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Notbremse beim Turbinengeschäft

Kahlschlag bei Siemens: Der Münchner Industriekonzern will in den nächsten Jahren weltweit fast 7.000 Arbeitsplätze im Geschäft mit Turbinen, Generatoren und großen Elektromotoren streichen, davon die Hälfte in Deutschland. „Es brennt lichterloh auf dem Markt, wir müssen schnell reagieren“, sagte Personalchefin Janina Kugel am Donnerstag.

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Dabei könnte es zum ersten Mal seit zehn Jahren zu Kündigungen bei Siemens auf dem Heimatmarkt kommen. Die Gewerkschaft IG Metall will das verhindern. Mit Abstand am stärksten betroffen ist die Kraftwerkssparte, die unter der Energiewende leidet. Die Gasturbinenwerke in Görlitz und Leipzig in Sachsen sollen geschlossen werden, in Erfurt könnte ein Verkauf die Schließung noch verhindern.

„Die Überkapazitäten sind dramatisch“, sagte Kugel. Allein Siemens könnte in den Jahren ab 2020 mehr große Turbinen für Gas- und Dampfkraftwerke produzieren, als dann weltweit bestellt werden. Dabei ist der Marktführer GE noch doppelt so groß. Er hatte Siemens einen jahrelangen Preiskampf geliefert, muss dem nun aber auch Tribut zollen.

Der Trend geht zu erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne, aber auch zur dezentralen Stromproduktion, auf die Siemens nicht ausgerichtet ist. Doch auch im Geschäft mit Windrädern hat Siemens Probleme. Die kürzlich fusionierte Tochter Siemens Gamesa, weltweit Nummer zwei, hatte erst vor wenigen Wochen den Abbau von 6.000 ihrer 26.000 Arbeitsplätze angekündigt - viele davon ebenfalls in Deutschland.

Die meisten Stellen bereits bis 2020 weg

Kugel stellte die Pläne am Donnerstag den Arbeitnehmervertretern zusammen mit PG-Spartenchef Willi Meixner vor. „Das war eine Sitzung, wie sie Siemens schon lange nicht mehr erlebt hatte“, sagte sie anschließend. Die Stimmung sei bedrückt gewesen. Kugel will die Verhandlungen über den Abbau so rasch wie möglich abschließen.

„Je schneller, desto besser“ - das sei auch im Interesse der Mitarbeiter. Der Abbau selbst könne sich zum Teil auch bis 2023 hinziehen, sagte Meixner. Die meisten Stellen fielen aber bis 2020 weg. Möglichst viele Betroffene sollten auf die zuletzt 3.200 freien Stellen im Konzern vermittelt werden, sagte Kugel. Doch wenige Mitarbeiter seien zum Umzug bereit.

Krise verschlafen?

Die Gewerkschaft kündigte Widerstand an: „Ein Stellenabbau in dieser Größenordnung ist angesichts der hervorragenden Gesamtsituation des Unternehmens völlig inakzeptabel“, sagte IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner, der auch im Aufsichtsrat des Münchner Industriekonzerns sitzt. Der Gewerkschafter warf dem Vorstand vor, „trotz wiederholter Appelle“ nicht rechtzeitig auf die Krise in der konventionellen Kraftwerkstechnik reagiert zu haben.

„Für ein Unternehmen wie Siemens grenzt diese Mischung aus Tatenlosigkeit und Einfallsarmut an einen Offenbarungseid des Managements“, sagte Kerner. Die IG Metall beharre auf dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und Werksschließungen, der bei Siemens seit 2010 gilt.

Ausnahmen könne es nur geben, wenn das Unternehmen als Ganzes gefährdet sei. Davon könne angesichts der Rekordzahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr 2017/18 aber keine Rede sein, sagte Kerner. Selbst die Kraftwerkssparte habe mehr als acht Prozent Umsatzrendite erwirtschaftet. Sie profitiert zurzeit noch von einem Großauftrag aus Ägypten, der aber fast abgearbeitet ist.

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