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CDU gibt sich zuversichtlich

Die engste CDU-Spitze befürwortet nach dem Scheitern der deutschen Jamaika-Sondierungen einhellig Gespräche mit der SPD über die Bildung einer Großen Koalition. Es habe große Einigkeit gegeben, dass es Priorität sei, diese Gespräche erfolgreich zu führen, und es gebe Zuversicht, dass Verhandlungen zu einem Erfolg führen könnten, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU).

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Er äußerte sich Sonntag am späten Abend nach viereinhalbstündigen Beratungen des Präsidiums seiner Partei in Berlin. Die Verhandlungen seien zwar ergebnisoffen, und man wisse nicht, ob man am Ende zusammenkomme. Die CDU habe aber die feste Absicht, dass es eine handlungsfähige Regierung gebe - und keine Minderheitsregierung. „Sondern es ist definitiv ein Bündnis, das sich auf eine parlamentarische Mehrheit bezieht - und das wäre eine Große Koalition“, sagte Günther. Anstehende Gespräche sollten vonseiten der SPD aber nicht mit überzogenen Forderungen belastet werden, so der Tenor in Richtung SPD.

Merkel: Redliche und engagierte Gespräche mit SPD

Die deutsche Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel schlug auch nach Beratungen des CDU-Bundesvorstands am Montag in Berlin weiter in dieselbe Kerbe. Sie bekräftigte zu Mittag den Willen, eine stabile Regierung zu bilden. „Deshalb sind wir bereit, Gespräche mit der SPD aufzunehmen“, so die CDU-Vorsitzende. Die Union wolle der „Anker“ der Stabilität sein. Die Gespräche mit der SPD sollten „ernsthaft, engagiert, redlich“ und mit dem Ziel eines erfolgreichen Abschlusses geführt werden, fügte die CDU-Vorsitzende hinzu. Grundlage für die Verhandlungen solle das Wahlprogramm der Union sein.

Inhaltliche Bedingungen wollte Merkel vor Beginn der Verhandlungen nicht nennen. Eine Regierungsbildung sei ohne Kompromisse nicht möglich. Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Martin Schulz kommen am Donnerstagabend mit dem deutschen Präsident Frank-Walter Steinmeier zusammen, um über die Möglichkeiten einer Regierungsbildung zu sprechen.

Klöckner: Gründlichkeit vor Schnelligkeit

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner geht indes von möglichen Gesprächen mit der SPD erst im neuen Jahr aus. „Dann sollte es überall grünes Licht geben, dass man über eine Koalition verhandelt“, sagte die rheinland-pfälzische Landesparteichefin am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. Die SPD, die sich nach der Bundestagswahl vor zwei Monaten zunächst auf eine Rolle in der Opposition festgelegt hatte, brauche noch etwas Zeit, sagte Klöckner und verwies etwa auf den Parteitag der Sozialdemokraten in knapp zwei Wochen: „Man hätte danach nur eine Woche bis zur Winterpause.“

SPD formuliert bereits Forderungen

Indes stellen immer mehr SPD-Politiker inhaltliche Bedingungen für eine Große Koalition. Führende Sozialdemokraten pochen auf eine Bürgerversicherung und einen Kurswechsel in der Steuerpolitik. Für mögliche Sondierungsgespräche mit der Union formulierte der mächtige SPD-Landesverband in Nordrhein-Westfalen einem Medienbericht zufolge Kernforderungen an die Parteispitze in Berlin.

Dazu gehörten „eine paritätisch finanzierte Bürgerversicherung“ und eine Pensionsreform mit dem Ziel, das Pensionsniveau zu sichern und perspektivisch auf rund 50 Prozent anzuheben, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ (Montag-Ausgabe) aus einem Brief des SPD-Landesverbands an Parteichef Martin Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles.

Lauterbach: Kein Selbstläufer

SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach nannte die Bürgerversicherung als „zentrales Anliegen“ seiner Partei. Die SPD wolle eine „Bürgerversicherung mit einem gemeinsamen Versicherungsmarkt ohne Zweiklassenmedizin“, sagte der Gesundheitsexperte der „Passauer Neuen Presse“ (Montag-Ausgabe). Wenn die Union der SPD nicht entgegenkomme, werde es Neuwahlen geben. Die Große Koalition sei kein Selbstläufer.

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel forderte einen Kurswechsel in der Steuerpolitik. „Grundlage für alle Optionen ist unser Steuerkonzept aus dem Wahlkampf“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Montag-Ausgabe). Der Solidaritätszuschlag müsse ab 2020 für untere und mittlere Einkommen entfallen, die Einkommensteuer müsse für große und größte Vermögen steigen. Es gebe „keinen Automatismus für eine Große Koalition“.

Junge Union: Lassen uns nicht erpressen

In der Union formierte sich Widerstand gegen die Bedingungen. Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag-Ausgabe): „Bei den Kernthemen innere Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität muss der Vertrag die Handschrift der Union tragen.“ Die Union müsse wieder sichtbar werden als Partei, die für Rechtsstaatlichkeit und Ordnung stehe und für die normalen Bürger und Familien da sei. Wenn das mit der SPD nicht möglich sei, müsse eine Minderheitsregierung angegangen werden. „Wir lassen uns nicht erpressen“, sagte der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, dem „Spiegel“.

SPD-Junge und -Linke gegen Große Koalition

Für eine lockere Form der Regierungszusammenarbeit zwischen Union und SPD sprach sich der Sprecher der Parlamentarischen Linken der Sozialdemokraten im deutschen Bundestag, Matthias Miersch, aus. „Wir sehen keine Basis für eine Große Koalition“, sagte Miersch am Montag im Deutschlandfunk. Als Alternative schlug er feste Vereinbarungen in Kernfragen wie der Europa- und Haushaltspolitik vor, ohne ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten bei anderen Themen auszuschließen. Miersch sprach in diesem Zusammenhang von einem „vierten Weg“ neben den Optionen Große Koalition, Neuwahl und Minderheitsregierung.

Der SPD-Nachwuchs bekräftigte indes seine Ablehnung einer Neuauflage der Großen Koalition . Der neue Juso-Chef Kevin Kühnert sagte am Montag im Südwestrundfunk (SWR), die Union strebe das Bündnis mit den Sozialdemokraten vor allem aus Bequemlichkeit an. „Das verstehe ich auch, wenn man so ambitionslos Politik macht, wie die Kanzlerin das seit vielen Jahren macht. Dann erscheint das als der bequemere Weg.“

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