Im Netz der karibischen Hochfinanz
Eine Sechserpackung Schwedenbomben kostet nur 1,99 Euro, aber wer sie erwirbt, wird Teil eines wirtschaftlichen Netzwerks, das sich von Wien über den Schweizer Kanton Zug, Bukarest und Malta bis hin zu den Cayman Islands spannt. Auf den Cayman Islands nämlich sitzt das Firmenkonstrukt Oryxa, das – laut Paradise-Papers – unter der Kontrolle des Hauses Meinl steht und von dem Finanzdienstleister Appleby betreut wird.
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Bevor die urwienerischen Schwedenbomben in die Strukturen der karibischen Hochfinanz eingebunden werden konnten, mussten sie erst die Niederungen eines österreichischen Sanierungsverfahrens durchlaufen. 2012 sickerte durch, dass der Schwedenbomben-Hersteller Niemetz in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war.
Rettung aus Rumänien
Als am 1. Februar 2013 das Handelsgericht Wien das Sanierungsverfahren über den Traditionsbetrieb eröffnete, hatten die Fans der Schwedenbomben bereits zu Solidaritätskäufen aufgerufen. Sie demonstrierten den Wert des Unternehmens damit so nachdrücklich, dass die Firma Heidi Chocolat im Juni 2013 für Markenrechte, Rezepte und Produktionseinrichtungen rund 5,25 Millionen Euro auf den Tisch des Hauses Niemetz legte. Heidi Chocolat ist 1994 von dem Schweizer Chocolatier Rudolf Läderach nahe der rumänischen Hauptstadt Bukarest gegründet worden, 2013 hat die in Rumänien ansässige Meinl-Gesellschaft Kex Confectionery das Unternehmen gekauft.

Günter Hack, ORF.at
Schwedenbomben-Fabriksverkauf in Wien
Nach der Übernahme durch Meinl wurde die Produktion der Schwedenbomben von Wien ins niederösterreichische Wiener Neudorf verlegt, in eine von der Wirtschaftsförderungsagentur ecoplus für vier Millionen Euro renovierte Halle im Industriezentrum Süd. Darüber hinaus richtete der neue Eigentümer am 22.5.2013 eine Muttergesellschaft für die Schwedenbomben in der Schweiz ein, die Heidi Chocolat Suisse SA (auch: Heidi Chocolat AG), die heute im Kanton Zug residiert.
Besteuert in Österreich
Die österreichische Schwedenbomben-Produktion ist damit eine Niederlassung der Heidi Chocolat Suisse SA. Das bedeutet, dass sie hierzulande unter anderem 25 Prozent vom Gewinn als Körperschaftssteuer abführen muss. „Wir wollen ganz klar festhalten, dass die Steuern und Abgaben von Niemetz Schwedenbomben selbstverständlich zu 100 Prozent in Österreich entrichtet werden. In Österreich liegt die Produktion des Unternehmens, und hier wird der bei Weitem größte Teil des Umsatzes erwirtschaftet“, so Gerhard Schaller, Geschäftsführer von Niemetz Schwedenbomben, auf Anfrage des ORF.

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Die österreichische Schwedenbomben-Produktion ist eine Niederlassung der Heidi Chocolat AG im Schweizer Kanton Zug
Der Wiener Steuerexperte Gottfried Schellmann bestätigte das: „Diese Konstruktion hat rein steuerrechtlich zum Sparen in Österreich gar keinen Sinn. Das Besteuerungsrecht bleibt in Österreich, egal ob wir es mit einer Tochtergesellschaft der rumänischen Mutter oder mit einer Zweigniederlassung einer Schweizer Gesellschaft zu tun haben. Es kann nur konzerninterne Gründe haben, warum man das gemacht hat. Vielleicht wegen der Finanzierung, etwa wegen eines Gesellschafterdarlehens. Ein anderer möglicher Grund dafür, warum man das österreichische Investment von Rumänien durch Zwischenschaltung dieser Gesellschaft getrennt hat, kann sein, dass man das Devisenmanagement in der Schweiz macht. In Rumänien hat man es doch mit einer etwas volatilen Währung zu tun, und im Schweizer Franken und im Euro hat man mehr Währungskontinuität.“
Internationaler Schokokonzern
Die nicht börsennotierte Heidi Chocolat Suisse SA hat ein Aktienkapital in Höhe von einer Million Schweizer Franken, aufgeteilt auf 10.000 vinkulierte Namensaktien im Wert von jeweils 100 Franken. Vinkulierung bedeutet, dass die Anteile an der Firma von ihren Inhabern nicht frei an andere übertragen werden können. Wem die Firma im Detail gehört, ist nicht einsehbar, weil die Anteilseigner nach Schweizer Recht nicht offengelegt werden müssen. „Wirtschaftlicher Eigentümer kann derzeit nicht ermittelt werden“, heißt es im österreichischen Firmenbuch über die hiesige Niederlassung - aber Heidi Chocolat ist, ebenso wie die Marke Niemetz Schwedenbomben, ganz offiziell Teil des Portfolios der in Bukarest ansässigen Holding Kex Confectionery SA, in der Meinl seine mitteleuropäischen Süßwarenfirmen gebündelt hat.
Die Kex Confectionery SA wiederum gehört zu 99,99 Prozent der KEX Confectionery Limited auf Malta, die restlichen 0,01 Prozent hält die Oryxa Capital GP Limited auf den Cayman Islands. Laut maltesischem Firmenbuch sind die beiden Direktoren der im Juli 2010 gegründeten KEX Confectionery Limited Mitarbeiter eines dortigen Finanzdienstleisters, also Platzhalter. Bis 12. Dezember 2012 hieß die KEX Confectionery Limited übrigens Oryxa Malta Holdings Limited (OHML). Unter diesem Namen hielt sie unter anderem für Meinl den rumänischen Süßwarenhersteller Kandia Dulce. Die Eigentumsverhältnisse zwischen Heidi, Kex Confectionery und Meinl gehen im Detail aus der Entscheidung Nr. 15 der rumänischen Kartellbehörde vom 19.3.2013 zur Übernahme von Heidi durch die Meinl-Unternehmen hervor.

