Nina Prolls Titelheldin in „Anna Fucking Molnar“ ist eine merkwürdige Mischung aus Diva und triebgesteuertem Macho. Anna Molnar nimmt sich, was sie will - und stößt damit viele Herren vor den Kopf. Als Beitrag zur virulenten Geschlechterdebatte taugt die Komödie zwar nur bedingt, dank ihrer österreichischen All-Star-Besetzung dürfte sie jedoch trotz allem ihr Publikum finden.
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Auf Filmbeschreibungen in Presseheften sollte man im Allgemeinen nicht viel geben. Sie treffen oft nicht das Wesentliche und ordnen den Film in Schubladen ein, die man selbst nie wählen würde. Manchmal allerdings, da beschreiben sie ziemlich genau das, was man im Kino sieht. Die Austrokomödie „Anna Fucking Molnar“ ist so ein Fall, und ihre Selbstbeschreibung lautet wie folgt:
„Die exzentrische Schauspielerin Anna (Nina Proll) findet sich plötzlich am Tiefpunkt ihrer Karriere wieder. Die Theaterpremiere ging ihretwegen den Bach runter, ihr nunmehriger Exfreund (Gregor Bloeb) hat auch schon eine Neue, und ihr Alter übersteigt mittlerweile jenes bei weitem, bis zu dem man noch von Papa (Uwe Ochsenknecht) aus dem Dreck geholt werden könnte. Alles schreit nach einem Neubeginn. Doch kommen tut vorerst nur ein Feuerwehrmann - Christian.“
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Höhepunkt des Films: Proll spielt grandios die aus Liebeskummer besoffene Diva
Flirtkomödie, kein feministisches Statement
„Anna Fucking Molnar“ ist eine Komödie, die von Frauen gemacht wurde. Frauen (nämlich Proll und Ursula Wolschlager) haben sie geschrieben. Eine Frau spielt die Hauptrolle. Und mit Sabine Derflinger („Vollgas“, „42plus“, „Vorstadtweiber“) führte auch eine Frau Regie. Doch wie man an den Formulierungen des Textes spürt, die die Heldin als Spielball der Verhältnisse und verschiedener männlicher Sidekicks darstellen: Ein feministischer Film ist „Anna Fucking Molnar“ deswegen noch lange nicht. Und das will er vermutlich auch gar nicht sein.
„Anna Fucking Molnar“ ist eine Flirtkomödie mit einer weiblichen Heldin, in der es ums Küssen und „Schnackseln“ geht, und darum, dass auch manche Frau gern öfter zum Zuge kommen würde. Und vielleicht ist das auch schon der revolutionäre Teil des Films: festzustellen, dass Frauen genau wie Männer küssen und „schnackseln“ wollen - und es keine Schande ist, das mehr oder minder deutlich zu signalisieren. So gesehen geht Nina Prolls Film d’accord mit den viel diskutierten Statements der Schauspielerin zur #MeToo-Debatte auf Facebook.
Der In-flagranti-Komödien-Fremdschämmoment
Schon die Titelsequenz lässt die Heldin mit dem umwerfenden Proll’schen Strahlelächeln in die Handlung einmarschieren. Anna Molnar, Theaterdiva, eine Wucht von einer Frau auf dem Weg zu ihrer Premiere, genauer, zum Hintereingang des Theaters in der Josefstadt.
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Gleich wird sie ihn mit einer anderen erwischen: Anna Molnar (Proll) mit ihrem Partner (Bloeb)
In der Garderobe dann allerdings die Ernüchterung. Molnars Freund, der Regisseur des Stücks, gespielt von Prolls Real-Life-Partner Gregor Bloeb, hat Sex mit einer jungen Nebendarstellerin: Der klassische In-flagranti-Komödien-Fremdschämmoment. Molnar reagiert, indem sie ihren Kummer in einem Cocktail aus Whisky und Schmerztabletten ertränkt. Dann stakst sie auf die Bühne, wo sie während des entscheidenden Monologs kollabiert.
Feuerwehrmann, Psychiater und der Herr Papa
Mit Anna Molnars Erwachen aus dem Rausch endet die Exposition des Films, und die Heldin befindet sich nunmehr im Einflussbereich dreier Männer: Da ist Christian, der schüchterne Feuerwehrmann (Murathan Muslu), der sie auf starken Armen von der Bühne holt und ins Krankenhaus verfrachtet. Dann ein Psychiater, wie das Klischee es will selbst als verrückt dargestellt von TV-Kaiser Robert Palfrader.
