Zwangsbeglückung im Mittelgang
Wer in den nächsten Monaten mit der US-Fluglinie Southwest verreist, darf sich nicht wundern, wenn sich nach Erreichen der Reiseflughöhe nicht nur das Getränkewagerl, sondern gleich eine ganze Band den Weg durch den Mittelgang bahnt. Auf ausgewählten Flügen bietet die Airline nämlich künftig ein ganz spezielles Board-Entertainment, wie das Unternehmen unlängst bekanntgab: In Kooperation mit Warner Music Nashville präsentieren sich Bands mit kurzen Konzerten dem Livepublikum.
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Mit Pop-up-Shows hatte die Fluglinie seit 2011 schon sporadisch für Aufsehen gesorgt, jetzt sollen die Konzerte unter dem Titel „Live at 35“ (in Anlehnung an die Flughöhe von 35.000 Fuß, entspricht zehn Kilometern) institutionalisiert werden. „Die Konzerte in der Luft erfreuen sich größter Beliebtheit, und seit sechs Jahren hoffen Kunden, dass sie das Glück haben, auf ihrem Flug eine Show zu sehen - und danach Teil des Videos zu sein, das sich im Internet verbreitet“, heißt es von den Kooperationspartnern.

Southwest Airlines
Wenn eine ganze Band den Weg zum Klo versperrt: The Daybreaks bei ihrem Flugzeugkonzert
Tatsächlich sind auf den professionell gemachten Videos, die von Southwest und den Künstlern selbst auf YouTube und Twitter geteilt werden, ausschließlich glückliche Menschen zu sehen, die freudig dem Ereignis lauschen und mit ihren Handys filmen, was ihnen während des Fluges geboten wird.
Die Musiker meinen es gut
Die Musiker selbst kommentieren ihre Erfahrung ganz PR-geschult positiv: „Es war ein bisschen anders, als das, was ich normalerweise so mache“, sagte etwa Country-Newcomer Devin Dawinson nach seinem Konzert, das den Auftakt der neuen Serie markierte. „Es gibt viele Menschen, die nicht gerne fliegen, einige werden nervös. Ich hoffe, dass so etwas eine coole Überraschung ist und ihnen hilft, ihre alltäglichen Sorgen zu vergessen.“
Journalisten sehen das anders
Medienberichte von „Vogue“ bis „Economist“ sind da deutlich weniger euphorisch. Man ist sich zwar einig, dass es grundsätzlich gut gemeint sei, wenn man in Zeiten schwindenden Bordservices versuche, neue Wege zu gehen. Aber: Es sei halt auch schwierig, jedermanns Geschmack zu treffen (auch wenn die Country-Szene in den USA einen recht großen Markt bedient).
„Weil Fliegen nicht Folter genug ist“, kommentiert die „New York Daily News“, „Southwest Airlines nötigt gefangenen Passagieren künftig regelmäßig Livemusik auf“, schreibt „Vice“. Der „Economist“ fasst das Dilemma recht prägnant zusammen: „Das Problem ist, die meisten Reisenden wollen nur von einem Ort zum anderen kommen - mit minimaler Belästigung.“
Twitter-User haben Angst
Ganz viel Unverständnis erntete die „Live at 35“-Serie auch auf Twitter. Businessflieger haben Angst, gestört zu werden, während sie sich auf wichtige Termine vorbereiten wollen, Country-Hasser sorgen sich um ihre innere Balance.
Der Vergleich mit den Straßenmusikanten, die in der U-Bahn zu spielen beginnen, dränge sich auf, ist da zu lesen - wobei man dort ja immerhin die Chance habe, bei der nächsten Station den Waggon zu wechseln.
Wie oft und auf welchen Flügen die Konzerte künftig stattfinden werden, wurde noch nicht bekanntgegeben. Bei bisherigen Konzerten seien die Kunden laut Southwest aber immer positiv überrascht gewesen. Und das Magazin „Vogue“ fügt trotz aller Skepsis hinzu: „Es ist eine nette Geste.“
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Sophia Felbermair, ORF.at