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Steueroase Malta
„Malta hat immer noch den Vorteil der Besonderheit, dass man bei Ausschüttungen aus Malta heraus die Quellensteuer auf fünf Prozent reduzieren kann“, so Schellmann, „hier läge grundsätzlich ein steuerlicher Vorteil. Malta ist der einzige EU-Mitgliedsstaat, der noch dieses Anrechnungssystem hat. Es ist daher ein gängiges Modell, Malta dazwischenzuschalten.“ Anteilseigner der maltesischen KEX Confectionery Limited wiederum sind Meinls Cayman-Gesellschaften Oryxa Capital GP Limited (ein B-Anteil) und die Oryxa Capital LP (1.999 A-Anteile). Die Schwedenbomben wären damit in der Karibik angekommen.

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Von der Oryxa Capital GP Limited findet sich in den Paradise-Papers zwar ein Dokument, das ihr Steuerfreiheit bis Dezember 2029 bescheinigt, im Fall der Schwedenbomben dürfte dieses wohl kaum eine Rolle spielen, so Steuerexperte Schellmann: „Das Domizil auf den Cayman Islands dürfte einen historischen Grund haben. Man weiß ja schon von Meinl European Land, dass die Cayman Islands immer wieder in die Strukturen eingeschaltet wurden. Das hat eine gewisse Tradition, die Familie Meinl ist ja auch sehr stark britisch geprägt. Und da ist man halt, wenn man international tätig war, auf diese Inseln gegangen.“
Reise um die halbe Welt
Eine Schwedenbombe muss weit reisen, wenn sie ihre wahre Mutterfirma besuchen möchte.
Hinter dem 2009 gegründeten Oryxa-Konstrukt stehen, laut einem E-Mail-Wechsel zwischen Appleby-Angestellten, „Individuen, die mit der Meinl Bank verbunden sind, einige davon hochrangige Mitarbeiter“ sowie „die Inhaber der Meinl-Bank, inklusive Julius Meinl“. Über dieses Vehikel investieren die Meinl-Akteure nicht nur in Süßwaren, sondern auch in osteuropäische und russische Immobilienprojekte, etwa über die auf Malta registrierte Fulcrum-Gruppe. Auf der Website des in Prag ansässigen Meinl-Investmentfonds präsentiert sich Julius Lindbergh Meinl V. im Nadelstreifzweireiher vor der Kreml-Mauer.
Genießen und schweigen
Schaller von Niemetz Schwedenbomben möchte sich zu diesen Eigentümerstrukturen gegenüber dem ORF nicht äußern. Er betont, dass die neuen Eigentümer zehn Millionen Euro in das Unternehmen investiert und die Belegschaft von 40 auf 100 Mitarbeiter vergrößert hätten: „Es ist durch sehr gutes Management, hohen persönlichen Arbeitseinsatz aller Beteiligten und hohe Investitionen gelungen, die Niemetz Schwedenbomben, ein österreichisches Kulturgut, zu retten.“ Die Anfragen des ORF bei der Meinl Bank sowie dem in Prag ansässigen Meinl-Investmentfonds blieben unbeantwortet.

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Die Meinl Bank in Wien: Kein Kommentar zur Oryxa-Struktur
Die Strukturen der Meinl-Gesellschaften sind oft derart komplex, dass selbst Insider sie nicht mehr durchschauen. „Ich verstehe das so, dass Oryxa eine Partnerschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz auf den Cayman Islands ist“, schreibt ein Appleby-Manager im Verlauf einer E-Mail-Diskussion vom November 2011, „sie ist Teil der Struktur der Meinl-Gruppe (ich glaube sogar, dass sie an deren Spitze steht, aber ich kann mich auch irren).“
Links:
Günter Hack (ORF.at), Kaspar Fink (ORF)