Und Molnars Papa, ein Baumarktmogul und abgehalfterter Playboy, in dessen Rolle sich Uwe Ochsenknecht genial gut machen würde, müsste der bundesdeutsche Komödienveteran nicht völlig aussichtslos mit dem Wiener Idiom kämpfen. Die Frage, die der Film an dieser Stelle formuliert, ist: Bei welchem der drei Herren findet die Heldin wohl ihr Glück? Und Glück - das ist bei Molnar eine durchaus körperliche Sache.
„Schnackseln - fünfmal am Tag“
Während sich auch in den Gesprächen mit dem Papa vieles um Sex dreht (sie könnte „schnackseln - am liebsten fünfmal am Tag“, sagt die Tochter einmal zum Vater), geht es mit den anderen beiden Herren konkreter zur Sache. Ein romantisches Date mit dem Feuerwehrmann unterbricht Molnar durch die Ansage: „Bist du eigentlich auch so geil wie ich?“ Den Psychiater versucht sie auf der Liege flachzulegen.
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Merkwürdige Wandlung: Vom fürsorglichen Teilzeitpapa wird Feuerwehrmann Christian (Muslu) zum Stripper-Boy
Prolls Heldin ist ein weibliches Triebwesen, wie man es auf der Leinwand selten sieht. Menschen begegnen ihr als Lustobjekte (Männer) oder Konkurrentinnen (Frauen) - Grauzonen gibt es in dieser Aufteilung kaum. Wenn sie ihren schüchternen Love-Interest, den Feuerwehrmann, schließlich mit einer Wette dazu bringt, für den Feuerwehrkalender zu strippen, kommt einem die Konstellation merkwürdig bekannt vor. Der Mann wird hier zum Umkehrbild jener Frauen, die in 50er-Jahre-Filmen die Brille ablegten und den Dutt öffneten, um dem männlichen Helden zu gefallen: „Mach dich locker, dann klappt’s auch mit dem Sex.“
Sex, viel nackte Haut und eine Abrechnung mit dem Showbusiness. 👠💋✨
"Anna Fucking Molnar" unter der Regie von Sabine Derflinger ist gleichzeitig auch das Drehbuchdebüt von der Hauptdarstellerin Nina Proll.
Karnevalistische Umkehr der Geschlechterstereotype
Frauen sind manchmal eh die besseren Macher und Macker, wie auch ein sinnreicher, kleiner Seitenstrang des Films zeigen soll: Molnars Vater, der Baumarktlöwe, muss den Firmenbankrott einräumen und seine sexy Model-Gemahlin (Nadeshda Brennicke) als Neochefin ans Ruder lassen. Und die macht den Laden - allen Blondinenwitzen trotzend - wieder flott.
Nina Proll auf Facebook
Unter dem Hashtag #NotMe reagierte die Schauspielerin am 25. Oktober 2017 auf die, wie sie fand, überhitzte „#MeToo“-Debatte im Gefolge des Hollywood-Belästigungsskandals: „Warum bestehen eigentlich immer die Feministinnen darauf, dass Frauen Opfer sind? Das verstehe ich nicht. Ich bin seit 20 Jahren in diesem Beruf tätig, und ich schwöre, ich bin dabei noch nie von einem Mann sexuell belästigt worden. Aber das liegt vermutlich daran, dass ich sexuelle Annäherungsversuche von Seiten eines Mannes grundsätzlich erfreulich finde (...)“, schrieb sie, und zog sich so den Vorwurf zu, mit ihrer „naiven“ Polemik den eigenen Film vermarkten zu wollen.
Es liegt sicher auch an Nina Prolls kontroversiellen Facebook-Beiträgen zur #MeToo-Debatte, dass ihr Film nun vor allem im Kontext der Geschlechterdebatte gesehen wird. Bei seiner Ausstrahlung im Fernsehen, in ein, zwei Jahren, wird das vielleicht schon anders sein, und er wird allein wegen der heimischen All-Star-Besetzung gute Einschaltquoten erzielen und sein Publikum unterhalten (der ORF ist als Koproduzent beteiligt).
Strippende Männer sind auch keine Lösung
Hier und heute macht es allerdings den Eindruck, als sei „Anna Fucking Molnar“ angetreten, um etwas zum Umgang der Geschlechter miteinander beizutragen. Ein Eindruck, den Proll im „profil“-Interview kürzlich bestärkte: „Anna Molnar erlaubt sich, genauso sexistisch zu leben, wie Männer das auch tun. Sie gestattet sich, den Mann auf das Geschlechtliche zu reduzieren“, formulierte die Hauptdarstellerin und Autorin des Films.
Eine Kinoheldin als Macho, die wohl eher versehentlich vorexerziert, dass eine Umkehrung der Verhältnisse auch nichts bringt - wenn die Verhältnisse an sich falsch sind: Brav strippende Männer statt mundtot gefügiger Frauen sind auch keine Lösung.