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Nächste Krisensitzung bei Liste Pilz

Die weltweite Welle der Aufdeckung sexueller Übergriffe von Männern ist mit dem Fall Peter Pilz auch in Österreich angekommen. Nach seinem Rücktritt am Samstag gehen die Debatten weiter: Wie sieht die Zukunft seiner Liste aus? War Pilz’ Umgang mit den Vorwürfen adäquat? Und auch die Entstehungsgeschichte der Enthüllung liefert weiter Gesprächsstoff.

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In einer Sitzung am Sonntag seien von der Liste Pilz Modelle erarbeitet worden, wer nun den Klubvorsitz übernehmen könnte, sagte Mandatar Wolfgang Zinggl der APA. Der Parteiname bleibt vorerst noch bis kommende Woche. Am Donnerstag konstituiert sich der neue Nationalrat.

Die informelle „Klubsitzung“ am Sonntag, bei der Pilz selbst nicht dabei gewesen sei, sei „sehr konstruktiv und amikal“ verlaufen. „Natürlich ist das ein kurzer Niederschlag gewesen, der heftigst war“, meinte Zinggl zum Rückzug des Parteigründers. Nun wolle man aber das Augenmerk nach vorn richten.

Zeuge schildert Vorfall

Der langjährige Grüne Pilz war am Samstag zurückgetreten, weil er 2013 vor mehreren Zeugen beim Forum Alpbach betrunken eine junge Frau begrapscht haben soll, wie der „Falter“ berichtete. „So etwas habe ich überhaupt noch nicht erlebt“, schilderte der Anwalt Oliver Stauber gegenüber dem „Standard“ (Onlineausgabe) die Vorfälle von damals. Pilz habe die Frau „überall angefasst“. Ähnlich hatte die Frau zuvor die Attacke dem „Falter“ geschildert. Pilz selbst will sich an den Vorfall nicht erinnern können, nahm ihn aber als Anlass für seinen Rücktritt.

Streit auch in Disskusionssendung „Im Zentrum“

Bei „Im Zentrum“ in ORF2 sorgten die Vorwürfe gegen Pilz Sonntagabend abermals für Streit zwischen Alfred Noll von der Liste Pilz und Albert Steinhauser von den Grünen.

Zurückgewiesen hat Pilz dagegen Vorwürfe der sexuellen Belästigung seiner ehemaligen Assistentin, über die Medien berichtet hatten. Vielmehr stellte er „Rache“ seiner Ex-Partei in den Raum, die bei der Wahl Mitte Oktober aus dem Parlament geflogen ist, während er den Einzug mit seiner Liste schaffte.

Kolba sieht „wohlkoordinierte Kampagne“

Auch sein Mitstreiter und Neo-Abgeordneter Peter Kolba bemühte sich am Sonntag, Pilz als Opfer darzustellen: Auf Facebook sprach er von einer „wohlkoordinierten Kampagne in den Medien“, die Pilz zum Rücktritt veranlasst habe. „Uns bläst als Liste Pilz von den Mächtigen dieser Republik nun heftiger Gegenwind ins Gesicht“, schrieb Kolba, der offenbar ein Komplott vermutet.

„Man will keine Kontrolle a la Peter Pilz“, glaubt Kolba. Die Partei werde aber seine Kontrollarbeit fortsetzen und man werde sich bemühen, Pilz „nach dessen selbstgewählter Pause“, wie es Kolba ausdrückt, einzubinden.

Stern sieht Pilz als Vorbild

Auch die Ex-Sprecherin des Frauenvolksbegehrens, Maria Stern, die (nicht erfolgreich) auf Platz zehn der Liste Pilz kandidierte, steht „nach wie vor zu dem Politiker Peter Pilz“, wie sie dem „Standard“ mitteilte. Die Vorwürfe gegen ihn wegen sexueller Belästigung seien ihr im Wahlkampf aber nicht bekannt gewesen. Sie „bedaure sehr, dass seine wichtige, jahrzehntelange Arbeit im Parlament nun ein Ende gefunden hat“, sexuelle Belästigung sei jedoch „ein schwerwiegendes gesellschaftliches Problem“, dem man sich stellen müsse.

Andere „betroffene Männer“ sollten Pilz als Vorbild sehen und „die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen“, findet Stern. Vor allem die Formulierung „betroffene Männer“ erzürnte in den Sozialen Netzwerken viele. Das verharmlose die Täter und stelle sie als Opfer dar, hieß es mehrfach. Ähnliche Kritik hatte es schon an Pilz’ Aussagen in der Pressekonferenz am Samstag gegeben: Der Ex-Grüne habe dort Opfer-Täter-Umkehr betrieben, wurde vielfach angemerkt.

Zeitpunkt macht Pilz-Anhänger stutzig

Die Pilz-Unterstützer stoßen sich vor allem an dem Zeitpunkt der Aufdeckung, liegen die Vorfälle doch schon einige Jahre zurück. Auf Twitter wurde jedenfalls mehrmals angemerkt, dass die Vorwürfe der ehemaligen Mitarbeiterin am Freitag zeitgleich von „profil“ und der „Presse“ veröffentlicht wurden: Das sei insofern interessant, als dass es auch diese beiden Medien gewesen seien, die als Erste über das Dirty-Campaigning der SPÖ berichtet hätten - und da wie dort wurden politische Konkurrenten als Quelle vermutet.

So wittern Pilz-Anhänger etwa ein Revanchefoul seiner Ex-Partei. Leute aus der Bundespartei könnten die Informationen weitergegeben haben, wird spekuliert. Andere wiederum haben die Wiener Grünen in Verdacht, schließlich seien die Vorwürfe ans Tageslicht gekommen, kurz nachdem die Liste Pilz ein Antreten bei der Wiener Gemeinderatswahl laut angedacht habe.

„Falter“ legt Rechercheprozess offen

„Falter“-Journalist Florian Klenk veröffentlichte indes auf Facebook einen Einblick, wie er zu den Informationen gekommen war. Bereits im Oktober sei man beim „Falter“ den Gerüchten über die Belästigung bei den Grünen nachgegangen. Man habe zwar Belege dafür gefunden, aber aus Opferschutzgründen auf eine Veröffentlichung verzichtet. Als „profil“ und „Presse“ dann die Story veröffentlichten, postete einer der Zeugen der Vorfälle beim Forum Alpach seine Erinnerungen auf Twitter - und rief damit Klenk auf den Plan.

Steinhauser: Grüner Klub wollte Aufklärung

Der zwischenzeitliche Klubobmann der Grünen, Albert Steinhauser, betonte indes auf Facebook einmal mehr, dass der grüne Klub an einer vollen Aufklärung der Vorwürfe der Mitarbeiterin interessiert gewesen sei. Steinhauser veröffentlichte dazu zwei entsprechende Schreiben zwischen der Anwältin des Klubs und der Rechtsvertreterin der betroffenen Mitarbeiterin.

Darin wird eben darauf verwiesen, dass etwaige politische Konsequenzen nur in der Klubsitzung beschlossen werden könnten - die Betroffene erteilte aber keine Zustimmung zur Information aller Mitglieder dieses Gremiums. Begründung: Die Mitarbeiterin fürchte „öffentliche Bloßstellung und langfristige Stigmatisierung“.

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