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Schuldsprüche gegen alle Angeklagten

Der Drogeriemarktgründer Anton Schlecker muss nicht ins Gefängnis. Das Landgericht im deutschen Stuttgart verurteilte den 73-Jährigen am Montag wegen vorsätzlichen Bankrotts (entspricht in Österreich dem Tatbestand der fahrlässigen Krida) zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe von 54.000 Euro. Haftstrafen gab es jedoch für Schleckers Kinder.

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Lars und Meike Schlecker wurden zu Haftstrafen von zwei Jahren und neun Monaten beziehunsgsweise zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Das Gericht sah in ihrem Fall nicht nur den Vorwurf des Bankrotts als erwiesen an, sondern darüber hinaus Beihilfe zum Bankrott, Insolvenzverschleppung und Untreue.

Lars Schlecker, Sohn von Anton Schlecker

Reuters/Michaela Rehle

Lars Schlecker muss unter anderem wegen Untreue für über zwei Jahre ins Gefängnis

Für ihren Vater hatte die Staatsanwaltschaft am Ende des Prozesses drei Jahre Haft gefordert. Die Anklage sah es als erwiesen an, dass er als Eigentümer der nach ihm benannten Drogeriekette in den Monaten vor der Pleite Vermögen in Millionenhöhe zugunsten seiner Familie beiseitegeschafft hatte - Geld, das den Gläubigern am Ende fehlte.

Frage von Wissen und Nichtwissen

Als entscheidender Punkt hatte sich während des Prozesses die Frage herauskristalliert, ab wann Schlecker von der drohenden Pleite seines Unternehmens gewusst habe. Im Frühjahr 2012 hatte er in Deutschland für seine Drogeriekette Insolvenz angemeldet. Mehr als 25.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren ihre Jobs. Die Staatsanwaltschaft sah es als erwiesen an, dass dem Firmengründer schon deutlich früher klar gewesen sei, wie schlecht es um sein Unternehmen tatsächlich bestellt war.

Anton Schlecker

APA/AFP/Thomas Kienzle

Anton Schlecker bleibt das Gefängnis erspart

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hatten sich infolge von Umsatzrückgängen bereits 2009 „massive Liquiditätslücken“ aufgetan. Spätestens ab 2010 müsse sich Schlecker über die drohende Zahlungsunfähigkeit des Konzerns im Klaren gewesen sein, erklärten die Staatsanwälte in ihrem Schlussplädoyer.

Mit Pleite „gerechnet“ und „Vermögen gesichert“

Wegen fehlenden Kapitals hätte auch ein Sanierungskonzept keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Und auch das habe dem „Zahlenmenschen“ Schlecker bewusst gewesen sein müssen, so die Argumentation der Anklage, der das Gericht weitgehend folgte. Es sah es als erwiesen an, dass die Familie Schlecker spätestens Anfang Februar 2011 wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit droht.

„Alles deutet darauf hin, dass sie ab 2009 bereits damit gerechnet hatten und Vermögen gesichert haben“, sagte der Vorsitzende Richter Roderich Martis in seiner Urteilsbegründung. Die Familie habe bewusst Geld aus dem Unternehmen abgezogen. Das hätte in der Unternehmenskrise beendet werden müssen.

Hohe Summen an Kinder gezahlt

Schlecker zahlte in den Jahren vor der Insolvenz hohe Stundensätze an die Logistiktochter LDG. Der Unternehmer habe über diesen Weg versucht, Geld aus der Insolvenzmasse abzuziehen, so die Staatsanwaltschaft. Denn das Tochterunternehmen gehörte Lars und Meike. Unerlaubte Geldflüsse sah die Anklage auch in Geldgeschenken des Unternehmers an seine Kinder.

Meike Schlecker, Tochter von Anton Schlecker

APA/AFP/dpa/Deniz Calagan

Meike Schlecker wurde wie ihr Bruder zu einer Haftstrafe verurteilt

Darüber hinaus warf die Staatsanwaltschaft den beiden Geschwistern vor, dass ihnen ihr Vater kurz vor der Insolvenz Grundstücke für sieben Mio. Euro übertrug. Die Kinder hätten sich den Kaufpreis der Grundstücke hinterher aus dem Vermögen ihrer Firma wiedergeholt und damit auch dieses in die Insolvenz getrieben, so die Anklage. Das Geld zahlten die Geschwister erst im Rahmen eines Vergleichs an den Insolvenzverwalter zurück.

Verteidigung: Bis zum Schluss gekämpft

Die Verteidigung hielt den Vorwürfen gegen Schlecker entgegen, dass der Unternehmensgründer erst Mitte 2011 eine „Ahnung“ von der drohenden Zahlungsunfähigkeit bekommen habe. Schleckers Anwalt argumentierte in seinem Schlussplädoyer, dass der Geschäftsmann weiter für sein Unternehmen habe kämpfen wollen - und den Konzern schließlich auch aus früheren Krisen geführt habe. Bis Jänner 2012 habe Schlecker auch alle Forderungen und Löhne beglichen. Der Unternehmer selbst versicherte im Prozess, bis zuletzt an das Überleben der Firma geglaubt zu haben.

Auch die Geldgeschenke an Schleckers Kinder rechtfertigte die Verteidigung. Die habe es bereits vor 2010 gegebenen. Die Anwälte von Lars und Meike Schlecker sagten, dass die von den Staatsanwälten angeklagten Handlungen die Insolvenzmasse nicht geschmälert hätten. Meike Schlecker sagte, sie habe „nie die Absicht“ gehabt, „jemanden zu schädigen“.

Unternehmer in Privatinsolvenz

Schleckers Anwälte führten überdies ins Feld, dass der Unternehmer weiterhin mit seinem Privatvermögen für den Konzern gehaftet habe. Dabei wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, sein Vermögen im Ausland in Sicherheit zu bringen. Schlecker führte den Konzern als Einzelhandelskaufmann und übernahm deshalb die Haftung als Privatperson.

Inzwischen befindet sich der Unternehmer in Privatinsolvenz. Er habe sein gesamtes Vermögen verloren, sagte Schlecker vor Gericht. Seine Frau und seine beiden Kinder zahlten allerdings vor wenigen Wochen rund vier Mio. Euro an den Insolvenzverwalter. Lars Schlecker sprach in einer persönlichen Erklärung von einer „Schadenswiedergutmachung“.

Zivilprozess in Linz

Auch nach dem Urteil vom Montag wird sich das Insolvenzverfahren noch lange hinziehen. Und in Kürze muss sich die Familie erneut vor Gericht verantworten - diesmal in Österreich. In einem Zivilprozess fordert der Masseverwalter der insolventen österreichischen Schlecker-Nachfolgefirma dayli 20 Millionen Euro Schadenersatz von Frau Schlecker und ihren Kindern.

Sie sollen als Aufsichtsratsmitglieder der österreichischen Schlecker-Gesellschaft gesetzwidrige Zahlungen, die über den in der Bilanz ausgewiesenen Gewinn hinausgingen, genehmigt und nicht verhindert haben. Auf diesem Weg seien zwischen 2008 und 2011 Darlehen in Höhe von 174 Mio. Euro von der Österreich-Tochter direkt an Schlecker geflossen. Prozessbeginn ist der 12. Dezember.

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