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Saudi-Arabien als Unsicherheitsfaktor

Der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman hat am Wochenende einige der mächtigsten und reichsten Männer des erzkonservativen Königreichs in Arrest nehmen lassen und sich die Kontrolle über den Sicherheitsapparat gesichert. Die Verhaftungswelle sorgt innerhalb und außerhalb Saudi-Arabiens weiter für Aufruhr. Die Verhafteten sollen weiterhin unter Hausarrest im luxuriösen Ritz-Carlton-Hotel in Riad stehen.

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Ein online kursierendes Video zeigt am Montag mehrere Personen, die in einem Ballsaal des Fünf-Sterne-Hauses am Boden in Decken eingehüllt schlafen. In dem kurzen und verwackelten Video sind auch zahlreiche bewaffnete Sicherheitskräfte in Schutzausrüstung zu sehen.

Machtdemonstration des Kronprinzen

Offiziell handelte es sich bei den Verhaftungen um eine Maßnahme zur Korruptionsbekämpfung. International wurde die Verhaftungswelle aber vor allem als Machtdemonstration des Kronprinzen Mohammed gewertet und in Zusammenhang mit seinen Plänen zur Erneuerung des Königreichs gebracht. Der erst 32-Jährige hatte in den vergangenen Monaten angekündigt, die auf Öl basierende Wirtschaft des Landes zu öffnen.

Dafür setzt er unter anderem auf Privatisierungen, auch des saudischen Ölkonzerns Aramco. Zudem kündigte er auch im gesellschaftlichen Bereich Reformen an, die nicht zuletzt die neuen Wirtschaftspläne stützen sollen. So sollen Frauen künftig Autofahren dürfen, es soll zudem bald zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Touristenvisa geben. Eine der großen Überraschungen war auch die Ankündigung, einen „moderaten Islam“ im wahhabitischen und erzkonservativen Königreich zu etablieren.

Manöver mit vielen Risiken

Gleichzeitig beurteilen Beobachter den Vorstoß des Kronprinzen als äußerst riskantes Manöver. Nicht nur, dass er die Eliten des Landes gegen sich aufbringt - in dem von Konkurrenz zwischen Dynastien geprägten Machtgefüge könnte die Stimmung leicht kippen. Statt Allianzen zu schmieden, gehe er mit „eiserner Hand“ gegen die Opposition vor, sagt James Dorsey von Singapurs S. Rajaratnam School of International Studies. Dieses harte Vorgehen könnte auch jene ausländischen Investoren verschrecken, die der Kronprinz eigentlich anlocken möchte.

Mohammed bin Salman

Reuters/Bandar Algaloud/Courtesy of Saudi Royal Court

Mohammed bin Salman (Mitte) ist seit 2015 auch Verteidigungsminister

Auch die Zustimmung der Bevölkerung zu seinen Plänen sind weder in wirtschaftlicher noch in religiöser Hinsicht gesichert. Weiterhin genießen große Teile der saudischen Bevölkerung als Beamte, Arbeitslose und hochqualifizierte Beschäftigte den Ölreichtum, während zehn Millionen Arbeiter aus dem Ausland vor allem Arbeiten erledigen, die viele Saudis nicht machen wollen.

„Coup vor dem Coup“?

Die Armee soll sich laut Medienberichten ebenfalls in Aufruhr befinden. Die Zeitung „Asia Times“ berichtete, dass der Kronprinz unter anderem durch die Lage in Syrien und den aussichtslosen Bürgerkrieg im Jemen geschwächt ist. Bei der Verhaftungswelle habe es sich gewissermaßen um einen „Coup vor dem Coup“ gehandelt, bei dem Kronprinz Mohammed auch vier entscheidende Konkurrenten im Rennen um die Macht beseitigen konnte.

Einer von ihnen war der Kopf der mächtigen Nationalgarde, Prinz Mutaib bin Abdullah. Er war der Lieblingssohn des verstorbenen Königs Abdullah. Lange galt er als führender Anwärter auf den Thron. Prinz Mutaib war der letzte Vertreter des Abdullah-Zweigs der königlichen Familie, der noch einen höheren Posten in Saudi-Arabiens Machtgefüge innehatte.

Rückendeckung von Trump

„Es hat den Anschein eines Putsches. Saudi-Arabien wird binnen kürzester Zeit zu einem anderen Land. Das Königreich war noch nie so instabil“, so ein ehemaliger US-Beamter zum „New Yorker“. US-Präsident Donald Trump befürwortete indes die Verhaftungen. Er habe „großes Vertrauen“ in König Salman und Kronprinz Mohammed, schrieb Trump im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Sie wissen genau, was sie tun“, ergänzte er.

Einige der Festgenommenen hätten ihr Land seit Jahren „gemolken“. Abseits von Trumps offener Unterstützung sorgten zuletzt auch andere Aspekte zur US-Involvierung in der Causa für Aufsehen: Laut einem Bericht der „Washington Post“ soll der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, Jared Kushner, den Prinzen kurze Zeit vor der Verhaftungswelle getroffen haben.

Schockwellen für gesamte Region

International werden die Entwicklungen auch mit Besorgnis betrachtet, weil Kronprinz Mohammeds Machtdemonstrationen für Schockwellen im gesamten Nahen Osten sorgt. Zuletzt wartete das Königreich mit offenen Drohungen gegen den Iran und den Libanon auf. Der Iran übe „direkte militärische Aggression“ gegen Saudi-Arabien aus. Er beliefere die von Riad bekämpften Huthi-Rebellen im Jemen mit Raketen, was einem „Kriegsakt gegen das Königreich“ gleichkomme. Der Iran wies die Vorwürfe zurück.

Auch vom Libanon sieht sich Saudi-Arabien herausgefordert. Die Regierung des Libanon werde als eine behandelt, „die Saudi-Arabien den Krieg erklärt“, sagte der Golfminister des Königreichs, Thamer al-Sabhan, am Montag dem Sender Al-Arabija. Zur Begründung verwies er auf die libanesische Hisbollah-Miliz, die vom Iran unterstützt wird. Er warf dieser Aggression vor.

Premier des Libanon trat zurück

Dass der Einfluss des Kronprinzen Mohammed bis in den Libanon reicht, haben die jüngsten Ereignisse ebenfalls gezeigt. Am Wochenende hatte der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri, der enge Verbindungen zum Königreich hegt und auch auch die saudische Staatsbürgerschaft besitzt, „aus Angst“ vor einer Ermordung seinen Rücktritt bekanntgegeben. Er verwies dabei auf die Hisbollah-Miliz.

Es wurde auch vermutet, dass Hariri ebenfalls unter saudi-arabischem Hausarrest stehen könnte. Am Dienstag reiste Hariri allerdings aus Saudi-Arabien aus. Er soll sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) mit dem Kronprinzen getroffen haben.

Überdies halten sich Gerüchte, wonach ein vertrauter Hariris, Prinz Abdul Asis bin Fahd, im Zuge der Verhaftungen sein Leben verloren habe. Im Internet machten Meldungen die Runde, denen zufolge Abdul Asis in Gewahrsam umgekommen sei oder er getötet worden sei, als er Widerstand gegen seine Festnahme geleistet habe. Die saudische Regierung dementierte die Berichte am Dienstag. Sie seien falsch, der Prinz sei „am Leben und wohlbehalten“, so das Informationsministerium in Riad.

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