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Prinz will „weltoffenes“ Land fördern

Ende Oktober hat der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman einmal mehr mit einem Reformvorhaben aufhorchen lassen, das im ultrakonservativen Königreich einer gesellschaftlichen Umwälzung gleichkommt. Er wolle zurück zu einem gemäßigten Islam, so der Thronanwärter. Die Bevölkerung Saudi-Arabiens wolle ein normales Leben.

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„Wir gehen zu dem zurück, wie wir waren: dem moderaten Islam, der offen gegenüber der Welt und allen Religionen ist“, sagte der Kronprinz auf einer Konferenz in Riad. Saudi-Arabien sei vor 1979, dem Jahr der Besetzung der Großen Moschee in Mekka, anders gewesen. „70 Prozent der Saudi-Araber sind jünger als 30 Jahre. Ganz ehrlich, wir werden keine 30 Jahre unseres Lebens verschwenden, um uns mit extremistischen Ideen zu beschäftigen. Wir werden sie heute und sofort zerstören.“ Prinz Mohammed, der selbst erst 32 Jahre alt ist, wurde bei seinen Ausführungen mehrmals vom Applaus der Konferenzteilnehmer unterbrochen.

Bündnis mit Bestand

Mit seinen Äußerungen nahm der Thronfolger offensichtlich Bezug auf die Besetzung der Großen Moschee in Mekka 1979 durch radikale Islamisten. Die Männer verlangten den Rücktritt von König Chalid und die Einsetzung einer „echt islamischen Regierung“. Die saudi-arabische Armee stürmte das bedeutende islamische Gotteshaus Tage später. Doch das durch den Ölboom aufstrebende Land veränderte sich auf Jahrzehnte - die gesellschaftliche Liberalisierung wurde zurückgedrängt.

Saudi-Arabien ist vom Wahhabismus geprägt, einer besonders strengen und traditionellen Lesart des Islam. Das Herrscherhaus der al-Saud hatte bereits Mitte des 18. Jahrhunderts ein Bündnis mit wahhabitischen Religionsgelehrten geschlossen, das bis heute Bestand hat und den Gelehrten weitreichenden Einfluss auf Religions- und Lebenspraxis in Saudi-Arabien gewährt.

„Vision 2030“ soll Saudi-Arabien verändern

Mohammed bin Salman, der gegenüber seinem greisen Vater König Salman als inoffizieller Herrscher Saudi-Arabiens gilt, wurden in den vergangenen Monaten schon eine Reihe von Maßnahmen zu Öffnung der Gesellschaft zugeschrieben. Die aufsehenerregendste Veränderung ist dabei wohl die, Frauen als letztes Land der Erde das Fahren von Autos zu erlauben. Die neue Regelung soll im nächsten Jahr in Kraft treten. Die historische Entscheidung und noch viele andere sind Teil eines gigantischen Reformprojektes: Im Rahmen der „Vision 2030“ will Riad seine Wirtschaft und Gesellschaft umfassend modernisieren - um sich für eine Zeit nach dem Ölboom zu wappnen. Die treibende Kraft hinter der „Vision 2030“ ist der Kronprinz.

Frau lenkt Auto

APA/AFP/Reem Baeshen

Frauen hinterm Steuer - ab Mitte nächsten Jahres auch in Saudi-Arabien kein Delikt mehr

Er gilt als Hoffnungsträger für die junge Generation Saudi-Arabiens. Damit geht er auch das Risiko ein, die einflussreichen Religionsgelehrten des Landes gegen sich aufzubringen. Viele Menschen im Königreich, vor allem streng Gläubige und Religionsgelehrte, sind strikt gegen einen modernen Umgang zwischen Mann und Frau. Die meisten Lockerungen für das Leben der saudischen Frauen werden daher vorsichtig und langsam vorgenommen. Frauen müssen weiterhin alle großen Lebensentscheidungen bis hin zu Reisen von einem männlichen Vormund absegnen lassen. Zudem gelten strenge Bekleidungsvorschriften für Frauen in der Öffentlichkeit.

International umstritten

Einige Beobachter werfen Saudi-Arabien vor, mit der Ausweitung der Frauenrechte nur vom scharfen Vorgehen der Regierung gegen Kritiker ablenken zu wollen. Erst im September waren mehr als 20 Menschen festgenommen worden, unter ihnen einflussreiche Aktivisten. Auch international handelte sich Prinz Mohammed schon viel Kritik ein. So ist er für die verheerende Militärkampagne im Jemen verantwortlich. Durch Luftangriffe in Gebieten unter Kontrolle der Huthi-Rebellen starben Tausende Zivilisten. Mohammed bin Salman soll auch einer der Hauptakteure bei der Blockade Katars in den vergangenen Monaten sein.

Seit der Thronbesteigung seines Vaters Salman im Jänner 2015 legte er aber einen rasanten politischen Aufstieg hin. Von den gesellschaftlichen Reformen erhofft er sich Anreize für ausländische Investoren und auch höhere Zustimmungsraten der jungen Generation zum Königshaus. Abzuwarten bleibt, wie der Klerus auf eine Neuausrichtung der religiösen Prinzipien reagiert.

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