Nicht unumstrittener Siegeszug
„LED-Licht bietet viele Möglichkeiten und kann super sein“, heißt es in einer aktuellen Studie, laut der es aber auch Nachteile gibt, und diese werden bisher vielfach ausgeblendet. Der Studie zufolge sei der Siegeszug der Leuchtdioden zwar nicht mehr aufzuhalten - beim Einsatz gebe es allerdings noch reichlich Verbesserungspotenzial.
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Angesprochen ist damit nicht nur die nun saisonbedingt nach und nach wieder in Betrieb genommene Weihnachtsbeleuchtung und -dekoration, sondern generell der rasante Umstieg auf LED im privaten und öffentlichen Raum. Dort gibt es „viel zu viel Licht, was nicht immer notwendig ist“, so Christopher Kyba vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam (GFZ).
Kommunen, Unternehmen und Haushalte, die auf LED umsteigen, wollten zunächst sparen. Kyba zufolge verkehre sich das allerdings ins Gegenteil, wenn dann das Geld für weitere und noch hellere Lampen ausgegeben werde. Die Umrüstung auf LED-Beleuchtung führe demnach zu steigender Lichtverschmutzung, wie aus einer unter Kybas Federführung erstellten und im Fachjournal „Science Advances“ veröffentlichten internationalen Studie hervorgeht - mehr dazu in science.ORF.at.
Zwischen 2012 und 2016 plus 50 Prozent
Anhand von Satellitenaufnahmen wurde die Entwicklung der Lichtabstrahlung von 2012 bis 2016 verfolgt und laut Kyba eine deutliche Zunahme der Intensität des künstlichen Lichts und der Größe der beleuchteten Fläche nachgewiesen. In Österreich habe es von 2012 bis 2016 im Schnitt einen Anstieg der Lichtabstrahlung von etwa 50 Prozent gegeben, interpretierte der Astronom Günther Wuchterl auf APA-Anfrage die für Österreich gemessenen und veröffentlichten Daten.
Im Vergleich zu den meisten anderen in der Studie erfassten Ländern weise Österreich ziemlich starke Anstiege auf, sagte Wuchterl, der die Kuffner-Sternwarte in Wien leitet und seit Jahren gegen die Lichtverschmutzung kämpft.
Daten von „Suomi-NPP“
Die von Kyba geleitete Forschungsgruppe nutzte für die Studie ein Radiometer namens VIIRS (Visible/Infrared Imager Radiometer Suite), das Licht im sichtbaren und nahe dem Infrarotbereich erfasst. Es kreist dem Forschungszentrum zufolge seit Oktober 2011 auf dem Satelliten „Suomi-NPP“ um die Erde. So entstanden nach Kybas Angaben sehr genaue Karten.
Der Sensor an der Kamera könne jedoch Licht mit Wellenlängen unter 500 Nanometer nicht „sehen“. Beim Vergleich mit Aufnahmen, die vor Beginn des Projektes gemacht worden waren, erschienen einige Städte damit sogar dunkler, obwohl sie gleich hell oder heller strahlten. Die Lichtverschmutzung sei somit noch stärker als von VIIRS gemessen.
„Verblüffend nah“ an Wiener Erkenntnissen
Wuchterl verweist unterdessen auch auf den Hinweis der Studienautoren, dass in Österreich im Oktober 2016 - es wurden in der Studie nur die Messergebnisse von wolkenfreien Oktober-Nächten herangezogen - Schnee lag, was die Messergebnisse beeinflusst haben könnte. Mit einem rechnerischen Anstieg der Lichtabstrahlung von rund zehn Prozent pro Jahr seien die Ergebnisse dennoch „verblüffend nah an dem, was wir für die Umweltanwaltschaft in Wien herausbekommen haben“.
