Zeitpunkt entscheidend
Der Bankrottprozess gegen den ehemaligen Drogeriemarktbesitzer Anton Schlecker vor dem Stuttgarter Landesgericht geht dem Ende zu. Am Montag werden die Urteile gegen den Unternehmensgründer und seine mitangeklagten Kinder erwartet. Geht es nach der Staatsanwaltschaft, müssen die Familienmitglieder für mehrere Jahre ins Gefängnis.
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Ab wann wusste Schlecker von der drohenden Pleite seines Unternehmens? Die Antwort des Gerichts auf diese Frage kann maßgeblich darüber entscheiden, ob der Drogeriemarktgründer eine Haftstrafe verbüßen muss oder nicht. Eine solche fordert die Staatsanwaltschaft sowohl für Schlecker selbst als auch für seine mitangeklagten Kinder Lars und Meike.

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Schlecker und seinen beiden Kindern droht eine mehrjährige Haftstrafe
Drei Jahre Gefängnis beantragten die Ankläger für den 73-Jährigen, dem sie Bankrott (entspricht in Österreich dem Tatbestand der fahrlässigen Krida) vorwerfen. Zwei Jahre und zehn Monate fordert die Staatsanwaltschaft für seinen Sohn, zwei Jahre und acht Monate für seine Tochter. Den Geschwistern wirft die Staatsanwaltschaft Bankrott, Insolvenzverschleppung und Untreue vor.
Staatsanwaltschaft sieht Wissen bewiesen
Im Frühjahr 2012 hatte Schlecker in Deutschland für seine Drogeriekette Insolvenz angemeldet. Mehr als 25.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren ihre Jobs. Die Staatsanwaltschaft sieht es jedoch als bewiesen an, dass der Firmengründer schon deutlich früher gewusst habe, wie schlecht es um sein Unternehmen tatsächlich bestellt ist.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hatten sich infolge von Umsatzrückgängen bereits 2009 „massive Liquiditätslücken“ aufgetan. Spätestens ab 2010 müsse sich Schlecker über die drohende Zahlungsunfähigkeit des Konzerns im Klaren gewesen sein, erklärten die Staatsanwälte in ihrem Schlussplädoyer diese Woche. Wegen fehlenden Kapitals hätte auch ein Sanierungskonzept keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Und auch das müsste dem „Zahlenmenschen“ Schlecker bewusst gewesen sein, so die Argumentation der Anklage.
Geld an Kinder abgezweigt?
Wissen oder Nichtwissen Schleckers ist der zentrale Punkt der Anklage. Davon hängt für die Staatsanwaltschaft ab, ob der ehemalige Unternehmer strafrechtlich relevant handelte oder nicht. So zahlte Schlecker in den Jahren vor der Insolvenz hohe Stundensätze an die Logistiktochter LDG. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft waren die Zahlungen zu hoch. Schlecker habe über diesen Weg versucht, Geld aus der Insolvenzmasse abzuziehen, lautet der Vorwurf. Das Tochterunternehmen gehörte Schleckers Kindern Lars und Meike. Unerlaubte Geldflüsse sieht die Anklage auch in Geldgeschenken des Unternehmers an seine Kinder.
Darüber hinaus wirft die Staatsanwaltschaft den beiden Geschwistern vor, dass ihnen ihr Vater kurz vor der Insolvenz Grundstücke für sieben Mio. Euro übertrug. Die Kinder hätten sich den Kaufpreis der Grundstücke hinterher aus dem Vermögen ihrer Firma wiedergeholt und damit auch dieses in die Insolvenz getrieben, so die Anklage. Das Geld zahlten die Geschwister erst im Rahmen eines Vergleichs an den Insolvenzverwalter zurück.
Verteidigung: Bis zum Schluss gekämpft
Die Verteidigung hielt den Vorwürfen gegen Schlecker entgegen, dass der Unternehmensgründer erst Mitte 2011 eine „Ahnung“ von der drohenden Zahlungsunfähigkeit bekommen habe. Schleckers Anwalt argumentierte in seinem Schlussplädoyer, dass der Geschäftsmann weiter für sein Unternehmen habe kämpfen wollen - und den Konzern schließlich auch aus früheren Krisen geführt habe. Bis Jänner 2012 habe Schlecker auch alle Forderungen und Löhne beglichen. Der Unternehmer selbst versicherte im Prozess, bis zuletzt an das Überleben der Firma geglaubt zu haben.

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Der Unternehmensgründer wies im Prozess die Vorwürfe von sich
Auch die Geldgeschenke an Schleckers Kinder rechtfertigte die Verteidigung. Die habe es bereits vor 2010 gegebenen. Die Anwälte von Lars und Meike Schlecker argumentierten, dass die von den Staatsanwälten angeklagten Handlungen die Insolvenzmasse nicht geschmälert hätten. Meike Schlecker sagte, sie habe „nie die Absicht“ gehabt, „jemanden zu schädigen“.
Unternehmer in Privatinsolvenz
Schleckers Anwälte führten überdies ins Feld, dass der Unternehmer weiterhin mit seinem Privatvermögen für den Konzern gehaftet habe. Dabei wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, sein Vermögen im Ausland in Sicherheit zu bringen. Schlecker führte den Konzern als Einzelhandelskaufmann und übernahm deshalb die Haftung als Privatperson. Inzwischen befindet sich der Unternehmer in Privatinsolvenz. Er habe sein gesamtes Vermögen verloren, sagte Schlecker vor Gericht.
Seine Frau und seine beiden Kinder zahlten allerdings vor wenigen Wochen rund 4 Mio. Euro an den Insolvenzverwalter. Lars Schlecker sprach in einer persönlichen Erklärung von einer „Schadenswiedergutmachung“. Die Zahlung hielten die Staatsanwälte Schlecker in ihrem Plädoyer auch zugute - ebenso wie sein hohes Alter und die Eingriffe in seine Privatsphäre durch die Medien. Das wiegt laut der Anklage die Höhe der beiseitegeschafften Beiträge aber nicht auf.
Zivilprozess in Linz
Unabhängig von der Entscheidung des Gerichts am Montag wird sich das Insolvenzverfahren noch lange hinziehen. Und in Kürze muss sich die Familie erneut vor Gericht verantworten - diesmal in Österreich. In einem Zivilprozess fordert der Masseverwalter der insolventen österreichischen Schlecker-Nachfolgefirma dayli 20 Millionen Euro Schadenersatz von der Ehefrau und den Kindern Schleckers.
Sie sollen als Aufsichtsratsmitglieder der österreichischen Schlecker-Gesellschaft gesetzwidrige Zahlungen, die über den in der Bilanz ausgewiesenen Gewinn hinausgingen, genehmigt und nicht verhindert haben. Auf diesem Weg seien zwischen 2008 und 2011 Darlehen in Höhe von 174 Mio. Euro von der Österreich-Tochter direkt an Schlecker geflossen sein. Prozessbeginn ist der 12. Dezember.
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