Warten auf offizielle Details
Seit rund drei Wochen verhandeln ÖVP und FPÖ über eine neue Regierung. An dem selbst auferlegten Schweigegebot halten die Parteien dabei über weite Strecken fest. Entsprechend wenig drang bisher aus den Gesprächen nach außen - und offiziell bestätigt wurde noch weniger.
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Von einer guten Atmosphäre ist die Rede, wenn Politiker von ÖVP und FPÖ über die aktuellen Koalitionsgespräche reden. „Wir verhandeln hart, aber herzlich, so könnte ich es beschreiben“, sagte etwa der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz. Von „angenehmen“ Gesprächen sprach einen Tag zuvor der Sicherheitssprecher der FPÖ Wien, Johann Gudenus. Offizielle Details zum Verhandlungsstand sind allerdings Mangelware beziehungsweise schlicht nicht vorhanden.
Heftiges Dementi nach Medienbericht
Auch Medienberichte über angebliche Einigungen oder Knackpunkte lassen FPÖ und ÖVP offiziell unkommentiert - meistens zumindest. „Falschinformationen“, „schlecht recherchiert“, „frei erfunden“: Gar nicht glücklich waren ÖVP und FPÖ diese Woche über einen Artikels des „Standard“. Die Tageszeitung hatte mit Verweis auf Verhandler von Überlegungen berichtet, eine Gebühr für Besuche in Spitalsambulanzen einzuheben - und zwar dann, wenn der Besuch nicht auf fachlichen Rat hin geschieht.
Man mag die geradezu heftigen Dementis von ÖVP und FPÖ auch aus der politischen Geschichte heraus verstehen. Bereits die erste schwarz-blaue Regierung hatte eine Ambulanzgebühr Anfang der Nullerjahre eingeführt. Der Verfassungsgerichtshof hob die Regelung allerdings wegen Verfassungswidrigkeit auf.
Gerüchte und bestätigte Forderungen
Auch ein weiteres Gerücht dieser Woche ließ Erinnerungen an die damalige Koalition zwischen ÖVP und FPÖ bzw. BZÖ aufkommen. Die Tageszeitung „Österreich“ wollte wissen, dass die FPÖ das Tempolimit auf heimischen Autobahnen kippen möchte. Der Bericht wurde von der Partei umgehend zurückgewiesen. Der letzte Vorstoß in diese Richtung war vom damaligen BZÖ-Verkehrsminister Hubert Gorbach gekommen. 2006 ließ er auf einem Abschnitt der A10 testweise ein Limit von 160 km/h zu.
Ernst scheint es der FPÖ aber mit einer Budgetaufstockung für das Bundesheer zu sein. Das bestätigte zumindest FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch gegenüber dem „Standard“. 1,3 Milliarden Euro mehr im Jahr soll es am Ende für die heimische Armee geben. Das wäre eine Etaterhöhung um mehr als ein Drittel. Von der ÖVP - konkret aus dem Büro von Innenminister Wolfgang Sobotka - hieß es allerdings auch hier: kein Kommentar zu laufenden Verhandlungen.
Geringere Einschnitte bei Mindestsicherung?
Tatsächlich sind es eher FPÖ-Verhandler, die dann doch das eine oder andere Detail durchblitzen lassen. So berichtete die „Presse“ am Mittwoch, dass die Einschnitte bei der Mindestsicherung weniger stark ausfallen, als die Wahlkampfankündigungen von ÖVP und FPÖ vermuten ließen. Die FPÖ sei nicht mehr im Wahlkampf und keine Oppositionspartei mehr, begründete das ein namentlich nicht genannter Verhandler gegenüber der Tageszeitung.
Die FPÖ-Wahlkampfforderung, Flüchtlinge auch nach einem positiven Asylbescheid in der Grundsicherung zu belassen, sei damit vom Tisch, folgerte die Tageszeitung. Ebenso ausbleiben werde vermutlich eine österreichweite Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte - wie zurzeit in Nieder- und Oberösterreich.
Festhalten dürfte eine künftige ÖVP-FPÖ-Koalition aber am Plan, die Mindestsicherung in Teilen von Geld- auf Sachleistungen umzustellen. Darauf angesprochen stellte ÖVP-Wien-Chef und Verhandler Blümel am Donnerstag zum Thema eine Rahmengesetzgebung in Aussicht. „Das ist momentan außerhalb des Verfassungsrahmens möglich“, sagte Blümel.
ÖVP-Vorschlag zum Pflegeregress
Verhandelt wird über die Mindestsicherung in der mit „Soziales, Fairness und Neue Gerechtigkeit“ überschriebenen Themengruppe. In diese fallen auch die großen Bereiche Pensionen und Pflege. Bei Letzterem möchte die ÖVP dem Vernehmen nach beim unlängst abgeschafften Pflegeregress Änderungen.
Laut einem Bericht des „Kurier“ soll die Volkspartei in die Verhandlungen den Vorschlag eingebracht haben, bei Heimbewohnern das 13. und 14. Gehalt einzubehalten. Momentan steht Bewohnern von Pflegeheimen die Sonderzahlung in voller Höhe zu, während sie ihr restliches Einkommen bis auf 20 Prozent abgeben müssen. Bei der FPÖ ist dieser Vorschlag aber angeblich auf Ablehnung gestoßen.
Grundsätzliche Einigkeit bei Sozialversicherungen
Mehr Einigkeit scheint sich bei den Pensionen abzuzeichnen. So sollen Menschen, die über das gesetzliche Antrittsalter hinaus arbeiten, keinen Pensionsbeitrag mehr zahlen. Auch eine Stärkung der betrieblichen und privaten Pensionsvorsorge dürfte auf beiderseitige Zustimmung getroffen sein.
Als ausgemacht gilt ebenfalls, dass die neue Koalition die Zahl der Sozialversicherungen durch Zusammenlegen reduzieren will. Hierzu soll es bereits eine grundsätzliche Einigung geben. „Die möglichen Varianten werden jetzt geprüft“, hieß es laut APA diese Woche aus Verhandlungskreisen. Wie diese genau aussehen, fällt aber wieder unter den Punkt: Verhandlungs- und damit Verschlusssache.
Einen kleinen Einblick hinter verschlossene Türen könnte es am Freitag geben. Dann tagt - wie mittlerweile zum Wochenende üblich - die Steuerungsgruppe mit den Parteichefs Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) an der Spitze. In ihr sollen die bisher erzielten Zwischenergebnisse der Themengruppen durchgegangen werden. Im Anschluss daran dürften sich die Chefverhandler erstmals seit einer Woche wieder öffentlich zum Verlauf der Gespräche äußern. Außerdem werden sie Bundespräsident Alexander Van der Bellen Bericht erstatten.
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