Während die Satelliten messen, was direkt nach oben gestrahlt wird, schauen sich Wuchterl und seine Kollegen an, wie viel Energie in die Lichtglocke geht, also was von Wolken und Atmosphäre wieder zurückgestrahlt wird. Und auch hier zeige sich ein Anstieg von rund zehn Prozent pro Jahr. „Man darf diese Übereinstimmung nicht gleich als Bestätigung sehen, aber es ist plausibler, als ich gedacht hätte“, so Wuchterl.
Auswirkungen auf innere Uhr
Nicht zum ersten Mal wird unterdessen in Sachen Lichtverschmutzung auch auf die möglichen Gesundheitsgefahren verwiesen. „Beim Menschen kann das Licht sogar die innere Uhr durcheinanderbringen“, sagte etwa Franz Hölker, Projektleiter beim Forschungsverbund Verlust der Nacht. LED-Licht am Abend gaukle dem Körper vor, es sei noch Tag, der Rhythmus komme durcheinander. Lichtverschmutzung wirke sich auch auf nachtaktive Tiere aus, die sich nur schwer orientieren könnten. Es müsse über nachhaltigere Formen der Verwendung des Lichts nachgedacht werden, meinte Hölker: „Wo ist wie viel in welcher Intensität erforderlich.“
Zu Beginn dieses Jahres bezeichnete eine Studie der Universität von Chicago auch den Mangel an Dunkelheit – neben dem Mangel an natürlichem Tageslicht - als zentrale Ursache für Schlafstörungen. Dieser Studie zufolge könne Kunstlicht im blauen Bereich die Produktion des für den Tag-Nacht-Rhythmus wichtigen Hormons Melatonin hemmen. Diesen Ansatz verfolgte auch eine im Vorjahr von der American Medical Association (AMA) veröffentlichte Studie. Neben Schlaflosigkeit wurden hier im Zusammenhang mit der Farbtemperatur von LED-Licht sogar schwere chronische Erkrankungen und sogar Krebs als mögliche Gesundheitsgefahren genannt.
Die Erkenntnisse gelten unter Experten als umstritten. Mit Blick auf den bereits weit fortgeschrittenen Umstieg auf LEDs in Wien zog etwa auch ein Vertreter des Lichttechniklabors der Stadt gegenüber dem „Standard“ mögliche gesundheitliche Schäden durch die neue Straßenbeleuchtung in Zweifel.
„Es fehlt an Kompetenz“
Dennoch regt sich immer wieder auch Widerstand in der Bevölkerung. „Das kühlere Licht lädt einfach weniger zum Verweilen ein“, hieß es dazu etwa von einem Lichtarchitekten in Wien - mehr dazu in wien.ORF.at. „Speziell in den Siedlungsbereichen gibt es Beschwerden von Anwohnern, die jetzt im Schlafzimmer grelles Licht haben, nicht schlafen können, oder deren Vorgärten komplett ausgeleuchtet sind“, hieß es zudem von einer Bürgerinitiative im oberösterreichischem Michelsdorf. Als Hintergrund wurden allerdings nicht die LEDs an sich, sondern eine fehlerhafte Beratung und der Kauf falscher Lampen genannt - mehr dazu in ooe.ORF.at.
„Es fehlen oftmals die Kompetenz und das Know-how, um auch die Qualität des Lichtes zu bewerten“, sagte dazu passend nun auch Friedrich Henckel, emeritierter Inhaber des Lehrstuhls Stadt- und Regionalökonomie an der Berliner Technischen Universität. Kommunen hätten ihm zufolge derzeit vor allem Einsparungen an Kosten, Energie und CO2 im Blick, wenn sie sich für LED entschieden. Laut Henckel muss es aber auch Lichtplanungsprojekte geben, in denen Sozialwissenschaftler, Planer und auch Naturschützer zusammenarbeiten.
Man müsse lernen, Licht „maßvoll und punktgenau dann einzusetzen, wenn es notwendig ist“, so Kyba. Dank moderner Technik sei es zudem möglich, die Lichtemission um zwei Drittel zu senken, ohne dass Menschen es als dunkler empfinden. Außer Frage steht damit auch für Kyba das anhaltend große Potenzial hinter der laufenden LED-Revolution.
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