Themenüberblick

Konzentration auf Städte oder Land?

Das SPÖ-Präsidium will in einer Klausur in Wien die Nationalratswahl analysieren und besprechen, wie man die Oppositionsrolle anlegen wird. Einen Richtungsstreit darüber dementierte die Parteispitze im Vorfeld. Eine Diskussion schwelt allerdings unterdessen, ob man mehr mögliche Wähler in den Städten oder auf dem Land ansprechen soll.

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Noch-Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern will Grünen- und Liste-Pilz-Wählern ein Angebot machen und ehemalige SPÖ-Wähler zurückgewinnen. Noch-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der bald als Landesrat und wahrscheinlicher Nachfolger von Landeshauptmann Hans Niessl ins Burgenland zurückkehrt, hatte die Partei am Wochenende unterdessen gemahnt, dass man „nicht die Ersatz-Grünen werden“ dürfe.

Wichtig sei, dass die SPÖ eine breite Partei bleibe, sagte Kern, der darin eben keinen Richtungsstreit sieht, der APA. Während der zweitägigen Klausur im noch parteieigenen Gartenhotel Altmannsdorf werde man nun intensiv analysieren, wer warum bei der Nationalratswahl die SPÖ gewählt habe.

Häupl: Die SPÖ ist die SPÖ

„Es wird sicher eine Themenverbreiterung geben müssen“, so der demnächst scheidende Wiener SPÖ-Chef Michael Häupl bei seinem Eintreffen vor Journalisten. „Es gibt keinen Links-rechts-Konflikt“, so Häupl. Doskozils Warnung vor den „Ersatz-Grünen“ bringt Häupl nicht aus der Ruhe. „Das will ja ohnehin niemand“, erklärte er, „die SPÖ ist die SPÖ.“ Gewisse Themen ins Portfolio aufzunehmen, sei aber „vernünftig“.

Und wenn man sich anschaue, woher die Stimmen für die SPÖ bei der Nationalratswahl gekommen seien, wäre es auch vernünftig, „Städtepolitik“ zu machen, so Häupl weiter. Es gehe um ein „Sowohl als auch“. Stammwähler zu halten sei zwar wichtig, aber wie groß diese Gruppe für die SPÖ sei, habe man bei der Bundespräsidentenwahl sehen können, sagte Häupl und erinnerte an die damals erreichten 11,3 Prozent.

Doskozil: Wahlen gewinnt man in der Mitte

Doskozil bekräftigte am Montag gegenüber der APA, dass er die Diskussion über die Neupositionierung der SPÖ begrüße. „Es ist wichtig, dass wir als Partei der Arbeit für jene Menschen da sind, die in unserer schnelllebigen modernen Gesellschaft Unsicherheit verspüren“, so Doskozil. „Wenn wir uns nur auf den innerstädtischen Bereich konzentrieren und ausschließlich die akademische Bildungsschicht ansprechen, bewegen wir uns weg von unserer klassischen Wählerklientel.“

Die SPÖ müsse sich „sozialpolitisch links, wirtschaftspolitisch pragmatisch, gesellschaftspolitisch liberal und sicherheitspolitisch konsequent“ positionieren, so Doskozil. „Wenn wir uns ausschließlich auf das grüne Wählerpotenzial fokussieren, bewegen wir uns weg von der Mitte.“ Die SPÖ werde jetzt schon als zu sehr links wahrgenommen, aber die Mehrheit nehme sich mittig wahr. „Das bedeutet, Wahlen gewinnt man in der Mitte.“ „Nicht links, nicht rechts, sondern vorwärts“ soll die Bundespartei nach Meinung des steirischen Landesparteichefs Michael Schickhofer arbeiten.

Schweigen über Namen

Personalentscheidungen sollen bei der Klausur noch nicht fallen, wurde versichert. Offen ist etwa, wer künftig Bundesgeschäftsführer sein soll - im Gespräch sind dem Vernehmen nach etwa Kanzleramtsminister Thomas Drozda und Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. Darüber gesprochen werden dürfte unterdessen schon. So wollte etwa die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures ihren Wunschkandidaten für die Position nicht vor Journalisten kundtun, nachdem das eine der Diskussionen in der Klausur sein werde. Auch Häupl wollte keine Namen nennen, es handle sich um eine Entscheidung des Bundesparteivorsitzenden.

