Seite erwarten, dass sie sich integrieren und die Sprache lernen, und sie dann auf der anderen Seite ausgrenzen und zusammensperren.“
„Da brauchen wir noch etwas Zeit“
Dementiert wurden von Kurz und Strache unterdessen Medienberichte, wonach es bereits eine Einigung in Sachen Sozialversicherungsträger gibt. Das Thema stehe in den nächsten Tagen auf dem Programm, erklärte Strache angesprochen auf Berichte, wonach die Zahl der Kassen auf zehn reduziert werden soll. Ziel sei es, die Zahl der Sozialversicherungsträger zu reduzieren und das System effizienter zu gestalten, betonte der FPÖ-Chef.
Man habe über viele unterschiedliche Modelle gesprochen, alle hätten Vor- und Nachteile, sagte Kurz. Laut seinen Angaben sei aber keines mit der Zahl Zehn dabei. Welches Modell sich als das sinnvollste herausstelle, stehe somit noch nicht fest: „Da brauchen wir noch etwas Zeit.“
Weitere Knackpunkte sehen die Freiheitlichen noch bei den Punkten Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern sowie direkte Demokratie. Strache zufolge sollen diese nun aber „intern entsprechend knackig verhandelt“ werden. Kurz zufolge werde man sich die Zeit nehmen, „die wir brauchen“. Erklärtes Ziel bleibe ein Abschluss der Koalitionsverhandlungen bis Weihnachten. Ob das auch gelinge, sei aber noch offen.
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