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Gewerkschaften empört

Zur Lösung der bereits länger schwelenden Probleme in der Kraftwerks- und Antriebssparte setzt der deutsche Elektronikkonzern nun auf einen umfangreichen Stellenabbau. Wie Siemens am Donnerstag bekanntgab, werden weltweit 6.900 Jobs gestrichen. Betroffen ist auch der Standort Wien.

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Siemens-Chef Joe Kaeser hatte vor Kurzem bereits „schmerzhafte Einschnitte“ angedeutet. „Unsere Division Power and Gas kämpft seit Längerem mit sehr schwierigen Marktverhältnissen und strukturellen Herausforderungen“, so Kaeser. Siemens müsse „Antworten auf die weltweiten Überkapazitäten und den dadurch ausgelösten Preisdruck finden“, sagte dazu nun Siemens-Personalchefin Janina Kugel, und Siemens-Vorstand Lisa Davis: „Die Energieerzeugungsbranche befindet sich in einem Umbruch, der in Umfang und Geschwindigkeit so noch nie da gewesen ist.“

Die Kraftwerkssparte mit weltweit rund 46.800 Beschäftigten gehört zu den umsatzträchtigsten Geschäftsfeldern von Siemens und soll nun den Löwenanteil der Stellenstreichungen tragen. 6.100 Jobs sollen allein hier wegfallen. Im Schlussquartal des abgelaufenen Geschäftsjahres steuerte die Sparte 3,7 Mrd. Euro zum Konzernumsatz von 22,3 Mrd. Euro bei. Weltweit arbeiteten für die Siemens-Kraftwerkssparte Ende September 46.800 Beschäftigte.

Siemens wird schon seit Längerem vor allem seine großen Gasturbinen nicht mehr los. Das sorgt für Preisverfall und Überkapazitäten. Von Stellenstreichungen betroffen ist aber auch das stark von Rohstoffpreisen abhängige Geschäftsfeld Prozessindustrie und Antriebe mit weltweit 44.800 Mitarbeitern. In beiden Sparten hatte Konzernchef Kaeser bereits Jobs gekappt.

Überschneidungen Wien, Offenbach, Erlangen

Wie viele Jobs nun am Standort Wien wackeln, ist noch offen. „Es ist uns sehr wichtig, zuallererst unsere Mitarbeiter zu informieren. Nähere Informationen geben wir anschließend gerne bekannt“, hieß es aus der Siemens-Österreich-Pressestelle. Bei Siemens Österreich arbeiten derzeit 10.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 5.800 in Wien - mehr dazu in wien.ORF.at.

Rotstift auch über Standort Wien angesetzt

Von den Stellenkürzungen ist auch der Siemens-Standort in Wien betroffen. Das genaue Ausmaß ist noch offen.

Siemens-Angaben zufolge gebe es in Wien sowie an den deutschen Standorten Offenbach und Erlangen allerdings die gleichen Kompetenzen bzw. Beschäftigte, die das Gleiche machten, weswegen der Konzern hier die Kapazitäten künftig „bündeln“ wolle. Dazu müsse es nun Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern geben, hieß es. Es gehe um die White-Collar-Jobs, also Angestellte.

Zwei deutsche Standorte vor dem Aus

Durch die angekündigte Bündelung müssen allein in Offenbach nun 700 Beschäftigte um ihren Job zittern. Für ein Werk in Erfurt prüft Siemens zudem mehrere Optionen, darunter auch einen Verkauf. Mit Görlitz und Leipzig sollen zwei Standorte im deutschen Bundesland Sachsen mit zusammen 920 Arbeitsplätzen zudem komplett geschlossen werden.

Stellenstreichungen wurden in der Kraftwerkssparte auch für die großen Werke in Berlin und Mülheim an der Ruhr mit 300 bzw. 640 betroffenen Jobs angekündigt. Von den 760 in der Antriebssparte betroffenen Jobs soll der Großteil im Berliner Dynamo-Werk gestrichen werden.

„Umsichtig und langfristig“

„Wir werden diese Maßnahmen sorgfältig, umsichtig und langfristig anlegen“, versprach Personalchefin Kugel. Ob Siemens ohne Kündigungen auskommen werde, ließ sie offen. Möglichst viele der Betroffenen sollten auf die 3.200 freien Stellen im Konzern vermittelt werden. Die Siemensführung hatte allerdings bereits vor der Bekanntgabe der Kürzungspläne auch betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Die Gewerkschaft IG Metall sieht darin einen Bruch der bei Siemens geltenden Vereinbarung zur Standort- und Beschäftigungssicherung.

Harter Widerstand angekündigt

Gewerkschaftsvorstand und Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner sprach von einem „breit angelegten Angriff auf die Arbeitnehmerseite“ und kündigte harten Widerstand an: „Ein Stellenabbau in dieser Größenordnung ist angesichts der hervorragenden Gesamtsituation des Unternehmens völlig inakzeptabel. Er kommt aus Sicht der IG Metall nicht einmal als ernsthafte Diskussionsgrundlage in Betracht.“ Die Probleme der betroffenen Bereiche seien seit Jahren abzusehen gewesen. Siemens habe Stellen abgebaut, aber die strukturellen Probleme ignoriert.

„Schlag ins Gesicht“

Für Empörung sorgen die Siemens-Stellenstreichungen auch in der Politik. Die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) appellierte an Siemens, beim Abbau Tausender Stellen in der Kraftwerkssparte fair mit den Mitarbeitern umzugehen. Vor allem Standorte in strukturschwachen Regionen müssten zudem erhalten bleiben oder andere Arbeitsplätze dort entstehen.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) bezeichnete die geplanten Schließungen der Standorte Leipzig und Görlitz als „unverantwortlich“. Tillich zufolge lasse die Siemens-Vorgangsweise „jegliche regionale Verantwortung eines großen deutschen Konzerns vermissen“, und dafür habe er „überhaupt kein Verständnis“.

Neben Tillich zeigte sich auch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) „wütend und empört“. Es könne nicht sein, dass trotz enormer Rekordgewinne des Unternehmens die Verantwortung „für die gesamte Industrieregion aufs Spiel gesetzt wird“. Sachsens SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe und der SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Jurk sprachen von einem „Schlag ins Gesicht der Beschäftigten“. Die Entscheidung von Siemens sei zudem ein „fatales Signal für die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands“.

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