Kern will das neue Parteiprogramm bis Mitte 2018 vorbereiten. Beschlossen werden soll es bei einem „Erneuerungsparteitag“ zwischen Juni und September kommenden Jahres, sagte Kern in der „Tiroler Tageszeitung“ (Samstag-Ausgabe).

Kern sieht Sozialstaat in Gefahr

In seiner Rede anlässlich der Ausrufung der Ersten Republik am 12. November 1918 warnte Kern angesichts der Regierungsverhandlungen von ÖVP und FPÖ erneut davor, dass der Sozialstaat in Gefahr sei - „wir nehmen das nicht hin“.

Man habe sich diesem „Umbruch“ zu stellen, so Kern laut einer Aussendung. „Wir müssen ihn nutzen, um unsere Politik zuzuspitzen und uns neu zu formieren“ - sowohl im Parlament als auch über Bündnisse und Plattformen, in die sich auch die Zivilgesellschaft einbringen solle. Es gehe jetzt um eine Auseinandersetzung gegensätzlicher Weltbilder. „Aalglattes Marketing gegen die gerechte Modernisierung Österreichs“, so Kern. In Erinnerung an prägende Sozialdemokraten betonte Kern vor zahlreicher Parteiprominenz, dass man deren Politik „im Sinne eines gerechten Österreichs“ fortsetzen müsse.

Kickl: Sozial ist nicht gleich sozialistisch

Die Freiheitlichen üben bereits im Vorfeld der SPÖ-Präsidiumsklausur Kritik an der SPÖ. Der von Kern angepeilte Oppositionskurs basiere auf einer Fehlinterpretation des Begriffes „sozial“, so FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl am Montag in einer Aussendung, denn: „Sozial ist nicht gleich sozialistisch.“

Das beste Beispiel für eine solche „Fehlinterpretation“ sind für Kickl die Zustände im rot-grün regierten Wien. Als Beleg dafür nannte der Freiheitliche explodierende Schulden, steigende Gebühren und die Zuwanderungspolitik zulasten des Sozialsystems. „Auf diesen rot-grünen Kurs, der das Gegenteil von sozial ist, schwört Kern die SPÖ nun ein“, so der FPÖ-Generalsekretär. Der Geist des „großen sozialdemokratischen Vordenkers“ Bruno Kreisky habe Kern nicht erfasst, sagte Kickl weiter.

Steinhauser gibt Kern Tipps

Der frühere Grünen-Klubchef Albert Steinhauser empfiehlt der SPÖ, sich ihrer historischen Rolle als Arbeiterpartei zu besinnen. In einem Blogeintrag reagierte er damit auf die Ankündigung von Kern, ehemaligen Grün-Wählern ein Angebot machen zu wollen.

So ein Angebot sei wenig überraschend und auch nicht unanständig, meinte Steinhauser. Es gehe aber um eine andere Frage: „Wenn es jemals eine Chance geben soll, den Rechtsblock abzuwählen, muss die SPÖ das Ausrinnen zur FPÖ nicht nur stoppen, sondern ihre ehemaligen StammwählerInnenschichten zurückholen.“

Die SPÖ müsse sich entscheiden, „ob sie sich als links-liberale Partei ohne Chance auf Mehrheiten zwischen 20 und 30 Prozent positioniert oder ob sie endlich den Kampf um die berühmten ‚Kleinen‘, ‚Hackler‘ oder ‚Verunsicherten‘ aufnimmt“, so der Grüne weiter. „Alternativ können sich SPÖ und Grüne natürlich auch in den Wiener Innenstadtbezirken und den StudentInnenstädten gegenseitig auf den Zehen stehen. Damit werden sie aber genau nichts an den Machtverhältnissen ändern.“

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